Wenn Mimosen unterrichten – drei Arten von unfähigen Lehrern

Von Selma Green | “Lehrer” ist DAS Themen unter uns Schülern. Welcher Lehrer bewertet total unfair? Wer macht den besten Unterricht? Fast jede Pause – sobald der Lehrer das Klassenzimmer verlässt – fliegen Namen durch das Klassenzimmer: “Mathe mit Frau B.!” “Frau N. ist viel netter!” “Die hat doch nicht mehr alle Tassen im Schrank!” “Mehr, als Herr R.”. Oft kommen wir zu dem Schluss, dass die älteren DDR-Lehrer tatsächlich den besten Unterricht machen – obwohl man hier nicht nur schlechte Noten sondern auch gelegentlich mal einen Schlüsselbund abbekommen kann, wenn man nicht aufpasst. Das will schon was heißen. Im Gegensatz zu ihnen verzweifeln die jungen Lehrer mit ihren Klangschalen und Lautstärkeampeln.
Doch die Schlüsselwerfer gehen jetzt so nach und nach in Rente – jetzt ist der Nachwuchs dran. Das läuft – wie man sich vielleicht vorstellen kann – nur mäßig gut. Ich unterteile die jungen Lehrer in drei Typen. Die meisten gehören zu dem nervigen “bitte-habt-mich-auch-lieb”-Lehrertyp :
“Ich dachte ihr seid hier eine Eliteschule!”,schimpft unsere asiatische Englischlehrerin Frau N., – so aufgelöst hatten wir sie noch nie -“da hat mich doch wahrhaftig vorhin ein Schüler angesprochen, ob ich denn mit meinen Augen richtig sehen könne!” Ihr Gesicht wurde ganz rot und ihre Augen noch kleiner, als sie vor versammelter Mannschaft anfing zu weinen. “Ich dachte hier gibt es keinen Rassismus. Schon früher hat man mich…(blablabla)”, erzählte sie.
In diese Situation sind wirklich eigentlich nur gekommen, weil einer meiner Klassenkameraden zu seinem Nachbarn meinte, dass Frau N. nie die Hausaufgaben kontrollieren würde – es stimmte. Sie hat das mitbekommen und wollte mit uns darüber reden. Da sie nicht sonderlich gut mit Kritik umgehen kann, schweifte sie vom Thema ab und nun stand sie schluchtztend vor uns. Alle müssen natürlich Mitleid mit ihr haben. Ihre Bemühungen, dass auch jeder Schüler sie mag, waren immer groß. Sei es das Basteln von komischen Karten für alle 27 Schüler oder das Verteilen von Süßigkeiten zu irgendwelchen chinesischen Feiertagen. Frau N. ist vielleicht gut in Englisch nur erzählt sie uns stattdessen lieber von ihrem Privatleben. Ich kann nun zwar keine Essays schreiben aber immerhin eine Biografie über meine Englischlehrerin.
Ein zweites sehr passendes Beispiel ist eine ehemalige Französischlehrerin. Ihr Äußeres erinnerte immer an den Stereotyp einer Zigeunerin: die ungekämmten Haare, improvisiert mit einem Haargummi zu einem Pferdeschwanz gebunden, das farbenfrohe, lockere Hemd reingesteckt in einen langen, grauen Rock der auf dem Boden schleift und schließlich die ausgelatschten Lederschuhe. Ein dicker, brauner Gürtel mit einer riesigen silbernen Gürtelschnalle darf da natürlich nicht fehlen. Sie guckt immer etwas hilflos und bedürftig. So kommt Frau B. jeden Freitag mit ihren Arbeitsblätter und einem bunten Ball in unseren Klassenzimmer. Wenn sie schon die grölenden Jungsgruppen in meiner Klasse erblickt, machte sie ein Gesicht, als müsse sie kotzen.
