Wer ist wirklich überrascht über den Vertrauensverlust in die Politik?

Von Sebastian Thormann | Seit Jahren schon reden die Medien darüber, dass immer mehr Deutsche das Vertrauen in die Politik verlieren. Man grübelt über die Ursachen – von Globalisierung, dem schlechten Einfluss Sozialer Medien und Politikverdrossenheit hört man alles Mögliche. Dabei sind die vergangenen zwei Corona-Jahre ein Paradebeispiel dafür, wieso immer mehr Menschen unseren Institutionen misstrauen: Nämlich, wenn diejenigen, die uns regieren, das eine sagen und sich dann Wochen später umdrehen und etwas völlig anderes tun.

Während der Pandemie haben wir beobachten können, wie die Verschwörungstheorien von gestern der Regierungsstandpunkt von heute wurden. 

Zu Beginn galt es noch als Panikmache, sich Sorgen um das Corona-Virus zu machen, wegen dem in China ganze Städte abgeriegelt wurden. Maskenträger wurden vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk verspottet und die Bundesregierung erklärte zukünftige Einschränkungen des öffentlichen Lebens zu „Fake News“. Binnen Wochen war all das Realität. 

Nun gut, über COVID-19 war zunächst kaum etwas bekannt, man hatte sich eben geirrt und hat dann sein Handeln angepasst, kann man jetzt sagen – und da ist etwas dran, so eine Pandemie haben wir schließlich nicht alle paar Jahre. Jetzt wissen wir allerdings weit mehr über das Virus – es geht nun schon das zweite Corona-Jahr zu Ende. Wie kann es da sein, dass alle möglichen Beteuerungen und Versprechen innerhalb von Wochen wertlos sind?

Noch im Juni 2021 sagte etwa Kanzleramtsminister Helge Braun: „Wenn wir jedem in Deutschland ein Impfangebot gemacht haben, dann können wir zur Normalität in allen Bereichen zurückkehren.“ Er versprach in diesem Fall nicht etwa eine halbe Rückkehr, sondern eine Rückkehr zur Normalität im „vollen Umfang“. „Alle Einschränkungen“ würden fallen. Davon sind wir weit entfernt. Stattdessen gibt es einen Lockdown für Ungeimpfte und auch für den Rest gelten bereits die ersten Regeln auf dem Weg zum Lockdown, etwa in Bayern. Ministerpräsident Söder hatte dort noch vor drei Monaten noch eine „eine neue Form von Freiheit“ angekündigt und versichert, es werde „definitiv keinen Lockdown mehr geben oder Beschränkungen, wie wir sie hatten“.

Söder ist es auch derjenige, der wohl den Rekord für die schnellste 180-Grad-Wende hält. Innerhalb von zwei Wochen schaffte er es, seine Ansichten zur Impfpflicht auf den Kopf zu stellen. Am 8. November schloss er eine allgemeine Impfpflicht noch aus, auf den Tag genau 14 Tage später forderte er dann explizit eine solche. Niemand kann einem erzählen, dass sich der Wissenstand zu Impfungen innerhalb dieser zwei Wochen geändert hat, aber dennoch hat sich seine Position geändert – und das war nicht das erste Mal. Bereits vor einem Jahr hatte er eine Impfpflicht ins Spiel gebracht und dann wieder verworfen, nachdem er feststellte, dass es „keine Mehrheit dafür“ gäbe. Damals erklärte Söder: „Das gilt es auch einfach zu respektieren. Es ist auch ein starker Grundrechtseingriff.“

Wenn die Politik also wieder Vertrauen zurückgewinnen will, wäre sie gut damit beraten, sich vielleicht wenigstens für sechs Monate an das zu halten, was man zuvor kategorisch festgelegt hat. Denn wenn einige der größten „Fake News“ während der Pandemie von offizieller Seite stammen und Irre aus den entferntesten Ecken des Internets derweil teilweise als Propheten dastehen, wäre das für Politiker doch Anlass, einmal den eigenen Umgang mit der Öffentlichkeit zu reflektieren.


Sebastian Thormann (*2000) ist Student aus Passau und Chef vom Dienst des Jugendmagazins Apollo News. Er schreibt vor allem über US- und Außenpolitik. Er publiziert auch in amerikanischen Medien, so z.B. Lone Conservative und Washington Examiner.


 

1 Antwort

  1. Antonio Espinosa sagt:

    Wie man mit herbeigespritzten Escape-Varianten aus der ‚Dauerschleife‘ herauskommen will, ist nur eine der kognitiven Dissonanzen von ‚vertrauenswürdigen Volksvertretern‘ vom Schlage Kretschmann, Söder und Konsorten.

    Das Volk glaubt ausschließlich das, was in den Medien eingehämmert wird. Das ist z.B. auch in China nicht anders als bei uns. Deswegen wird sich dort – so, wie inzw. auch bei uns – kaum nennenswerter Widerstand gegen obrigkeitsstaatliches Handeln formieren.
    Nun sind wir die Generation, der unsere Kinder und Enkel einmal die Frage stellen werden: „Wie konntet ihr damals nur …“.