Zwischen Schießbefehl und Volksaufständen: Warum die Politik die Proteste diffamiert

Von Jonas Aston | Baerbock, Faeser, Scholz & co wird es langsam zu bunt. Das liegt nicht etwa daran, weil die Bundesregierung die Straßen farbenreich bestrahlen lassen möchte. Vielmehr liegt es an der Bevölkerung, die angesichts ihrer bald hineinflatternden Stromrechnungen mit den Hufen schart. Die Bundesregierung hat zunehmend Angst vor „Volksaufständen“ und fürchtet sich vor einer „Delegitimierung des Staates“. Wer also heute von seinem per Grundgesetz gewährten Recht Gebrauch macht und auf die Straße geht, der ist ab sofort kein Demonstrant mehr, sondern ein „Delegitimierer“.
An dem Delegitimierungsbegriff wurde vieles zurecht kritisiert. Es bleibt festzuhalten, dass der Staat sich am Ende nur selbst delegitimieren kann. Fakt ist aber auch, dass immer mehr Bürger diese Regierung nicht mehr für legitim halten. Ich habe bei Apollo schon vor 6 Monaten einen Artikel über die Macht und die Legitimität des Staates geschrieben. Beide Begriffe gehören zueinander: niemals gibt es Macht ohne Legitimität und Legitimität nie ohne Macht. In diesem Sinne sinkt die Legitimität der Bundesrepublik schon seit einigen Jahren und hat insbesondere im letzten Corona-Winter abgenommen.
Damals hat der Staat die Kontrolle über Millionen von Bürgern verloren. Viele ließen sich nicht impfen, und dass obwohl den Ungeimpften über Monate die Luft abgeschnürt wurde, obwohl ein Klima von Hass und Hetze aufgebaut wurde. Jeden Montag gingen sogar weit über 100.000 Bürger auf die Straße. Die Bundesregierung hat vergangen Herbst und Winter einen Geist aus der Flasche gelassen, den sie nicht mehr einfangen kann. Für Ungeimpfte wurde künstlich eine existenzbedrohende Krisensituation aufgebaut, die viele weit vom Staat entfremdet, aber dafür umso mehr zusammengeschweißt hat. Inzwischen gibt es Demonstrationsstrukturen in jeder Kleinstadt. Menschen haben sich vernetzt, Routinen wurden etabliert. Hierdurch könnten in diesem Herbst und Winter die Proteste sehr schnell sehr hohe Dimensionen annehmen.
Im Umgang mit diesen Protesten hat die Politik im Kern nur zwei Möglichkeiten. Entweder man tritt mit den Demonstranten in den ernsthaften Dialog und ändert die Politik oder man versucht die Proteste mit allen mitteln zu diffamieren. Aus diversen Gründen wird die Politik nicht den inhaltlichen Austausch mit den Demonstranten suchen. Dafür ist die geäußerte Kritik viel zu grundsätzlich. In nahezu sämtlichen Themenbereichen haben die beiden Parteien, Demonstranten und Bundesregierung, die genau gegensätzliche Meinung. Wenn die Bundesregierung auch nur in einem Punkt Recht gibt, wäre dies zugleich ein Geständnis grundlegende Fehler gemacht zu haben. Das passt aber nicht in das Kontinuitätsprinzip und den inneren Logiken, den die Parteien anhängen. So werden natürlich immer mal wieder kleinere Fehler gemacht, im großen und ganzen habe man seine Sache aber gut gemacht. Und wenn doch mal etwas nicht klappt, dann liegt das natürlich nur an den Umständen… Putin zum Beispiel.
Die Politik macht sich also daran, die Demonstranten zu diffamieren und den Druck auf sie zu erhöhen. Nur so kann sie (versuchen) ihre eigenen Fehler zu kaschieren. In dieses Bild passt es, dass Nancy Faeser forderte, Protest ohne Demonstration auszudrücken. Der Verfassungsschutz erklärt die Demonstranten zu „Delegitimierern“ und Annalena Baerbock macht deutlich, dass man bloß nicht demonstrieren solle, weil dort mit „Volkasuafständen“ zu rechnen sei. Zum Glück haben wir noch Olaf Scholz. Der erklärte: „Niemand in diesem Land hat vor, dass auf Demonstranten geschossen wird“. Hoffen wir, dass es dabei bleibt. Bis dahin werde ich mir noch einige Walter Ulbricht-Reden anhören.
Ja, das ist alles schon ganz schön blöde, nicht wahr?
Da haben die klugen Deutschen ihren Regierungen über fast zwei Jahrzehnte den Auftrag erteilt, Deutschland energiemäßig von einem Despoten abhängig zu machen-obwohl ihre Verbündeten den Deutschen immer und immer wieder gesagt haben, dass sie sich damit in furchtbare Schwierigkeiten bringen und der Despot wahrscheinlich einen Krieg anfängt…
…und was ist dann passiert?
Der Despot hat einen Krieg angefangen und die Deutschen sind in furchtbaren Schwierigkeiten.
Wer hätte das bloß voraussehen können? Ach ja, alle außer den Deutschen, obwohl die natürlich am klügsten sind.
Und jetzt jammern und wehklagen sie, die Klügsten von allen, und fühlen sich schlecht behandelt.
Ihre Verbündeten aber, die ihnen nicht abnehmen wollen, dass sie wirklich so dumm sind, fragen sich, ob sie sich verraten fühlen sollen.
Was werden denn die frierenden Demonstranten im Herbst und Winter fordern? Doch wahrscheinlich, dass sie ihr billiges russisches Gas wieder bekommen. Dass sie dafür ihre Verbündeten endgültig verprellen würden, wird sie nicht abschrecken.
Aber wie werden die wohl reagieren? Wird das gut für Deutschland sein?
Die Washington Post hat kürzlich schon mal angedeutet, mit wieviel Verständnis die Deutschen in so einem Fall rechnen könnten. O-Ton „wenn sie frieren, dann frieren sie halt, es ist ganz alleine ihre Schuld“, fast könnte man meinen, da ist jemand mit seiner Geduld am Ende, nicht wahr?
Aber kann man diese Zusammenhänge überhaupt mit einem Volk diskutieren, das schon lange nicht mehr dazu in der Lage ist, die Konsequenzen seines Handelns abzusehen?
Was soll man da machen, als Regierung?
Endgültig in Putins Falle tappen, dem Westen den Rücken kehren und sich auf eine Zukunft als Vasall von Russland freuen?
Ist das die demokratischere Option?
Ich glaube, darüber würden Sie sich dann auch beklagen….solange das dann noch erlaubt ist.
Sehr guter Beitrag.