Unsicher wirft sie den Ball in die Menge und jeder soll auf Französisch sagen, wie er heißt. Wenn während des Unterrichts niemand auf sie hört, stellte sie sich beleidigt vor das Smartboard und schielte überfordert in die Menge. Manchmal gibt sie noch ein leises „Warum seid ihr so gemein zu mir?” von sich. Es kam soweit, dass sie sich aus Verzweiflung, an einen Tisch eines Schülers setzte. Dort warf sie dessen Federmappe und Hefter auf den Boden. Der Stuhl musste auch dran glauben. Sie wollte uns zeigen, wie anstrengend wir doch sind. Zwei Schüler übernahmen das Unterrichten. Nun versuchten diese die Klasse, einschließlich der trotzigen Lehrerin, ruhig zu stellen. Das war dann auch unsere letzte Stunde bei Frau B..
Nicht jeder Lehrer ist so schnell am Boden zerstört. Die Lehrer, die mit den Klangschalen nicht weiterkommen, spielen die “Kumpel-Karte”. Dafür gilt: coole Sprüche bringen, nicht zu streng sein, spielen und nur gute Noten vergeben. Das erklärt auch meine 1 in Geographie – erwartet jetzt nicht, dass ich sagen kann, wo China liegt.
Im Gegenteil dazu gibt es noch den sehr, fast zu, anspruchsvollen Lehrertyp. Diese Lehrer verfahren immer in zwei Schritten: Der erste Schritt besteht darin, den Schülern etwas Material und ein paar leichte Aufgaben zu einem neuen Thema zu geben – soweit so gut. Oft steht auch Gruppenarbeit auf der Agenda, bei der man weniger produktiv sein muss. Dazu kommt das spielerische Lernen, ohnehin anspruchsloser Themen. So verbringen die Lehrer die Stunden, die für die Schüler als entspannte “Spielstunde” wirken. Im nächsten Schritt aber fahren sie ihre Geschütze auf und bombardieren die Schüler mit Klassenarbeiten und darin versteckten Mammutaufgaben und dazu ein hohes Bewertungsraster in dem die Note 1 nicht zu erträumen ist.
Die Schüler werden einfach – wie soll ich es bloß sagen – von den Lehrern verarscht:
In der dritten Klasse lernte ich: “Schreibe so, wie du hörst.”. Folglich sahen dann die Sätze meines Aufsatzes in der fünften Klasse so aus: Der prinnz, und, Die prinnzesin küsten sich. Daneben prangt die in rot, fett hingeklatschte Note Vier. Bei mir haben sie noch ein Auge zugedrückt. Aber meiner Sitznachbarin haben sie dafür eine Lese-Rechtschreibschwäche verpasst, um ihre 4- zu erklären. Man könnte sagen, diese Sorte Lehrer will die gleiche Disziplin und guten Ergebnisse wie die strengen DDR-Lehrer sie erreichen, nur sind sie zu faul auch was dafür zu tun. Also hat man als Schüler nur die Wahl: entweder man bringt sich den Stoff selbst so gut bei, als hätte man das Fach studiert und lernt Gedankenlesen, damit man weiß, was der Lehrer gerne lesen würde – oder man hat halt eine schlechte Note. Ein gutes Beispiel ist hier mein Chemielehrer in der Siebten Klasse. Wir hatten nur selten bei Herrn M. Unterricht. Dieser bestand auch nur aus Experimentieren und weniger Theorie.
Der Lehrer wirkte immer lustig und “voll gechillt”- wie er sich beschreiben würde. Doch Herrn M.s Klassenarbeit war eine Atombombe und da ich nicht Marie Curie bin, hatte ich eine der 12 Vieren.
Ich bin auf einem der, vom Abiturschnitt, besten Berliner Gymnasien. Durch einen Aufnahmetest werden oft nur die leistungsorientierten Schüler aufgenommen. Daher gibt es dort auch noch mehr motivierte Lehrer, vor allem die DDR-Lehrer.
