Eigene Kult-Sendung sei „Angstmache“
Doku: ZDF attackiert „Aktenzeichen XY“
In dem neuen ZDF-Dokumentarfilm „Diese Sendung ist kein Spiel“ von Regina Schilling, wird der Gründer der Kult-Serie „Aktenzeichen XY“ als Angstmacher dargestellt.
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„Wer einmal begonnen hat, genauer hinzuschauen, wird sehen, wie nachhaltig Zimmermann Spuren bei uns hinterlassen hat“, behauptet Dokumentarfilmerin Regina Schilling in ihrem neuesten Werk. Für „Diese Sendung ist kein Spiel – die unheimliche Welt des Eduard Zimmermann“ sichtete sie hunderte Folgen der Kult-Sendung „Aktenzeichen XY“ und ordnete diese aus persönlicher Sicht ein:
„Ganoven-Ede“, wie der „Aktenzeichen XY“-Macher Zimmermann auch genannt wurde, habe ihrer Generation im Kindesalter Angst gemacht. Das Gefühl einer ständigen Bedrohung durch das Böse sei vermittelt, „obrigkeitsstaatliche und autoritäre Tendenzen bei den Deutschen verstärkt“ worden.
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Schilling kritisiert, der 2009 verstorbene Journalist Eduard Zimmermann hätte ein eindimensionales Bild der Gesellschaft wiedergegeben und so Schwarz-Weiß-Denken gefördert:
Auf der einen Seite die bösen Verbrecher, auf der anderen Seite das anständige Bürgertum. Diesen Schluss zieht Schilling aus den gesichteten Sendungen.
Bürgerliche „Angstmache“
Regina Schilling spricht von brutalen Bildern, die Zimmermann ausnahmslos und ohne Altersbegrenzung der ganzen Bevölkerung vorführen wollte. Angst und Schrecken seien verbreitet worden – dass Kriminalfilme oftmals nicht nur psychologisch, sondern auch in aller Brutalität wesentlich schrecklichere Inhalte vermitteln, lässt sie außen vor.
Wovor die Regisseurin also Angst hat, ist nicht wirklich zu erklären, zumal sie ja ihre Ablehnung nicht nur der Sendung entgegenbringt, sondern vor allem Zimmermann persönlich anklagt.
Ihre wirre Wahrnehmung wird auch medial aufgefasst und weitergeführt. Der Tagesspiegel lastet Zimmermann an, das Unkonventionelle verabscheut zu haben, allen nicht in „bürgerlichen Bahnen“ Lebenden soll er ein „gefährliches Leben“ diagnostiziert haben. Ein Rückständiger war der ZDF-Mann auch in den Augen der Badische Zeitung. Das Blatt wirft dem Moderator mal eben vor, er habe Studien verschwiegen, die das Zuhause als unsicheren Ort entpuppen, weil die meisten Frauen ihren Mörder kannten.
„Hat er uns 30 Jahre ein Märchen erzählt, damit wir Frauen brav zu Hause bleiben? Wie viele der Ängste, die die Sendung damals ausgelöst hat, beschäftigen uns noch heute – insbesondere Frauen?“ fragt Schilling in emanzipierter Manier. Und die Badische Zeitung legt noch eine Schippe drauf: Zimmermann soll einmal gesagt haben, Frauen, die „ihr Leben in Kneipen und mit vielen mehr oder weniger zufälligen Männerbekanntschaften verbringen, leben gefährlich.“ Das Blatt titelt trocken: „Heute spräche man wohl von ‚victim blaming‘, Opfer-Beschuldigung.“
Zimmermann wollte die Welt verbessern
Dabei war es doch genau das, was der XY-Gründer verhindern wollte: „Die Kriminalität wächst nach neuesten Zahlen beinahe fünfmal so schnell wie unsere Bevölkerung. Immer mehr Straftaten bleiben unaufgeklärt“ monierte Zimmermann damals und betonte, dass die Bevölkerung durch die Sendung zur Verbrechensbekämpfung beitragen könne. Zimmermann, der auch das Bundesverdienstkreuz erhielt, wünschte weder Thriller-Geschichten noch Science-Fiction Abstraktionen in seinen Sendungen: Er wollte Ergebnisse.
Das ist Schillings Doku aus vielen Archivbildern der 1967 ins Leben gerufenen Sendung zu entnehmen. Sie zeigen „Ganoven-Ede“ als pragmatischen Realist, der zur Falllösung im deutschsprachigen Raum beisteuern möchte. „Den Bildschirm zur Verbrechensbekämpfung einzusetzen, das ist der Sinn unserer neuen Sendung“, sagt Zimmermann bei der Premiere am 20. Oktober 1967. Bis 1997 produzierte und moderierte er „Aktenzeichen-XY“, das weltweit erste True-Crime-Format.
In 588 Folgen wurden 4.977 Kriminalfälle behandelt, die Aufklärungsquote liegt vermutlich bei 39 Prozent – und steht damit für den Erfolg des Konzepts. Die Sendung wurde immer gut aufgenommen, das zeigt sich auch in den TV-Quoten: Bis zu 25 Millionen Menschen schalteten monatlich bei „Aktenzeichen XY“ ein. Zahlen, von denen man heute bei den Öffentlich-Rechtlichen nur träumen kann.
Dieser Beitrag ist im Rahmen der Apollo Sommerakademie enstanden. Mehr Informationen erhalten Sie hier.