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„Masche mit dem Bargeld“

„Illegale Schattenwirtschaft“ – Tagesschau stellt Bäcker unter Generalverdacht

Die jährliche Schadensumme sei höher als beim CumEx-Steuerskandal - in einem Beitrag der Tagesschau werden Bäcker, Spätverkaufs-Kioske und Restaurants von Experten unter Generalverdacht gestellt, sie würden „eine illegale Schattenwirtschaft“ bilden. Wenn Beträge nur in bar bezahlt werden, bestehe der Verdacht auf Steuerhinterziehung.

„Zwei Brötchen, ein Kaffee – kleine Summen werden oft in bar bezahlt. Das sei eine Einladung zur Steuerhinterziehung, sagen Experten“, beginnt der Artikel der Tagesschau. „Wenn der Kassenbon die Ausnahme ist“. Es folgt gleich noch eine weitere szenische Einleitung, zwei Schokoriegel liegen auf dem Tresen, die Verkäuferin tippt den Preis in den Taschenrechner ein. Der kommt auf 2,25 Euro, was die Verkäuferin dem Autor wortlos hinhält.

Der fordert einen Kassenbon, die Frage versteht sie nicht. „Nach mehrfachem Nachfragen geht sie dann in eine Ecke hinter der Theke und tippt etwas in eine Kasse ein. Schließlich reicht sie einen Bon herüber.“ 

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Das, was der Autor als „alltägliche Szene in Berlin, egal ob in einem der zahlreichen Spätverkaufs-Kioske […] oder beim Bäcker, in Bistros oder Restaurants“ bezeichnet, ist tatsächlich nicht harmlos, sondern Steuerhinterziehung im großen Stil, klärt die Tagesschau auf. Sie greifen für diese These auf den Chef der Deutschen Steuergewerkschaft (DSTG) Florian Köbler, als Experten zurück. Der erklärt: „Der Verdacht lautet ganz klar: Steuerhinterziehung.“

Die Tagesschau schreibt weiter: „Dass Kunden in der Regel keinen Bon erhielten, sei nur die Spitze des Eisbergs. Wo nicht ordnungsgemäß abgerechnet und verbucht werde, herrsche eine illegale Schattenwirtschaft – quasi in aller Öffentlichkeit beim Bäcker oder Kiosk in der Nachbarschaft.“ Diese illegale Schattenwirtschaft beruhe auf einer Faustregel: Zwei Drittel werden regulär legal abgerechnet, aber ein Drittel der Geschäfte laufen „in Cash und ohne Steuern“. Doch man braucht sich nicht sicher fühlen, nur weil man einen Bon bekommt. So sei es in Restaurants ein geläufiger Trick, eine „Zwischenrechung“ auszustellen, deren Einnahmen aber nicht im System verbucht, sondern wieder aus der Kasse gelöscht werden. 

„Die Masche mit dem Bargeld“

Der Anschiss lauert überall, oder besser gesagt: „Die Masche mit dem Bargeld“, wie es im Artikel genannt wird. Es ist eben nicht in erster Linie die leichte Umgehung der Bonpflicht, die das Problem darstellt. Es ist das Bargeld. Damit kommen wir zu den Abgründen der Schokoriegel-Dealer, die im Artikel als „Kaskade des Betrugs“ bezeichnet werden. Umsatz-, Ertrags-, Einkommens- und Lohnsteuer werden hinterzogen, sowie die gesetzlichen Sozialabgaben. Es stelle sich außerdem oft heraus, dass die Angestellten für bargezahlte Dumpinglöhne arbeiten und gleichzeitig noch Sozialleistungen kassieren.

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Prüfer kämen bei der Überwachung der vielen kleinen Läden unmöglich hinterher. Die Untersuchung einer einzigen Kasse könne im Durchschnitt bis zu zwei Tage dauern. Die Prüfung obliegt dabei den Ländern – Berlin gilt als Bundesland, was vergleichsweise selten kontrolliert. Der durch die DSTG errechnete Bundesdurchschnitt ergibt: Als Kleinunternehmer müsse man ungefähr alle 70 bis 100 Jahre mit einer Kontrolle rechnen. „Also das heißt: faktisch nie.“ In Berlin wurden „im vergangenen Jahr genau 962 Kassen-Nachschauen“ durchgeführt, schreibt die Tagesschau, was „einer Kontrolle pro Laden circa alle 130 Jahre“ entspräche. 

Der Leser soll das als fürchterlichen Missstand auffassen, denn wie der DSTG-Chef erklärt, sei die Schadenssumme jährlich höher als der CumEx-Steuerskandal. „Allein an Steuern dürften dem Staat 15 Milliarden Euro pro Jahr entgehen. Und Sozialabgaben und Folgewirkungen, da können 70 Milliarden Euro gut und gerne zusammenkommen“, schätzt Köbler. Doch: Es bleibt eine Schätzung. Denn wenn ein Laden im Schnitt alle 100 Jahre kontrolliert wird, stehen wohl kaum viele Daten zur Verfügung. 

Es ist absurd, dass es gegen das Gesetz und zusätzlich ein Indiz für eine Straftat sein soll, wenn man einen Betrag von 2,25 Euro bar zahlt und keinen Bon bekommt. Vor der Bonpflicht wäre das zu Recht absolut normal gewesen. Die Tagesschau stellt sämtliche Unternehmen, die hauptsächlich über Barzahlungen Geschäfte machen, hier komplett unter Generalverdacht. Dabei ist nichts Anrüchiges daran, wenn man bar zahlt. Der Euro in Form von Banknoten ist immerhin das einzige unbeschränkte gesetzliche Zahlungsmittel. 

Einzelhändler und andere Geschäfte dürfen gar nicht ohne weiteres die Annahme von Bargeldzahlungen verweigern, der Ausschluss der Bargeldzahlung muss vorher erst vertraglich vereinbart werden. Vor allem reden wir von einstelligen Beträgen, wie die Tagesschau ja selbst betont: zwei Brötchen und ein Kaffee oder zwei Schokoriegel. So kleine Beträge mit Karte zu zahlen, wäre noch vor wenigen Jahren meist gar nicht möglich gewesen. Die Regierung hat inzwischen ein Netz an Gesetzen geschaffen, das alltägliches Verhalten kriminalisiert. Nicht zum unmittelbaren Schutz der Bürger – sondern im Namen der einfacheren Überwachung. Und bei der Tagesschau wünscht man sich offenbar weit mehr davon.

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