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„Gefühlte Angst“ im Dunkeln – unsere Sicherheit ist keine Ästhetikfrage!

Die FAZ setzt sich in einem Artikel mit der Sicherheit von Frauen im Dunkeln auseinander. Man kommt zu dem Fazit, dass die Angst der Frauen durch ästhetische Städteplanung beseitigt werden könne. Doch das ist lediglich Symptombekämpfung und eine massive Verharmlosung unserer Probleme.

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„Einschränkungen der Bewegungsfreiheit sind ein fester Bestandteil des Alltagslebens vieler Frauen“ – so kommentierte der Präsident des Bundeskriminalamtes, Holger Münch, eine Studie seiner Strafverfolgungsbehörde aus dem Jahr 2022. Die Statistik hatte ergeben, dass jede zweite Frau nachts aus Angst bestimmte Parks oder Straßen meide und auf öffentliche Verkehrsmittel so gut es geht verzichtet. Darauf bezog sich nun die Frankfurter Allgemeine Zeitung in ihrem am Freitag erschienenen Artikel „Sicherheit von Frauen – Die Angst kommt in der Dunkelheit“ – und bietet so gleich Lösungen an: Da Frauen vor allem unter „gefühlter“, nicht um tatsächlicher Unsicherheit leiden, würden stadtplanerische Ideen helfen.

Die FAZ erklärt die Sicherheit der Frauen dabei allen Ernstes zu einer Ästhetikfrage. Doch das ist in etwa so, als würde man versuchen Heuschnupfen zu heilen, in dem man seine rote Nase einfach mit Puder überschminkt – und eine massive Verharmlosung unserer tatsächlichen Probleme.

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Frauen zu Hause unsicherer als auf der Straße? 

Im Vorfeld ihres Artikels hatte die FAZ verschiedene Frauen durch das nächtliche Frankfurt begleitet. Jede von ihnen hatte Angst im Dunkeln – sie gehen nicht mehr alleine raus und haben bereits Übergriffe erlebt. Auch die Morde und Vergewaltigungen, von denen man in der Presse regelmäßig hört, sorgen laut den jungen Frauen dafür, dass sich keine von ihnen mehr sicher fühlt. Und ja, das gibt die Zeitung zu, die Statistiken sprechen eine eindeutige Sprache. Die Verbrechensrate gibt Grund zur Sorge – besonders, wenn man die Dunkelziffer bedenkt.

Doch was ist genau das Problem dahinter und wie kann es gelöst werden? Die FAZ geht dieser Frage nach, indem sie mit Mary Dellenbaugh-Losse spricht, die „als Humangeografin Kommunen zu gendergerechter Stadtplanung berät“. Und die wirft dann auch gleich etwas auf, das stutzig macht: Es müsse stark zwischen „gefühlter und tatsächlicher Unsicherheit“ unterschieden werden, denn: Statistisch gesehen ist das eigene Zuhause immer noch gefährlicher als Parks und Straßen in der Nacht. Damit führt sie eine Statistik an, die im Kontext der Angst von Frauen immer wieder hochgeholt wird: das, zugegebenermaßen erschreckende, Ausmaß von häuslicher Gewalt. Doch was soll dieser Vergleich?

Wenn Sie mich fragen, beweist die Heranziehung dieser Statistik lediglich, dass man das Problem nicht verstanden hat. Denn warum haben Frauen so generell Angst im Dunkeln? Und warum haben sie nicht so eine Angst vor häuslicher Gewalt – ergreifen keine täglichen Vorsichtsmaßnahmen? Weil man eben nicht zufällig Opfer von häuslicher Gewalt wird. Der Grund, weshalb häusliche Gewalt statistisch gesehen häufiger vorkommt, ist gleichzeitig der Grund, weshalb man grundsätzlich keine Angst davor haben muss. Die Gefahr des eigenen Zuhauses ist starr: Entweder man lebt mit jemandem zusammen, der gewalttätig und -bereit ist oder nicht.

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Angst ist nicht irrational 

Männer sind keine tickenden Zeitbomben, die allesamt jederzeit gewalttätig werden könnten. Häusliche Gewalt ist komplex. Es braucht einen bestimmten Tätertypen und ein Abhängigkeitsverhältnis. Lebt man also alleine oder mit einem Partner, dem man zu Recht vertraut, betrifft einen das Thema grundsätzlich nicht. Opfer von willkürlicher Gewalt auf der Straße kann aber jeder jeden Tag werden. Es ist vollkommen unberechenbar.

