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„Mehr als zwei Geschlechter"

Das gegenderte Rednerpult und der Gleichstellungs-Leitfaden der Uni Potsdam

Wenn Gegenstände gegendert werden müssen, selbst "(m/w/d)" noch nicht inklusiv genug ist und Gender-Sonderzeichen nach ihrer Kompatibilität mit der Blindenschrift bewertet werden - dann liest man den Gleichberechtigungsleitfaden der Universität Potsdam. Notenunterschiede soll das Gendern nicht zur Folge haben - noch nicht.

Wussten Sie, dass das Wort „Rednerpult“ im Grunde sexistisch ist? Dass das Wort „Expertenwissen“ vermieden werden sollte? Dass sogar „(m/w/d)“ noch nicht inklusiv genug ist? Nicht? Dann sollten Sie mal einen Blick in die „Empfehlung zum geschlechterinklusiven Sprachgebrauch“ der Universität Potsdam werfen. Der Leitfaden zum richtigen Gendern wurde von der Gleichstellungsbeaufragten des Koordinationsbüros für Chancengleichheit erstellt – ein Posten der nach dem Brandenburgischen Hochschulgesetz nur durch Frauen besetzt werden darf. Und das gute Stück hat ganze 52 Seiten.

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„Es gibt mehr als zwei Geschlechter“, stellt der Leitfaden direkt zu Beginn des ersten Kapitels klar. „Das sog. ‚generische Maskulinum‘ wird teilweise nach wie vor selbstverständlich praktiziert und soll Frauen und Personen, die sich nicht mit dem Zwei-Geschlechtersystem identifizieren mit meinen“, heißt es. Dabei sei es doch „schon lange“ durch Studien belegt, dass Frauen dadurch benachteiligt würden und „dass inter*, trans* und non-binäre Personen (TIN*)“ durch das generische Maskulinum und selbst binäre Personenbezeichnungen „erheblich psychisch belastet sind“ – geschlechtsneutrale Sprache dagegen „Angstzustände“ verringere. 

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Dem Argument der schlechteren Lesbarkeit durch das Gendern werden empirische Untersuchungen entgegengesetzt. „Es braucht ein wenig Routine und Übung, aber dann kann die Verwendung geschlechterinklusiver Sprache kreativ gestaltet werden und Spaß machen“, heißt es dann aber noch im gleichen Absatz. Als weiteres Argument für das Gendern bringt man ein Gedankenexperiment an, das beweisen soll, dass man bei „der Chef-Chirug“ sofort an einen Mann denkt – als könnte man die männliche Einzahl mit dem generischen Maskulinum gleichsetzen. 

Als inklusivste Gendervariante empfiehlt das Koordinationsbüro für Chancengleichheit den Genderstern, der als Platzhalter für alle Geschlechter außerhalb des Binären Systems funktioniert und zusätzlich auch in der „Punktschrift für blinde Menschen“ gebrauchbar ist. Unter dem Kapitel „Häufig genutzt, aber nicht geschlechterinklusiv“ wird außerdem erklärt, dass die vermeintliche Gendervariante „StudentInnen“, „Student/-innen“ oder Student(innen)“ problematisch sei, weil es die „TIN*-Personen“ ausschließt. TIN*-Personen sind übrigens trans*, inter* und nicht-binäre Personen. 

Doch was ist, wenn man mit dem Sternchen nicht weiterkommt? Was ist mit den vielen Worten, die sich ganz unbemerkt immer wieder in unseren Alltag schleichen – männlich und ungegendert? Als Beispiele bringt man in einer Liste zum Beispiel das Wort „Rednerpult“, das man doch in Zukunft lieber als „Redepult“ bezeichnen sollte. Statt „Expertenwissen“ heißt es dann „Fachwissen“, statt „Mitarbeiterliste“ dann „Liste der Mitarbeitenden“. Wer das unübersichtlich findet, kann am Ende auf eine Art Vokabelliste zugreifen, ein „kleines Wörterbuch für den Alltag im Hochschulkontext“. 

