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Anti-sozialistische Kehrtwende

Gegen alle Widerstände: Diese „Schocktherapie“ will Milei jetzt durchsetzen

Argentinien, unter dem Präsidenten Milei, bewege sich in die Autokratie, behaupten Linke - doch das ist abwegig. Dennoch setzt Milei alle demokratischen Möglichkeiten in Gang für eine umfassende anti-sozialistische Kehrtwende.

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Mileis angekündigte wirtschaftliche Schocktherapie für Argentinien geht weiter. Nachdem seine Regierung bereits mehrere Maßnahmen angekündigt und auch teilweise schon umgesetzt hatte, ist vor einer Woche ein lang erwartetes Dekret gefolgt, das die Wirtschaft in zahlreichen Bereichen dereguliert. Argentiniens wirtschaftliche Situation ist nach Jahrzehnten fast ununterbrochener linker Regierungen katastrophal. Eine Inflationsrate von mittlerweile 160 Prozent macht die Bevölkerung immer ärmer.

Die Regierung möchte mit dem Dekret einen neuen Weg einschlagen. Anstatt immer wieder neue Regulierungen einzuführen, schafft man zahlreiche Gesetze und Verordnungen, die in die Wirtschaft eingreifen, ab. Konkret soll die angestrebte Privatisierung von Staatsunternehmen einfacher gemacht werden. Zudem werden Exportvorgaben für Unternehmen abgeschafft. Auch im Arbeits- und Mietrecht werden Einmischungen des Staates zurückgefahren. Insgesamt sind über 300 Gesetze vom Dekret betroffen.

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Dekrete – kein neues Instrument

Solche Dekrete sind in Argentinien nicht vollkommen unüblich. Argentiniens letzte Mitte-Rechts Regierung erließ Anfang 2018 ein (vom Umfang her deutlich kleineres) Notfalldekret für die Wirtschaft. Dennoch gibt es vonseiten des Parlaments erheblichen Widerstand. Mileis libertäres Parteienbündnis „La Libertad Avanca“ verfügt in keiner der beiden Kammern des argentinischen Parlaments über eine Mehrheit und ist auf eine Zusammenarbeit mit den traditionellen Parteien des Mitte-Rechts Lagers angewiesen. Diese sind bezüglich des Dekrets aber äußerst skeptisch.

Wie die argentinische Tageszeitung La Nacion berichtet, stimmen die Oppositionellen des Mitte-Rechts Lagers zwar mit dem Inhalt des Dekrets zu großen Teilen überein, jedoch wird eine übergriffige Exekutive angeprangert. Statt eines Dekrets sollen die Maßnahmen als reguläre Gesetze beschlossen werden, was laut den Befürwortern dieses Weges zusätzliche Rechtssicherheit schaffen soll. Die Schaffung eines neuen Gesetzes kann sich jedoch über Monate hinziehen, was Mileis Schocktherapie wohl ad absurdum führen würde. Zumindest teilweise wird der Präsident auf die Forderungen der Mitte-Rechts-Opposition eingehen müssen. Diese drohen nämlich an, sich den linken Parteien im Parlament anzuschließen und das Dekret für ungültig zu erklären, womit Mileis Reformvorhaben mit einem Schlag gescheitert wären.

Neben dem Unmut im Parlament herrscht auch auf den Straßen Argentiniens Unmut über Mileis Wirtschaftsdekret. Seit Tagen protestieren tausende Menschen in Buenos Aires gegen die Reformen der Regierung. Dabei kommt es immer wieder zu gewaltsamen Auseinandersetzungen mit der Polizei, auch wenn es mehrheitlich friedlich bleibt. Es demonstrieren vor allem linke Gruppierungen, Gewerkschaften, aber auch zahlreiche Staatsbedienstete, die um ihre vom Steuerzahler finanzierte Arbeit bangen. Anders als von zahlreichen linken Beobachtern vorhergesagt, wird die Demonstrationsfreiheit von der Regierung Milei aber weiterhin geachtet.

Die Sicherheitsministerin Patricia Bullrich hatte vor zwei Wochen ein neues Sicherheitsprotokoll für den Umgang mit Demonstrationen verkündet. Kritiker Mileis dramatisierten es zu einem Versuch der Abschaffung des Demonstrationsrechts. Dabei ging das neue Sicherheitsprotokoll lediglich auf ein großes Problem in Argentinien ein. Zukünftig sollen die in Argentinien als „Piquetes“ bekannten, eigentlich illegalen, Straßenblockaden, rigoros von der Polizei aufgelöst werden. Solche Straßenblockaden ziehen sich teilweise über Tage hin.

Demos erlaubt – Blockaden verboten

Zu den wichtigsten Forderungen der als „Piqueteros“ bekannten Demonstranten zählen dabei meist höhere Sozialausgaben. Ministerin für Humankapital Sandra Pettovello sagte dazu: „Protestieren ist ein Recht, ebenso aber wie das Recht der Menschen, sich frei durch argentinisches Territorium zu bewegen, um zu ihrem Arbeitsplatz zu gehen“. Dem neuen Umgang mit den Straßenblockaden stimmen laut einer Umfrage der Universität Buenos Aires 65 Prozent der Befragten zu.

Nicht zu verwechseln mit dem Dekret für Deregulierung ist Mileis neuer Gesetzesvorschlag, ein Sammelgesetz, das gleich in mehreren Bereichen Änderungen durchführt. Anders als das Dekret muss dieses Gesetz vom Parlament verabschiedet werden.

Die wichtigsten Maßnahmen des Gesetzes sind vor allem weitere miet- und arbeitsrechtliche Reformen, eine Wahlrechtsreform, die Stärkung des Rechts auf Selbstverteidigung, höhere Strafen für Straßenblockaden, und eine Liberalisierung des Steuerrechts. Anders als das Deregulierungsdekret betrifft das „Gesetz der Grundlagen und Ausgangspunkte für die Freiheit der Argentinier“ lediglich 20 Gesetze, welche geändert bzw. außer Kraft gesetzt werden sollen.

Das Gesetz soll es der Regierung zudem erlauben, einige Gesetze zu Steuern, Sozialleistungen und Sicherheit auch ohne Zustimmung des Parlaments bis zum Ende des Jahres 2025 zu ändern. Um eine Verhängung eines Notstandes per Dekret, wie es etwa die Tagesschau behauptet, handelt es sich jedoch keinesfalls. Das Gesetz wurde am Mittwoch dem Präsidenten des Abgeordnetenhauses Martín Menem übergeben, weshalb eine Abstimmung zum Gesetz bald zu erwarten ist.

Auch in der Verwendung der Sprache reformiert Milei den Staat. Künftig wird es für Behörden verboten zu suggerieren, Sozialleistungen und andere Staatsleistungen würden „kostenlos“ sein. Milei argumentiert, dass alle staatlichen Leistungen vom Steuerzahler getragen wären und somit die Bezeichnung als „kostenlos“ nicht zutreffen würde.

Mileis erste Wochen im Amt verlaufen also alles andere als langweilig. Ob seine Schocktherapie tatsächlich wirken wird, muss sich erst noch zeigen. Zumindest die Aktienmärkte reagieren aber bisher sehr positiv. Milei selbst hatte bei seiner Amtseinführung eine harte Zeit für die ersten Monate der Schocktherapie vorausgesagt. Der argentinische Präsident schlägt jedenfalls einen radikal neuen Kurs ein – dass er sich dabei Feinde macht, war vorprogrammiert.

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