Als Helmut Kohl am 22. Dezember 1989 vor dem Brandenburger Tor seine Stimme erhob, konnte man ihn nur schwer verstehen. Zehntausende Menschen aus Ost und West hatten sich um den Bundeskanzler versammelt – sie wollten dabei sein, wenn er gemeinsam mit dem DDR-Ministerpräsidenten Hans Modrow den Grenzübergang am Brandenburger Tor wiedereröffnete. Unter Jauchzen, Jubeln und Klatschen der Menge sprach Kohl die geschichtsträchtigen Worte: „Von diesem Platz aus geht die Botschaft aus der DDR und aus der Bundesrepublik Deutschland: Wir wollen Frieden, wir wollen Freiheit, wir wollen unseren Beitrag zum Frieden in Europa und in der Welt leisten.“
28 Jahre lang hatte das Brandenburger Tor unmittelbar hinter der Grenzlinie im sowjetischen Sektor gestanden. Der Pariser Platz war Teil des Grenzstreifens und nicht zugänglich für die Öffentlichkeit gewesen. Damit war es nun vorbei. Zehntausende Berliner strömten freudestrahlend durch die Säulen des jahrelang abgesperrten Tores. In einem Fernsehbeitrag von damals hieß es, mit dem Brandenburger Tor sei das Herz der geteilten Stadt eröffnet worden.

Fast 34 Jahre später ist dieses Herz beschädigt. Das Denkmal, das bereits die napoleonischen Kriege, das Kaiserreich, zwei Weltkriege und den Fall des Eisernen Vorhangs überlebt hat, wurde am 17. September von Mitgliedern der „Letzten Generation“ mit oranger Farbe besudelt. Ob sich diese je wieder entfernen lässt, ist bislang unklar. Die Farbe ist so tief in den alten, porösen Sandstein eingedrungen, dass sie sich kaum noch lösen lässt. Es ist möglich, dass die orange Farbe dauerhaft an den Säulen des Brandenburger Tors verbleiben wird.
Floskeln statt Taten
Man würde meinen, dass die Verschandelung des wohl wichtigsten Nationalsymbols Deutschlands einen Empörungssturm in Politik und Bevölkerung auslöst. Und tatsächlich gab es am Tag des Geschehens noch kleine, hauchige Empörungslüftchen: Innenministerin Nancy Faeser hatte den Anschlag eine „sinnlose und verwerfliche Aktion, die strafrechtlich konsequent geahndet“ werden müsse, genannt. Auch der Berliner Bürgermeister Kai Wegner hatte sich ein Statement abgerungen: „Mit diesen Aktionen beschädigt diese Gruppe nicht nur das historische Brandenburger Tor, sondern auch unseren freiheitlichen Diskurs über die wichtigen Themen unserer Zeit und Zukunft“, hatte der CDU-Politiker geschimpft und das Floskel-Handbuch wieder zugeklappt.
Doch das ist inzwischen Schnee von gestern. Auf einen Staatsmann, der – beispielsweise zum Tag der Deutschen Einheit – das Besudeln des ehrwürdigsten deutschen Denkmals der Wiedervereinigung verurteilt und verspricht, sein Bestmögliches für eine Wiederherstellung zu tun, wartet man vergeblich. Stattdessen werden in der medialen Öffentlichkeit Stimmen laut, die die Verschandelung des Brandenburger Tors regelrecht gutheißen. „Ein würdiger Gebrauch unseres Nationaldenkmals. Mir fällt momentan kein besserer ein“, kommentierte kürzlich die Historikerin Hedwig Richter ein Bild des besudelten Wahrzeichens auf Twitter – und erhielt viel Zuspruch. Was die Dame natürlich nicht erzählte: Sie wurde in der Schwäbischen Alb geboren – viel weiter entfernt konnte man in Deutschland vom geteilten Berlin kaum aufwachsen.
Vielleicht ist das der Grund, warum die Frau offensichtlich keine Scham empfand, als sie am Freitag in der Berliner Zeitung ihre Bewunderung für den Farbanschlag der „Letzten Generation“ zum Ausdruck brachte. „Das bemalte Tor wirkt wie eine Wunde, sie schmerzt“, erklärte die Historikerin und philosophierte darüber, dass die „Letzte Generation“ es wie keine andere Klimabewegung vermöge, die Abgestumpftheit der deutschen Bevölkerung gegenüber den Bedrohungen des Klimawandels zu durchbrechen. Am 17. September hatte die „Letzte Generation“ selbst ein Video ihrer Schmier-Aktion verbreitet und dazu den zweifelhaft kreativen Spruch geklopft: „Brandenburger Tor mit Farbe besprüht: Es ist Zeit für eine politische Wende.“
Die Wiedervereinigung wird als Symbol missbraucht
Was sowohl Politiker als auch Klimabewegte in diesen Tagen gemeinsam haben, ist die Eigenheit, die deutsche Wiedervereinigung nicht mehr als das zu betrachten, was sie war: Die Wiedervereinigung Ost- und Westdeutschlands, das hoffnungsvolle Zueinanderfinden eines Volkes, das gewaltvoll über 28 Jahre durch eine Mauer, einen Todesstreifen und zahlreiche Grenzsoldaten getrennt worden war. Stattdessen erniedrigt man die Wiedervereinigung zu einem Symbol, überträgt sie auf andere Sachverhalte und nimmt ihr damit jedes Gefühl, jede Bedeutung. Die „Letzte Generation“ hat dies mit ihrem billigen Klimawende-Vergleich verbrochen. Aber auch Altkanzlerin Angela Merkel demonstrierte diese Taktik eindrucksvoll am Montagabend.