Die geheime Zutat – nennen wir es gleich das geheime Rezept – der DDR-Lehrer ist, dass sie keinen großen Wert darauf legen, von den Schülern gemocht zu werden. Dazu verfolgen sie eine klare Struktur beim Lehren. Außerdem trauen sich die Lehrer schlechte Noten zu vergeben. Dadurch wird der Unterricht erst anspruchsvoll. Die neuen Lehrer wollen ihren Untericht groß ausschmücken, mit Gruppenarbeit, Lernspielen und Filme gucken. Der Fokus auf den Stoff geht verloren, stattdessen konzentrieren sie sich auf das ganze Drumherum. Dieser Unterricht ist völlig anspruchslos und die Schüler nehmen ihn nicht mehr ernst – selbst wenn man was lernen will, wird das beinahe unmöglich gemacht.
Wir werden zu Schneeflöckchen erzogen. Es geht immer nur darum, dass wir glücklich sind, negative Emotionen werden nicht geduldet. Wir bekommen täglich vorgelebt, dass es total normal ist, als erwachsene Respektperson zu heulen und seine Arbeit nicht zu machen, wenn man mal blöd von der Seite angequatscht wird. Die klare Hierarchie zwischen Schüler und Lehrer fehlt. Heute geht es nicht mehr darum etwas zu lernen, sondern die Lehrer lieb zu haben und sie als “Kumpel” zu betrachten. Ich gehe aber nicht zur Schule, um erwachsene Freunde zu finden. Ich gehe zur Schule um zu lernen, auch wenn ich einen Schlüssel abbekommen könnte.
Ein Artikel wie ein Schlüsselwurf. Chapeau!
Sehr treffend, Selma Green! Ich bin selber Lehrerin in Berlin und sehe auch, dass die Schüler verarscht werden. Nicht nur, weil ja aufgrund von Lehrermangel mittlerweile jeder halbstudierte Volldepp auf Schüler losgelassen wird, sondern auch durch durchpolitisierte Lehrpläne und Zentralprüfungen, bei denen von den Lernern erwartet wird, die rot-grünen Parolen zu BLM und Greta nachzuplappern. Das hat wenig mit Bildung und oft nichts mit Fachinhalten zu tun. Sie nennen es ‚Lebensweltbezug der Schüler*Innen“. Leider lernen auch junge Lehrer in ihrer Ausbildung heute nichts mehr, abgesehen davon, dass Schüler angeblich nur über den Spaß etwas lernen und man immer auf alle Rücksicht nehmen muss. Verrückt, ich weiß. Der schlaue Lehrer lernt von erfahrenen Kollegen und lässt sich auch von Helikoptereltern nicht einschüchtern. Und tatsächlich passiert eben das, was die junge Autorin hier so blitzgescheit formuliert: die Schüler lernen den Stoff und haben das Gefühl ihre Zeit nicht verschwendet zu haben. So ein Artikel macht Hoffnung und Mut-und herzlich gelacht habe ich auch.
Liebe Selma, ein wirklich guter Artikel. Ich hatte immerhin so viel Glück noch annähernd Rechtschreibung erlernen zu dürfen, aber auch ich merke da meine Schwächen, besonders in der Kommasetzung. Während meiner Schulzeit gab es zwei Rechtsschreibreformen und so wusste von uns irgendwann niemand mehr wie man schriebt. Auch die Lehrer nicht. Mir ging es mit den strengen Lehrer so wie dir. Auch wenn ich als trotzige Teenagerin immer bockig zu ihnen war, waren es trotzdem die Lehrer, die ich insgeheim am liebsten hatte und die mir am meisten Sicherheit gegeben haben. Aber das Ziel ist es ja die Leistungsbereitschaft von jungen Leuten konsequent zu senken, da ja auch sonst niemand mehr etwas Leisten will. Weder Lehrer, noch Politiker oder viele weitere.