Über zwei Tage lang hat das Bundesamt für Verfassungsschutz eine Tagung abgehalten – innerhalb seines neu geschaffenen „Zentrums für Analyse und Forschung“. Vom 5. bis zum 6. September diskutierten Journalisten, Experten und Mitarbeiter des Verfassungsschutzes zum Thema „Meinungsbildung 2.0 – Strategien im Ringen um Deutungshoheit im digitalen Zeitalter“ – Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang war persönlich dabei.
Das Programmheft der Veranstaltung hat es in sich. Nach eigener Bewerbung lag der Fokus der Veranstaltung auf den verschiedenen Aspekten jener Strategien, die staatliche und nicht-staatliche Akteure nutzen würden, um Meinungsbildungsprozesse zu beeinflussen. Schaut man in das Programmheft, wird allerdings schnell klar, was der tatsächliche Fokus der Veranstaltung war: der Kampf gegen Rechts. Die Autoren der vorgestellten Studien und Untersuchungen: Grüne Kreisvorstände, Böll-Stiftung, taz-Autoren.
Von rund 40 Beiträgen befasst sich kein einziger mit Linksextremismus. Tatsächlich lassen sich stolze zwei Beiträge finden, die sich mit Salafismus und Jihadismus befassen. Besonders faszinierend dagegen finden die Veranstalter Verschwörungstheoretiker, Reichsbürger und Rechte. Man interessiert sich, was es speziell mit rechten Frauen auf sich hat, welche Bedeutung Telegram hat, ob die alternativen Medien Extremismus forcieren, die AfD, Coronakritiker – sogar Memes.
„Toxische Narrative entkräften“
Ein Beitrag im Programmheft sticht besonders ins Auge. Hier geht es weniger um absurd spezielle Aspekte von vermeintlichen Kommunikationsstrategien über Memes, sondern um eine Grenze, die der Staat normalerweise nicht zu überschreiten hat – schon gar nicht der Verfassungsschutz. Es geht um die vierte Säule der Demokratie, den Journalismus. Im Panel 8, das am 6. September um 12:45 Uhr stattfand, ging es um „Prävention und Gegenmaßnahmen: Implikationen für Politik und Praxis für einen demokratischen Diskurs“. Dazu sind im Programm vier wissenschaftliche Beiträge aufgelistet, die in diesem Panel vorgetragen wurden. Auch nennenswert: „Nachhaltiges Prebunking durch Debunking: wie Correctiv mit Peer Production Desinformation bekämpft“, eine Abhandlung von Caroline Lindekamp, die selbst als Aktivistin für Correctiv tätig ist. Doch brisanter ist das letzte Forschungsprojekt auf der Liste: „Toxische Narrative entkräften – Trainingsprogramm für Journalist:innen“.
Wenn Journalisten staatlich ausgebildeter werden, um bestimmte Narrative zu bekämpfen – zu was macht sie das dann? Noch dazu, wenn dabei die staatliche Institution definiert, welche Narrative als toxisch zu bekämpfen sind? Seit wann können Meinungsäußerungen überhaupt „toxisch“ sein.
Das Forschungsprojekt hat einen brisanten Hintergrund. Es stammt aus der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt – unter dem Dach des Bundesprojekts „Demokratie leben!“. Finanziert wird das noch laufende Projekt vom Bundesfamilienministerium. Projektpartner ist unter anderem Simone Stoffers, von der ARD.ZDF Medienakademie. Uns liegt die Projektskizze vor, die zum Antrag für Projektförderung im Innovationsfonds im Rahmen des „Demokratie leben!“-Programms genutzt wurde:
Ausgangspunkt der Studie soll die „zunehmende Polarisierung und verbale Gewalt in politischen Debatten auf Social Media“ sein. Man sieht Journalisten – besonders die des öffentlich-rechtlichen Rundfunks – in der Pflicht, in den Kommentarspalten und sozialen Medien zu intervenieren. „Mit der Gestaltung von Workshops für Journalist:innen zielen wir darauf ab, auf innovative Weise in der Interaktion mit jungen Menschen digital verbreiteten Verschwörungstheorien und Falschinformationen entgegenzuwirken“, erklärt man.
