Weihnachten fällt aus, denn der Weihnachtsmann ist nicht geimpft

Von Michael Friese | Das Fest des Jahres steht vor der Tür – alte, weiße Männer nennen es „Weihnachten“. Es ist das Fest der Nächstenliebe, des Teilens und des Friedens. Alle Menschen sollen an diesem Fest zusammenkommen und harmonisch miteinander feiern. Und auch bei diesem Fest der Liebe scheint das folgende Motto zu gelten: Es gibt Menschen – und es gibt Ungeimpfte. 2G-Regeln in Geschäften, auf dem Weihnachtsmarkt (oder politisch korrekt: Wintermarkt) und letztlich auf dem Familienfest geben den ungeimpften Mitbürgern auch in Zeiten der Liebe das Gefühl, ungeliebt zu sein.

Es ist schon ein seltsames Gefühl: Ich laufe durch meine Geburtsstadt, schaue mir die Läden an und überall ergibt sich das gleiche Bild: 2G, 2G, 2G. Beinahe alle Geschäfte sind für mich geschlossen. Während Geimpfte oder Genesene beruhigt einen Ausweis vorzeigen können, muss ich draußen stehen und vor Sehnsucht zergehen. Dabei hasse ich es eigentlich, einkaufen zu gehen. Immer wenn meine Mutter mich damals zum Aldi geschleppt hat, um einen Großeinkauf zu machen, waren das die langweiligsten Stunden meines Lebens. Oder im Baumarkt in der Tapetenabteilung: Die Auswahl der richtigen Tapete und allem was dazugehört, welche in echt ca. fünf Stunden beanspruchte, fühlte sich für mein Kleinkind-Ich so an, als wäre ich gestorben und der Aufzug ins Himmelreich auf halber Strecke abgestürzt. Nun aber blicke ich sehnsüchtig auf die 2G-Verweise an den Ladentüren. Wenn man nämlich aus mangelhaft ausgearbeiteten Gründen die Freiheit verliert, sich etwas anderes als Essen und Klopapier zu kaufen, kriegt sogar jemand wie ich mal Lust, sich durch den H&m zu wühlen.

Das Beste kommt nun aber: Es gibt in der Gegend ein „Kinder- und Jugendforum“. Dieses Forum hatte sich ganz groß auf die Fahne geschrieben: „Wir sind links! Wir sind woke!“. Überall an den Fenstern waren Regenbogenflaggen zu sehen und es wurde auf Zetteln an den Fenstern groß „Love is love“ skandiert. Man stehe für „Toleranz und Vielfalt“ und „jeder“ sei willkommen. Die 2G-Regeln gelten jedenfalls auch dort und das wurde auch so kommuniziert – ohne Verweis auf die heilige „Vielfalt“. Es gibt viele Ladenbesitzer, die ihre ungeimpften Kunden nicht ausschließen wollen und entweder schließen oder versuchen, eine andere Lösung für diese Kunden zu finden. Das ist bei diesem Jugendforum nicht der Fall. Über dem Zettel, auf dem „Toleranz und Vielfalt“ steht, hängt nun ein Zettel, der auf das Tragen einer Maske und die 2G-Regeln für über 18-Jährige hinweist. Kein einziger Satz nach dem Motto „Wir stehen für Vielfalt und das gilt auch für Ungeimpfte. Leider dürfen wir euch aber nicht reinlassen; wir sind selber empört darüber“. Eine Ironie und Doppelmoral, die Ihresgleichen sucht und auch vermutlich morgen bereits findet. So viel zum Thema Toleranz an der Stelle.

Zu Weihnachten gehört aber nicht nur das Shoppen und gekrampfte Überlegen, was man denn nun an seine Verwandten verschenken soll. Für viele Leute ist die Weihnachtszeit auch die Gelegenheit, die Familie im größeren Kreis nach Ewigkeiten wiederzusehen, nachdem man sich für den Rest des Jahres gekonnt aus dem Weg gegangen ist. Diese Weihnachtsfeste sind durch Corona im letzten Jahr extrem eingeschränkt worden. Aber dieses Jahr wird man wieder im gewohnten Kreise mit all seinen geliebten (und gehassten) Familienmitgliedern feiern können. Davon ging man aus. Meine Familie war jedenfalls sehr fleißig und hat bereits Anfang Oktober Einladungen für eine super mannigfaltige Weihnachtsfeier ausgeteilt.

Nun kommt die (un)erwartete Wende: Ungeimpfte dürfen nicht mitfeiern. Da wird dann auch keine Ausnahme gemacht – egal ob der Weihnachtsmann, der Lieblingsenkel oder die eigene Mutter gerne hineingelassen werden möchte.  Sie dürfen sich nämlich nur mit zwei weiteren Personen aus einem anderen Haushalt treffen (diese Formulierung wird niemals an Verwirrung beim ersten Lesen verlieren). Das bedeutet: keine Weihnachtsfeier für mich und meinen Onkel. Ich habe schon zu meiner Mutter gesagt, dass man uns beide verkleidet als Gartenzwerge ins Gebüsch stellen könnte. So könnte man seinem Weihnachtsfest in dieser verqueren Zeit zumindest ein wenig Würde verleihen. Oder alle lassen sich vor der Feier testen. Okay, ich hör schon auf, das wäre viel zu logisch.

1 Antwort

  1. Manfred Sonntag sagt:

    Ein feiner Artikel. Meinen 70.Geburtstag in dieser Woche werde ich mit meiner Frau allein feiern, da „Ungeimpfte“ in Sachsen maximal einen Besucher zu Hause empfangen dürfen. Für Weihnachten gilt das Gleiche. Aber heute ist für uns Feiertag: Nachdem wir am Samstag zusammen mit ~180 Fahrzeuge beim Autokorso gegen die Coronamaßnahmen der Regierungen protestierten nehmen wir heute aus gleichem Anlass wieder am großen Dresdner Protest teil.
    Wir sollten uns bei der Auswahl unserer Protestmöglichkeiten gegen beschränkte Eliten an die Taten des „braven Soldaten Schwejk“ erinnern. Heute wurde ich beim „Aldi“ darauf hingewiesen, dass ich meine Schutzmaske richtig über Nase und Mund ziehen solle. Ich war sehr folgsam. Ich tat es und brüllte dazu „Jawoll, zu Befehl“ und schlug die Hacken zusammen. Der Herr Dienststellenleiter war konsterniert. Ich habe niemanden beschimpft und war artig. Als ich in „Hab Acht“ Stellung stehen blieb, forderte er mich auf, den Laden zu verlassen, was ich dann auch tat. Ohne Ordnungswidrigkeitsverfahren!