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Darf man Tessa Ganserers groteske Ego-Show merkwürdig finden?

Statt eines „historischen Tags“ wurde die Abstimmung zum Selbstbestimmungsgesetz für die Grünen zum PR-Desaster - denn Vorzeige-Trans-Frau Tessa Ganserer, die „ganz normale Frau“, kam plötzlich mit tätowierter Glatze in den Plenarsaal.

Wie mögen sich die Grünen wohl gefühlt haben? Über fast fünf Jahre haben sie sich mit Tessa Ganserer mühsam ein neues TV-Sternchen, quasi ein It-Girl für ihre Identitätspolitik, aufgebaut. Sie haben Fotoshootings und Interviews veranstaltet, die der Welt zeigen sollten: Tessa heißt auf dem Papier zwar noch Markus, ist aber eine ganz normale Frau – eine „Mutter“ zweier Söhne, die gerne in die Sauna geht und einfach nur als das akzeptiert werden will, was sie schon immer war. Doch diesem Narrativ machte am Freitag niemand Geringeres einen Schnitt durch die Rechnung als Ganserer selbst. Statt mit ihrer üblichen, blonden Perücke und einem hübschen Kleid, erschien die Trans-Frau ausgerechnet bei der Abstimmung zum Selbstbestimmungsgesetz mit einer tätowierten Glatze im Plenarsaal. 

Den Kollegen vor Ort muss bei diesem Anblick innerlich die Kinnlade heruntergeklappt sein. Denn die einzig normale menschliche Reaktion wäre die Frage, ob Ganserer eigentlich noch alle Tassen im Schrank hat. Man stelle sich nur mal vor, Lisa Paus würden sich plötzlich den Kopf rasieren und sich bunte Tribal-Muster auf die nackte Haut tätowieren – die ganze Bundesrepublik würde sich, ähnlich wie bei Britney Spears im Jahr 2007, fragen, ob sie überhaupt noch zurechnungsfähig ist. Doch bei Ganserers skurrilem Auftritt herrschte nahezu ohrenbetäubendes Schweigen. Obwohl für jeden offensichtlich war, dass Tessa mit ihrer Ego-Show gerade niemand anderem als den Grünen in die Suppe spuckte, zwang ihre eigene Politik sie dazu, so zu tun, als wäre nichts gewesen. 

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Besonders bitter muss das für die junge Grünen-Abgeordnete Nyke Slawik gewesen sein – denn bei ihr ist tatsächlich glaubwürdig, dass dieser Tag für sie hätte „historisch“ werden sollen. Die 30-Jährige hatte sich an diesem Nachmittag extra herausgeputzt – mit einem schimmernden rosa Kleid, einem Taillengürtel und dazu passendem Schmuck. Doch Slawik gibt sich nicht nur äußerlich wirklich alle Mühe, wie eine biologische Frau auszusehen. Sie hat nach eigenen Aussagen bereits vor etwa zehn Jahren das Verfahren zu einer Personenstandsänderung durchlaufen – oder wie sie es wohl ausdrücken würde: über sich ergehen lassen. Denn die Grüne empfindet das bislang erforderliche Verfahren, die Begutachtungen und Kosten, als „Unrecht“ – auch um dagegen anzukämpfen, ist sie überhaupt erst in die Politik gegangen. 

Ganserer will vor allem eines: provozieren

Ihr wird die Abstimmung – ganz unabhängig davon, wie man das Gesetz nun bewerten mag – wirklich am Herzen gelegen haben. Bei Ganserer scheint das jedoch nicht der Fall gewesen zu sein. Sonst hätte sie nicht ausgerechnet an diesem Tag entschieden, die langen Haare gegen eine Glatze im Ostereier-Look zu tauschen. Hätten die Grünen in der Vergangenheit etwas genauer hingeschaut, wen sie da als Vorzeige-Frau in die erste Reihe des Plenarsaals setzen, hätte ihnen aber auch früher auffallen können, dass Ganserer keine „normale Frau“ ist – und das auch gar nicht darstellen will. Denn sie will ganz offensichtlich vor allem eines: provozieren. 

Eine stinknormale Bundestagsabgeordnete, egal welcher politischen Couleur, hätte es sich nie leisten können, in einem gänzlich durchsichtigem Oberteil an einer Ausschusssitzung teilzunehmen – und die überdimensional großen, operierten Brüste darunter nur in einem BH zur Schau zu stellen. Ich bin mir sicher, dass Ganserer weiß, dass eine biologische Frau es sich auch nicht herausnehmen könnte, in einem Leoparden-Kleid in den Plenarsaal zu kommen, das so kurz ist, dass jeden Moment etwas herauspurzeln könnte. Denn das wäre eine offensichtliche Verletzung der Kleiderordnung, der Würde des Hauses. Diesen Vorwurf musste sich die CSU-Politikerin Dorothee Bär im Jahr 2015 sogar schon wegen eines FC Bayern-Trikots gefallen lassen, das unter ihrem Blazer hervorlugte – und das nicht ganz unberechtigt. 

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Ganserer ist von jeglichen solcher Vorwürfe befreit, immerhin konnten sie und ihre Partei bislang jede Kritik als Transphobie auslegen. Und das kostet die Trans-Frau aus, wie kein anderer. Sie ließ es sich im letzten Jahr nicht nehmen, nur in einer Leder-Hotpants und einem Bustier auf das „Folsom Europe“ zu gehen – ein Straßenfest der BSDM- („Bondage & Discipline, Dominance & Submission, Sadism & Masochism“) Fetischszene in Berlin. 

Und man glaubt es kaum, aber es geht noch provokanter: Auf ihrem Instagram-Profil veröffentlichte Ganserer in der Vergangenheit nicht nur Bilder von ihrer haarigen Achselhöhle und ihrem Leisten-Tattoo, für die sie mit offener Hose posierte. Die Bundestagsabgeordnete postete gleich zwei Fotos von ihrem Hintern – auf dem einen hält sie darüber ein Kondom mit der Aufschrift „Für’n Arsch“ und auf dem anderen gibt es zusätzlich zum Kondom, das in ihrer Hose steckt, noch einen Sticker mit der Aufschrift „Kein Sex mit Nazis“ auf ihrem Allerwertesten. Von ihren Tattoos, die zum Beispiel eine Hand im Schritt einer nackten Frau zeigen, mal ganz abgesehen. 

Die Medien ließen all das weitgehend unkommentiert  – genau wie sie es jetzt tun. Dabei hat Tessa Ganserer die Grünen und all die anderen Wegbereiter des Selbstbestimmungsgesetzes mit ihrem Saubermann-Image von der „ganz normalen Frau“ im falschen Körper offen an der Nase herumgeführt. Doch diese Pille müssen die Verfechter von Fortschritt und Selbstbestimmung nun mit einem falschen Grinsen schlucken – alles andere würde die eigene politische Argumentation zerstören. 

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