Auf Basis von „psychotherapeutischem und psychologischem“ Wissen sollen Kommunikationsstrategien erarbeitet werden, mit Hilfe derer die ausgebildeten Journalisten dann „der Verzerrung eines gesellschaftlichen Meinungsbildes vorbeugen und die Qualität der Debatten sichern“ sollen. Diese sollen in modellhaften Workshops an der ARD.ZDF medienakademie gelehrt werden. Zusammenfassend kann man also sagen: Im Rahmen eines staatlichen Projekts werden öffentlich-rechtliche Journalisten darin geschult, die öffentliche Meinung gezielt in eine Richtung zu beeinflussen. Und dieses Projekt wurde dann auf einer Konferenz des Verfassungsschutzes diskutiert, vorgetragen und unkritisch verbreitet.
Über sein „Zentrum für Analyse und Forschung“ will Verfassungsschutzpräsident Haldenwang ganz offensichtlich immer weiter in die Meinungsbildung eingreifen und seinen Inlandsgeheimdienst weiter politisieren.
Das hätten sich die Linksradikalen wohl nicht träumen lassen: der einst verhasste Verfassungsschutz stellt sich ganz offen auf ihre Seite.
Es ist schon erstaunlich was alles unter dem Deckmantel der Demokratie für autoritäre Strukturen entstehen. War der VS ursprünglich mal dafür gedacht, die Verfassung die unser aller friedlich und freiheitliches Zusammenleben garantiert zu schützen, ist er heute unter Haldenwang zu einer Behörde verkommen die einem Angst macht, zumindest wenn man die Stasi noch erlebt hat.
Menschen entwickeln sich in Phasen. Nach der Pubertät folgt die Konformität. In ihr bestimmt das Gefühl Zugehörigkeit den Selbstwert. Dazu wird kontinuierlich die in- und out-group als ‚wir‘ und ‚die anderen‘ definiert.
Wenn die Konformität wiederum versucht wird zu verlassen, entwickelt sich ein Interesse an einem Ausgleich.
Zitat: ‚Erst ab dem vierten Stadium sind Menschen in der Lage, andere Interessen und Lebenswelten zu erkennen und sie gedanklich im Sinne eines Interessenausgleichs zu bearbeiten.‘
Quelle: Moralentwicklung
Die Organisation von Events, um die Definition der in- und out-groups zu zelebrieren, ist dabei selbstverständlich.
Kein Unterschied zu den Taliban, Nordkorea oder jeder x-beliebigen Sekte.
„Desinformation bekämpft“
Der erste sieht nix, mit dem zweite siehn man (schon) beSSer und wo liegt das Dritte Auge?
Der öffentliche Diskurs, darf sich auf gar keinen Fall der Kontrolle durch die Obrigen entziehen – freie Meinungsäußerung wird als demokratiefeindlich gebrandmarkt. Es dauert nicht mehr lang und Haldenwang und seine Behörde geben ganz offen ein Handbuch für konformes Verhalten an Journalisten heraus.
Alles geschieht in Wellen. Heute sind die Wirrköpfe an der Macht, morgen die Nobelpreisträger?
Man nennt das Unterwanderung und Zersetzung – mit Hilfe von willfährigen „Journalisten“, die hier offen als Trolle instrumentalisiert werden (bzw. sich instrumentalisieren lassen). Seit mindestens drei Jahren wird das ja in aller Offenheit gespielt: die freundliche Übernahme der Medien durch Private Public Partnerships, das CFR-Netzwerk, den Staatsschutz und Verfassungsschutz. Funktioniert z. B. in der „Zeit“ schon seit Jahrzehnten.