Wie sieht ein Vergewaltiger aus? Wie ein Mörder? Heute könnte man auf einen gemeingefährlichen Schizophrenen auf einem Drogentrip treffen, morgen in die Schießerei eines Clans stolpern, übermorgen in eine Gruppenvergewaltigung geraten und überübermorgen wird man vom Busfahrer von nebenan überfallen, über den die Nachbarschaft sagen wird, dass er doch immer so nett war. Die Szenarien sind vielfältig. Genauso vielfältig unterscheiden sie sich auch in ihrer Wahrscheinlichkeit, doch sie passieren. 

Die Humangeografin bleibt, davon völlig unberührt, bei ihrem Konzept der gefühlten Unsicherheit. Und da die ja nur gefühlt ist, gilt es für sie, das Gefühl zu bekämpfen – beziehungsweise: „Es geht darum, die gefühlte Sicherheit von Frauen im öffentlichen Raum zu steigern.“ Als Vorschlag trägt sie vor: „Ich rate den Kommunen dazu, öffentliche Orte nachts gut zu beleuchten, belebt zu halten und ästhetisch ansprechend zu gestalten.“

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Mit Ästhetik im Kampf gegen Todesangst? 

Ästhetik soll nun also dafür sorgen, dass ich abends wohlbehalten und ohne Zwischenfälle nach Hause komme – dass ich nicht mehr jeden Tag die mentale Belastung ständiger Angst aushalten muss. Na sicher. Ein paar Blümchen hier und ein bisschen Wandfarbe da, und schon wird hinter der nächsten Ecke kein Wildfremder mehr lauern. Aber gut, was will man von einer Humangeografin auch erwarten? Eine Strafrechtsreform jedenfalls nicht. Aber wenn sie schon nichts Besseres vorzuschlagen hat, dann muss sie doch bitte nicht so tun, als wäre die Sicherheit der Frauen eine Ästhetikfrage.

Dabei gebe ich ihr ja sogar begrenzt recht: Man fühlt sich nicht ohne Grund wohler, wenn die Häuser nicht voller Graffiti und die Fenster nicht zerschmissen sind. Doch dass der Görlitzer Park verschmutzt und beschmiert ist, ist nicht der Grund, weshalb man ihn meidet. Die (mangelnde) Ästhetik ist ein Symptom. Es zu bekämpfen, löst das Problem nicht – es versteckt es im Zweifelsfall sogar noch. Ja, Angst zu haben, macht so gar keinen Spaß. Aber wissen Sie, was noch schlimmer ist als Angst? Falsche Sicherheit. Denn warum haben wir Angst? Weil wir überleben wollen. 

Angst ist nichts, wofür man sich schämen müsste. Sie ist eine Verkörperung des Überlebenstriebes.  Man kann Gefahren nur effektiv aus dem Weg gehen, wenn man sie als solche erkennt und den Drang hat, dafür zu sorgen, dass sie sich nicht realisieren. Es gibt absolut nichts ehrenhaftes an einem Vogel, der dem Krokodil ins Maul fliegt oder einer Antilope, die vor dem Löwen nicht wegläuft. Nur wer lebensmüde ist, springt vom Hochhaus. Die meisten anderen wären da aus Höhenangst gar nicht erst raufgekrabbelt.

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Keine Hysterie, sondern Überlebenswille 

Angst wird so gerne als irrational verkannt, als die typische Hysterie der Frau. Dass Männer weniger Angst haben als Frauen wird als Vorteil angesehen – bei den Frauen stimmt derweil mit dem Gefühl was nicht und das muss dann verändert werden. Dabei liegt der Vorteil der Männer nicht darin, dass sie keine Angst haben. Sie haben keine Angst, weil sie keine – oder zumindest weniger – Angst haben müssen. Es ist eben schwerer, einen Mann zu überwältigen. Der durchschnittliche gesunde Mann ist alleine von seiner Statur her vor vielen Angriffen geschützt, die die meisten Frauen bereits umgehauen hätten. 

Wenn Frauen vorsichtig sind, dann ist das nicht irrational, sondern eine realistische Einschätzung der eigenen Fähigkeiten. Die besten Chancen als Frau einen Angriff zu überstehen, hat man, wenn man ihm von vornherein aus dem Weg geht. Dazu gehört in unserer heutigen Gesellschaft eben bestimmte Orte zu meiden, nicht mehr alleine oder nachts gar sogar nicht mehr rauszugehen und so weiter. Wir leben nicht mehr in einem Land, in dem ein paar Straßenlaternen für Sicherheit sorgen können. Wir leben in einem Land, in dem Gruppenvergewaltigungen und Morde schon am helllichten Tag geschehen. Schöne Städte sind ein Luxusproblem, das wir uns nicht mehr leisten können. Solange das wahre Problem nicht einmal annähernd angesprochen wird, haben wir Frauen genauso viel Angst, wie wir haben müssen. 

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