Was wir von alten weisen Männern lernen sollten

Von Leonard Klaucke | Anfang März erschien ein Buch mit einem heutzutage hoch provokanten Titel: „Alte weise Männer – Hommage an eine bedrohte Spezies“. Die Politikjournalistinnen Franca Lehfeldt und Nena Brockhaus wollten dem linken Zeitgeist bewusst etwas entgegensetzen und interviewten dafür zehn alte, weiße Männer aus Politik, Wirtschaft und Medien. Dazu zählten die Schauspieler Mario Adorf und Heiner Lauterbach, die Journalisten Stefan Aust und Heiner Bremer, die Politiker Herbert Reul, Peer Steinbrück und Edmund Stoiber sowie die Unternehmer Wolfgang Reitzle, Thomas Strüngmann und Claus-Holger Lehfeldt.
Als junger, weißer Mann habe ich mir die „kontroverse“ Schrift mal ganz genau durchgelesen und muss zunächst sagen: Wer sich eine radikale Abrechnung mit dem neofeministischen Kampfbegriff „alter weißer Mann“ gewünscht hatte, der dürfte enttäuscht sein – der Titel ist zweifellos provokanter als das gesamte Buch selbst. Zwar stellen sich die Autorinnen entschieden gegen das Feindbild des alten weißen Mannes und geben sich Mühe mit weitverbreiteten Vorurteilen und Klischees aufzuräumen, doch in den Interviews kommt es trotzdem nur geringfügig zur Sprache.
Aber vielleicht war das auch gar nicht die Intention für dieses Buch. Mir scheint es vielmehr so, als würde es den Autorinnen vor allem darum gehen, mit den Männern über ihr Leben, ihre Erfahrungen und ihre Sicht auf die gesellschaftlichen Probleme und Herausforderungen zu sprechen. Das Buch kann daher gewissermaßen als Gegenentwurf zum von Sophie Passmann veröffentlichten Buch „Alte weiße Männer“, die lieber mit jungen bis mittelalten Männern über alte weiße Männer sprach, gesehen werden.
Wenn Werten wie Leistungsbereitschaft und Disziplin out werden
Die Portraitierten, die zwischen 1930 und 1953 geboren sind und unter denkbar schwierigen Umständen teils sehr beeindruckende Lebensleistungen erbracht haben, stehen mit ihren Werten wie Leistungsbereitschaft, Disziplin und Aufopferung nahezu komplett konträr zum aktuellen Zeitgeist. Heute werden alte Männer nur noch als ewiggestrige „Boomer“ verunglimpft, ihre Werte als überholt und viel zu konservativ angesehen. Es scheint fast so, als hätten weite Teile der Gesellschaft, insbesondere die jüngeren Generationen, völlig vergessen, wer den Wohlstand, in dem die Meisten seit ihrer Geburt leben, erwirtschaftet hat – wer dieses Land aus den Trümmern des zweiten Weltkrieges wieder aufgebaut und zur viertgrößten Volkswirtschaft der Welt gemacht hat.
Und genau das wird zunehmend zum Problem: Denn während man sich hier zulande in Indentitätsdebatten verliert, sich lieber mit Wohlfühlthemen wie bedingungslosem Grundeinkommen, Diversity und geschlechtergerechter Sprache beschäftigt und Arbeit nur noch erstrebenswert ist, wenn sie in vier-Tage-Woche, Homeoffice und mit einer möglichst optimalen Work-Life-Balance bei überdurchschnittlich hohem Gehalt erfüllt werden kann, steht anderswo die Welt nicht still. Wenn wir in den kommenden Jahre nicht endgültig von anderen Ländern abgehängt werden wollen, müssen wir als Gesellschaft zwingend wieder mehr Leistungsbereitschaft aufbringen – sonst können wir uns von unserem Wohlstand auch gleich verabschieden.
Wenn man mich fragt, sollte sich das gerade die junge Generation, also meine Generation, hinter die Ohren schreiben. In meinem Alltag erlebe ich oft Menschen, die mit Anfang oder teilweise auch noch mit Mitte zwanzig völlig planlos durchs Leben laufen. Die sich keinerlei Gedanken über ihre Zukunft machen, das x-te Studienfach beginnen, in der Hoffnung dieses Mal wirklich das richtige gefunden zu haben oder Pseudowissenschaften wie „Genderstudies“ studieren und dann jammern, dass sie keinen gutbezahlten Job finden und vom bösem kapitalistischen System ausgebeutet werden würden. Solche Menschen werden wir uns aber, insofern wir unseren Wohlstand bewahren wollen, auf Dauer nicht mehr leisten können. Man mag sich nicht ausmalen, in welchem Zustand unser Land heute wäre, hätten sich die Männer von damals so verhalten wie Teile der jungen Generation heute.
Anpacken statt Festkleben!
Anstatt sich völlig sinnlos auf die Straße zu kleben oder freitags fürs Klima zu hüpfen, sollten meine Altersgenossen zukünftig lernen mal wieder hart anzupacken und ein Stück weit die eigene Bedürfnisse – oder besser gesagt: Befindlichkeiten – hinten anzustellen. Auch mal länger arbeiten, auch mal die unangenehmen Aufgaben übernehmen und Opfer für den Job – also für die eigene Zukunft – bringen. All das haben die zehn Männer aus dem Buch und mit ihnen Millionen andere, die natürlich nicht weniger Anerkennung verdienen, in der Vergangenheit getan. Das verdient Respekt. Respekt vor der Lebensleistung dieser Menschen, an der sich einige mal ein Beispiel nehmen sollten.
Ich empfehle also jedem, insbesondere den Gen-Z-Angehörigen, dieses Buch zu lesen und sich mit den Lebensgeschichten und -weisheiten der alten weisen Männer auseinander zu setzen. Einfach mal zuhören und versuchen zu lernen, statt sich selbst für unfehlbar und allwissend zu halten. Natürlich ist nicht jeder alte Mann auch automatisch ein weiser Mann. Doch die zehn im Buch portraitierten und anfangs genannten Männer sind aus meiner Sicht wesentlich bessere Vorbilder für die junge Generation als die Luisas und Gretas unserer Zeit – die selber nichts leisten, aber gerne mit dem erhobenen Zeigefinger alle anderen belehren und uns dabei in die Steinzeit zurückführen wollen.
Vielen Dank! Mehr ist nicht hinzuzufügen…