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Argentinien: Libertärer Außenseiter siegt in Präsidentschafts-Vorwahlen

In Argentinien triumphiert bei den Vorwahlen für die Präsidentschaftswahl im Oktober der Libertäre Javier Milei. Sein Sieg schockt ganz Südamerika und könnte ein politisches Beben im zuletzt nach links tendierenden Kontinent auslösen.

Bildquelle: Todo Noticias, Wikimedia Commons via CC BY 3.0

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Bereits das Aussehen des womöglich nächsten Präsidenten Argentiniens ist aufsehenerregend. Mit seinem langen Haar und den Koteletten wirkt Javier Milei wie aus einer 80er-Jahre-Serie gefallen. Von Beruf her ist Milei Ökonom und Anhänger der liberalen österreichischen Schule. Seine Karriere in der Öffentlichkeit begann er einst als TV-Kommentator zu Wirtschaftsthemen. 

Sein meteorischer Aufstieg zum Favoriten auf das Präsidentschaftsamt kommt für viele politischen Analysten überraschend. Argentinien wird seit Jahren von einem Zweiparteiensystem bestehend aus den linken Peronisten, den ideologischen Nachfolgern des früheren argentinischen Diktators Juan Peron, und den Konservativen beherrscht. Zwar gelang Milei und seiner Libertären Partei ein Achtungserfolg bei den Zwischenwahlen im Jahr 2021, bei denen Teile der beiden Kammern des Parlaments neugewählt wurden. 

Dennoch wiesen alle Umfragen dieses Jahres auf ein erneutes Duell zwischen etablierten Wahlallianzen, der peronistischen „Union für das Vaterland“ und der konservativen „Zusammen für Änderung“ hin. Die letzten Umfragen zeigten Milei und seine Partei bei etwa 20 Prozent, weit abgeschlagen hinter den beiden großen Parteien, die je bei etwa 30 Prozent lagen. Doch er übertrumpfte schließlich alle anderen Konkurrenten und eroberte den ersten Platz bei den Vorwahlen am Sonntag. 

Überaschungssieg für Milei

30 Prozent holte Milei, 2 Prozent Vorsprung vor seinen größten Rivalen von den Konservativen. Wichtig ist aber zu beachten, dass bei den Vorwahlen meist mehrere Kandidaten von denselben Parteien antraten (Ausnahme bildet hierbei Milei selbst, welcher eine einige Parteienallianz hinter sich stehen hat). Um die Zustimmung für die Parteien besser beurteilen zu können, müssen also die Stimmen der Kandidaten derselben Partei zusammengerechnet werden. 

Die Vorwahlen agieren aber nicht nur als Stimmungstest vor den entscheidenden Wahlen, sondern bestimmen auch den endgültigen Kandidaten der unterschiedlichen Parteien – nicht nur für das Präsidentschaftsamt, sondern auch für die zahlreichen zu wählenden Parlamentssitze und andere Ämter.

Dass bis vor kurzem fast niemand ernsthaft an einen Sieg Mileis glaubte, liegt auch an der augenscheinlichen Radikalität seiner Forderungen. Er selbst bezeichnet sich als Anarchokapitalist, pries Ex-US-Präsident Donald Trump und erhielt die Unterstützung des konservativen Ex-Präsidenten Brasiliens, Jair Bolsonaro. 

Weniger Staat ist sein Programm

Für seine eigene Präsidentschaft strebt er eine radikale Entbürokratisierung an. Nicht nur soll das mit massiven Steuersenkungen einhergehen, sondern auch der Abschaffung des argentinischen Pesos, also der Währung des Landes, und der Ersatz dessen, durch den US-Dollar. In Argentiniens Gesellschaft sieht der Ökonom ein Kastensystem, in dem keinerlei Chance auf wirtschaftlichen Aufstieg gewährleistet ist. 

Im Land herrscht zuletzt eine Inflation von 115 Prozent. Es wird seit Jahren von den etablierten Kräften von einer Rezession in die nächste geführt, ohne scheinbare Alternative, bis jetzt. Vor allem junge Menschen, die in ihren wenigen Arbeitsjahren keinerlei Sachvermögen aufbauen konnten, leiden unter dem gravierenden Wertverlust des Geldes, weshalb insbesondere sie sich vom politischen Establishment abwenden und Milei ihre Stimme geben. 

Gesellschaftlich zeigt sich Milei zwar ziemlich liberal, doch seine starke Ablehnung der Legalität von Abtreibungen – die seit 2020 in Argentinien erlaubt sind – brachte ihm einen konservativen Ruf ein. Dennoch, sein radikaler Wirtschaftsliberalismus ist einzigartig in der Welt – nirgendwo sonst war eine vergleichbare Bewegung je so erfolgreich.

Milei hat die Wahl freilich noch nicht gewonnen. Bis zum Wahltag Ende Oktober können ihn noch Skandale oder eine drastische Besserung der wirtschaftlichen Verhältnisse stürzen. Selbst wenn er den ersten Platz holen sollte, wäre es fraglich, ob er auch die 45-Prozent-Marke überschreiten könnte, die eine Stichwahl gegen den Zweitplatzierten obsolet machen würde. 

Ungeachtet dessen, werden die Ergebnisse dieser Vorwahlen sowohl die argentinische als auch die gesamte südamerikanische politische Landschaft zum Beben bringen. Seit Jahren tendiert der Kontinent nach links. Argentinien selbst hat seit 2019 eine links-peronistische Regierung. Brasilien, Peru, Chile und Bolivien werden seit kurzem von linken bzw. linksextremen Kräften regiert. Neuerdings entstand eine Gegenbewegung, die sich zuerst in der chilenischen Ablehnung einer linken Verfassung abzeichnete und sich nun mit dem Vorwahl-Sieg Mileis tosend zurückmeldet.

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