Weitere Wahlpanne in Berlin? In 25 Prozent der Wahllokale gab es weniger Stimmen als Wähler
Von Willi Weißfuß | In Berlin wurde die Wahl zum Abgeordnetenhaus wiederholt. Die taz berichtete, dass es in rund 14 Prozent der Wahllokale mehr Stimmen als Wähler gibt. Die Analyse der taz, basierend auf der Analyse des vorläufigen Endergebnisses, hat womöglich das ganze Ausmaß der Wahlpanne noch nicht einmal erfasst.
Während in anderen Bundesländern die Summe der ungültigen und gültigen Stimmen der Anzahl der Wähler (also all jenen, denen im Wahllokal Wahlzettel ausgehändigt wurden) entspricht, hat Berlin ein anderes Vorgehen. In Berlin wird zwischen abgegebenen und nicht abgegebenen Stimmen unterschieden. Nicht abgegebene Stimmen werden in Berlin nicht zu den ungültigen Stimmen gezählt. Dies kann zu gravierenden Problemen führen und das wahre Ausmaß der Wahlpanne verschleiern.
Wir haben die vorläufigen Ergebnisse der Berlin-Wahl analysiert und bemerkenswertes über die Verteilung der Ungereimtheiten festgestellt. In folgender Tabelle ist aufgelistet, in welchen Fällen es bei der Wahl zur BVV sowie bei der Erst- und Zweitstimme der Wahl zum Abgeordnetenhaus zu Fehlern gekommen ist. So gab es nicht nur, wie die taz berichtete, in einigen Wahllokalen mehr Stimmen als Wähler, sondern in wesentlichen mehr Fällen weniger Stimmen als Wähler.
Anzahl BVV Wahllokale |
Anzahl AGH Erststimme Wahllokale |
AGH Zweitstimme Wahllokale |
|
Mehr Stimmen als Wähler |
52 |
520 |
308 |
Weniger Stimmen als Wähler |
387 |
1075 |
942 |
Stimmen und Wähler stimmen überein |
3325 |
2169 |
2514 |
Ausgehend von der Zweitstimme gab es damit in über 25 Prozent der Wahllokalen weniger Stimmen als Wähler. Bei der Erststimme kommt man sogar auf rund 28,5 Prozent. Die BVV-Wahlen waren die Wahlen in Berlin, mit den geringsten Abweichungen. Dies ist aus zwei Gründen zunächst bemerkenswert. Zum einen sind zur BVV-Wahl EU-Ausländer sowie 16- Jährige wahlberechtigt. Es gibt somit mehr Wähler und dadurch mehr Fehlermöglichkeiten. Zum anderen wird die BVV zum Schluss ausgezählt, also dann, wenn die Konzentration bei den Wahlhelfern schon nachlässt. Dass es bei den Erststimmen mehr Fehler als bei den Zweitstimmen gab, ist ein weiteres ungelöstes Rätsel aus dem Kosmos Berlins.
Doch wie kann die Verteilung der Stimmen in einem Wahllokal aussehen? Dazu ein konkretes Beispiel: Im Wahllokal 01112 in Berlin-Mitte gab es 499 Wähler. Es gaben 499 Wähler ihre Erststimme ab (496 Gültige Stimmen, 3 Ungültige Stimmen). Soweit stellt dies keine Auffälligkeit dar. Bei den Zweitstimmen hingegen gaben nur 497 Wähler ihre Stimme ab (493 gültige Stimmen, 4 ungültige Stimmen). Es gibt diverse mögliche Erklärungsansätze für diese Differenz. Zum einen können zwei Wähler ihren Stimmzettel für die Zweitstimme nicht abgegeben haben. Zum anderen könnten zwei Wähler alle Stimmzettel für das Abgeordnetenhaus nicht abgegeben haben und 2 Wähler haben irregulär mit einem versehentlich verteilten Stimmzettel per Erststimme gewählt. Es kann aber auch sein, dass zwei Stimmen nicht mitgezählt oder übertragen wurden. Der Fantasie, wie es zu den Fehlern kam, sind keine Grenzen gesetzt. Sicher ist nur, dass es schon wieder zu Fehlern gekommen ist.
Es scheint, als wäre Berlin ein Magnet für Ungereimtheiten, Fehler und Wahlpannen. Ob das endgültige Wahlergebnis Besserungen bringt, bleibt abzuwarten. Doch dass es allein ausgehend von der Zweitstimme in Berlin in 25 Prozent der Wahllokale Ungereimtheiten gab, wirft Fragen auf.