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Aus „Expertentagung“ wird „Fachtagung“, statt von „Bewerberquoten“ ist von „Anzahl der sich bewerbenden Personen“ zu sprechen, aus „Erstsemester“ wird „Studierende im ersten Semester“, der „Dekan“ wird zur „Leitung des Dekanats“, die „Kommilitonen“ zu „Mitstudierenden“. Nun fragen Sie sich vielleicht, seit wann denn nun schon „Erstsemester“ problematisch ist und was denn jetzt überhaupt noch unbedenklich ist. 

Es ist schon interessant, wie sich das Gendern inzwischen komplett vom Alltag verabschiedet hat und nun schon auf der dritten Abstraktionsebene befindet, völlig losgelöst von der Erde und Realität. Auch Stellungsausschreibungen sind schon eine Wissenschaft für sich. Sie denken vielleicht Sie könnten einfach einen Job mit der Bezeichnung „Teamleiter (m/w/d)“ raushauen und sind auf der sicheren Sache? Pustekuchen. 

Es gilt nämlich zu beachten, dass allein die Verwendung von „(m/w/d)“ hinter die männliche Form nicht ausreicht. „Die rein männliche Form der Berufsbezeichnung ist diskriminierend.“ Als bessere Version wird „Teamleitung (_/d/w/m)“ angeführt. Das Leerzeichen soll dabei wohl für die Auswahl „keine Angaben“ als Alternative zu „divers“ stehen. 

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Vielleicht raucht Ihnen schon der Kopf, aber jetzt noch nicht schlapp machen. Machen wir bei den Beschilderungen weiter. Max Mustermann wurde übrigens in den Beispielen vorbildlich gegendert und heißt jetzt „Maxi Muster“.  Wird das Büro von Maxi Muster nun beschildert, was schreibt man da ran? Wer jetzt an „Frau Muster“ denkt, liegt da falsch. „So kann eine geschlechtsspezifische Beschilderung des Büros einer neuen Person z.B. mit ‚Frau Muster‘ zu unangenehmen Situationen führen, wenn sich diese Person nicht mir der Anrede Frau identifiziert.“

Auch die Ansprache in E-Mail Briefen und Zoom-Meetings ist nicht ganz so unkompliziert, wie man erst mal glauben mag, erst recht, wenn man eine Person nicht kennt. Wer nicht weiß, ob sich „Marie Muster“ heute auch tatsächlich als Frau fühlt, sollte sich daher von „Liebe Frau Muster“ fern halten und stattdessen „Guten Tag Marie Muster“ schreiben. Alternativ ginge auch etwa „Liebe*r Marie Muster“ oder einfach „Hallo Marie Muster“. 

Das gleiche geht auch bei Personen mit Professoren oder Doktoren-Titel, da schreibt man dann zum Beispiel „Prof.*in“ oder „Dr.*in“. Schreibt man dagegen an zwei oder mehr Personen, kann man es sich mit „Liebe beide“ oder „Liebe alle“ leicht machen. Um die Anrede für alle zu erleichtern, soll man zum Beispiel bei Zoom seine präferierten Pronomen einfach hinter seinen Namen schreiben, etwa im Beispiel „Maxi Muster (keine Pronomen)“ oder „Miriam Muster (sie/ihr)“. Das Ganze ist mit einer genderneutralen Zeichnung von einem Dinosaurier und einer Maus begleitet, um ja keine Geschlechterstereotypen zu bedienen.

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So und jetzt ist es immer noch nicht vorbei – denn als international angesehene Universität gibt es das Gleiche natürlich auch auf Englisch. Im Englischen ist man nicht so sehr auf die Anrede erpicht, heißt es im Leitfaden, man kann jemanden also auch einfach mit seinem Vor- oder Nachnamen ohne Anrede ansprechen. Sollte das nicht gehen, wird geraten von „Mr.“ oder „Mrs.“ Abstand zu halten und stattdessen die Gender-Wortneuschöpfung „Mx.“ zu verwenden, das „mix, mux oder em-eks“ ausgesprochen wird. 

Immerhin: In der Einleitung stellt die Universität klar, dass es keine Benotungsabzüge zur Folge habe, wenn ein Student in seiner Arbeit nicht gendert. Doch in einer Welt, in der es schon problematisch ist, eine Frau mit weiblicher Anrede anzusprechen und Rednerpulte gegendert werden müssen, ist das wohl nur noch eine Frage der Zeit.

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