Im Interview mit dem ZDF sprach Merkel über ihre ganz eigene Vorstellung von deutscher Einigkeit. Als sie gefragt wurde, ob Deutschland bezogen auf die Deutsche Einheit eine neue Erzählung brauche, die Zugewanderte mit einschließe, sagte Merkel: „Es braucht diese Erzählung, es brauchte sie schon immer.“ In den vergangenen Jahren seien viele Menschen hinzugekommen, „die dauerhaft in unserem Land leben und noch nicht immer hier gelebt haben“, erklärte Merkel. Es sei „wieder eine neue Aufgabe, dass wir sie mit aufnehmen. Deutschland umfasst alle.“
Zwischen Hybris und Gleichgültigkeit
Sowohl der deutschen Politik als auch den Klimaaktivisten fehlt 33 Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung offensichtlich jede Ehrfurcht und Demut – nicht nur gegenüber der historischen Bedeutung des über 200 Jahre alten Bauwerks – sondern auch gegenüber allen Deutschen, die das Brandenburger Tor immer noch – zurecht – als Wahrzeichen der deutschen Einheit feiern und sich bis heute freuen, dass die DDR endgültig zusammenbrach. Die Klimaaktivisten und ihre Unterstützer halten ihr eigenes Anliegen offenbar für so entscheidend, dass sie es für legitim erachten, dafür das wichtigste deutsche Nationalsymbol zu beschädigen. Diese Hybris ist kennzeichnend für die Mitglieder der Klimabewegung. Die Gleichgültigkeit der Politiker wiederum ist wohl charakteristisch für das heutige Deutschland.

Am 22. Dezember 1989 war das noch anders. Helmut Kohl sagte: „Für mich ist das eine der glücklichen Stunden meines Lebens, weil ich spüre, als Deutscher, dass ich hier in Berlin mitten in Deutschland bin und dass wir hier zu Hause sind und dass wir alles tun wollen, um die Gemeinsamkeit der Deutschen zu pflegen.“
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Wenn man keinerlei Nationalstolz besitzt, wie unsere Regierung eben, dem wird auch die Schändung ihres Nationaldenkmals am Allerwertsten vorbeigehen.Wenn man mit Deutschland nichts anfangen kann, wenn man Deutschland verrecke befürwortet, wie unsere Regierung eben, dem wird eineStrafverfolgung der Verbrecher egal sein.
Wer den höchsten Deutschen Orden an eine Verfassungsbrecherin überreicht, der beschädigt das Ansehen der anderen Ordensträger nachhaltig.
Das ist der Zustand Deutschands am 3. Oktober 2023.
In den Tagen nach der Maueröffnung lag etwas in der Luft, was es selten zuvor und nie danach gegeben hat: der Geschmack von Freiheit. Was Ronald Reagan zwei Jahre zuvor am Brandenburger Tor beschworen hatte, wurde Realität. Ja, es gab Zeiten, in denen die Bürger Deutschlands für die Freiheit gekämpft und gelitten haben. Von diesen Dingen wissen die Wohlstandsbengel der LG wenig bis nichts. Sie wären als Mitstreiter im Kampf für die Freiheit auch nicht zu gebrauchen.
Wow. Ein wirklich guter Text. Und auch wenn ich kein Anhänger von Helmut Kohl war, da hat er etwas Wahres gesagt. Danke dafür.
Als 26 jähriger erlebte ich die unvergeßlichen Stunden der Wiedervereinigung. Den Ruck, die überbordenden Gefühle, die Aufbruchstimmung in ein neues, unbekanntes und ungeteiltes Deutschland. Den Traum von Freiheit, das Engagement der Massen, alles für eine bessere Zukunft zu geben.
Was ist geblieben? Meine Generation hat ihren Teil zur Vermehrung des Wohlstands, der Freiheit und der sozialen Gerechtigkeit geleistet. Es kostete uns viel Arbeit in Schweiß!
Heute zerstören Fanatiker aus Politik und dubiosen Organisationen bewusst und mit Billigung unserer Staatsorgane die Früchte aller Anstrengungen. Symbol dafür ist die Beschädigung des Brandenburger Tores, dem Symbol das für „unser“ Deutschland steht.
Vielleicht sollten wir das jetzt als Omen f9ür eine neue Zeit sehen.
Wenn sich Bevölkerungsgruppen ideologisch unversöhnlich gegenüber stehen, gibt es 2 grundlegende Optionen, diese Situation zu bereinigen. Die eine ist Bürgerkrieg, die andere, Gandhis Lösung, ist die Teilung des Landes.
Hallo Larissa, vielen Dank für diesen Artikel. Die Klimakleber begreifen nicht die Symbolkraft vom Brandenburger Tor und wollen auch nicht darüber nachdenken. Beim Lesen fragte ich mich, wo wäre ich, wenn es die Wiedervereinigung nicht gegeben hätte? Vermutlich würde ich in einem Land leben, das seine Menschen wie heute in Nordkorea behandelt. Was hätte ich alles nicht erlebt, nicht kennengelernt? Ich bin jedenfalls Helmut Kohl und allen Beteiligten dankbar, egal, was diese Klimakleber noch anrichten werden.
Wo hat denn diese Historikerin studiert? An der Thunberg-Neubauer-Kader-Universität?
Deutschland befindet sich im Abstieg, gewollt und gesteuert von Politikern die Staatsfeinde sind.
Daher interessiert es niemanden wenn Pipelines gesprengt oder Wahrzeichen zerstört werden.