„Endlich ein Grund zur Panik, endlich ein Grund los – Panik“, sang einmal die Band „Wir sind Helden“ und traf damit die deutsche Seele in ihrem tiefsten Kern. Es ist erst knapp über ein Jahr her, dass mit der Maskenpflicht die letzte irrsinnige Maßnahme der Corona-Pandemie abschafft wurde – und auch der Krieg in der Ukraine treibt die Adrenalinspiegel der Deutschen nicht mehr so in die Höhe wie anfangs. Wie ein Junkie auf Entzug scheinen die Deutschen auf den nächsten Grund gewartet zu haben, der Welt zu beweisen, dass der Begriff „German Angst“ nicht ohne Grund ein geflügeltes Wort im Ausland geworden ist. Jetzt hat man endlich neuen Stoff gefunden: Die Hitzepanik.
Wer in den vergangenen Tagen den Fehler gemacht hat, entspannt am See mit einem Softdrink in der Hand die Nachrichten statt eines netten Romans zu lesen, konnte seinen Augen kaum glauben. Das Bundesgesundheitsministerium und die Öffentlich Rechtlichen Medien haben eine derartige Welle an Informationen und Warnungen zum „Hitzeschutz“ herausgegeben, dass man meinen könnte, die Erde wäre spontan im Sonnensystem einen Riesensprung näher in Richtung des großen Feuerballs gehüpft.
„Wärmster Monat aller Zeiten – UN schlägt Alarm: Klimawandel außer Kontrolle“ konnte man am Freitag bei der Berliner Zeitung lesen. „Heiße Sommer in Deutschland: Hitze: Das unterstütze Gesundheitsrisiko“ titele ZDF am Samstag. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach verkündet am selben Tag nicht ohne Pathos die „erste Hitzewelle in unserem #Hitzeplan“ und teilte ein Video des Bundesgesundheitsministeriums, in dem so bahnbrechende Hinweise stehen wie „ausreichend trinken“ und „im Schatten bleiben“. Sympathisch war auch der Tweet der Ärztekammer Berlin: „Hitze kann töten. Achten Sie auf sich und andere!“
Erst am Dienstag hatte Apollo News berichtet, dass das Bundesgesundheitsministerium auf unsere mehrfache Nachfrage Lockdown-ähnliche Maßnahmen im Zeichen des Klimaschutzes partout nicht ausschließen wollte. Ähnliche Erfahrungen hatte auch die Plattform Correctiv gemacht, die auf ihre Anfrage, „ob es denkbar wäre, dass das öffentliche Leben aufgrund von Hitzewellen so drastisch eingeschränkt werden müsse wie während der Corona-Pandemie“, lediglich die Antwort erhielt, dass man Gesprächen mit „allen relevanten Akteuren“ nicht vorgreifen wolle.
Wir hatten aufgezeigt, dass der französische Hitzeschutzplan, an dem sich Lauterbach für Deutschland orientieren möchte, bei starken Hitzewellen auch Veranstaltungsverbote und Einschränkungen privater Aktivitäten, wie sportlicher Betätigung, vorsehe. Ein Lockdown, im Sinne einer Einschränkung des öffentlichen Lebens, also als Hitzeschutzmaßnahme von Lauterbach und Co also durchaus diskutiert werden könnte.
Womit wir nicht gerechnet hatten: Schon am Donnerstag machte der Spiegel öffentlich, dass die SPD in Schleswig-Holstein tatsächlich als Hitzeschutzmaßnahme das öffentliche Leben einschränken wolle. In deinem Antrag der Sozialdemokraten wird gefordert, bei Temperaturen ab 35 Grad Veranstaltungen und Sportturniere nicht mehr stattfinden zu lassen.
Diese Idee hat man nicht nur in Schleswig Holstein. Auch Karl Lauterbach soll laut mehreren Medienberichten bereits angekündigt haben, dass man „darüber sprechen“ müsse, ob bei „bestimmten Temperaturen zum Beispiel Sportturniere noch stattfinden können“.
Dass die Verantwortlichen es jedoch nicht nur beim Canceln von Veranstaltungen belassen könnten, lässt sich an Aussagen der Akteure ablesen, die an der Ausarbeitung des Hitzeschutzplans der Bundesregierung beteiligt sind. Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Allianz für Klimawandel und Gesundheit, Martin Herrmann, sagte beispielsweise gegenüber Welt: „In Extremsituationen mit Spitzentemperaturen ist es angemessen, wenn gegebenenfalls Veranstaltungen im Freien untersagt oder öffentliche Einrichtungen geschlossen werden“. Damit sind unter anderem Kitas und Schulen gemeint.
Und als wäre das alles noch nicht genug, hat auch das Robert Koch-Institut wieder angefangen, in wöchentlichen „Hitzeberichten“ hitzebedingte Todeszahlen zu veröffentlichen. Ganz offen schreibt das Institut, dass ein Hitzetod oft gar nicht als Todesursache auf dem Todesschein stehe, weil der Hitzetod meist in Zusammenhang mit Vorerkrankungen auftrete. Deshalb errechne man die hitzebedingten Todeszahlen durch „statistische Methoden“. Heißt: Sie werden anhand irgendwelcher Parameter geschätzt und sind überhaupt nicht nachprüfbar.
Das alles erinnert einen doch sehr an die Coronazeit, in der in täglichen Horrormeldungen die Tode „mit und an“ Corona verkündet wurden und Lauterbach fast ständig dramatische Ansprachen im Fernsehen hielt. Nun zeichnet sich ab: Wer gehofft hatte, dass die damals verhängten Einschränkungen des öffentlichen und privaten Lebens eine einmalige Angelegenheit bleiben, scheint sich zu früh gefreut zu haben. Die Deutschen und ihre Medien und Politiker sind offenbar ein eingespieltes Team: Die einen suchen stets Gründe, Angst zu haben, die anderen liefern sie.