Warntag – von wegen! Apollo-Autoren berichten

Am Donnerstag ertönten zum landesweiten Warntag überall die Sirenen – oder auch nicht. Um 11:00 Uhr löste das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) die Probewarnung über das sogenannte Modulare Warnsystem aus. Auf Millionen von Smartphones bundesweit sollte dabei erstmals das System „Cell Broadcast“ verwendet werden. Dieses versetzt besonders staatliche Stellen in die Lage, Warnbenachrichtigungen auf die Handys ihrer Bürger zu senden. Das passiert, grob zusammengefasst, über Mobilfunknetze. Jedes empfangsfähige Handy im betroffenen Gebiet wird dann über Sendemasten benachrichtigt.
So weit die Theorie. In der Praxis sieht das Ganze leider etwas anders aus: Am bundesweiten Warntag am 8. Dezember erhielten Millionen von Deutschen weder einen Warnton, noch eine Nachricht. Die Magazine FOCUS Online und CHIP machten dazu eine Online-Umfrage. Mehr als 30.000-mal wurde abgestimmt. Das bisherige Ergebnis: Weniger als die Hälfte der Teilnehmer geben an, den geplanten Handy-Alarm erhalten zu haben.
Das deckt sich mit den Erfahrungen unserer Apollo-Autoren:
Johanna aus Sachsen-Anhalt
Heute um 11 Uhr sollten auch in Sachsen-Anhalt die Sirenen heulen. Doch wie schon im Jahr 2020 bleiben die Sirenen in einigen Teilen stumm. Ich saß um 11 Uhr in der Schule, die sich in der Innenstadt befindet und keine einzige Sirene war zu hören, auch wenn es eigentlich fünf geben soll. Jetzt könnte man vielleicht sagen, dass ja die Handys erprobt wurden, die schlugen in meinem Chemiekurs bei gerade einmal drei Schülern pünktlich Alarm. Bei einigen kam die Warnung mit einer viertel Stunde Verspätung. Nicht nur ich habe den Warntag in Sachsen-Anhalt so wahrgenommen, auch einige Lokalnachrichten berichten davon. In Salzwedel soll eine einzige nicht besonders laute Sirene funktioniert haben. Diese soll nur einen sehr kleinen Teil der Bewohner gewarnt haben. Was der andere Teil der Stadt in einem Ernstfall getan hätte, weiß niemand so genau. Andere wiederum schreiben, dass es 2000 Sirenen in ganz Sachsen-Anhalt gibt, die die Bevölkerung gut gewarnt haben. Ich kann nur sagen, dass ich keine davon gehört habe. Sachsen-Anhalts Innenministern sagte dem MDR, dass der Probealarm erfolgreich abgelaufen ist, da es wichtig sei, alle Menschen über verschiedene Systeme zu erreichen. Wenn man das Glück hat neben einer Sirene gestanden zu haben, mag der Warntag erfolgreich abgelaufen sein, da stimme ich ihr zu. Ich glaube aber nicht, dass dies auf einen Großteil der Einwohner Sachsen-Anhalts zutrifft. Eine Sache muss man der Regierung lassen, sie haben sich ein bisschen weniger blamiert als beim letzten Mal, da wenigsten ein paar Sirenen und Handys funktioniert haben. In einem Ernstfall können wir nur hoffen, dass wir die Glücklichen sind, die eine Warnung hören.
Selma aus Berlin:
Gestern war deutschlandweiter Warntag – außer in Berlin. In Berlin war es um 11 Uhr still. Ich saß zu der Zeit im Mathematikunterricht. Ein paar Handys bimmelten vor sich hin; doch von Sirenen war weit und breit kein Ton zu hören. Bis Ende 2023 sollen 400 neue Sirenen in Berlin installiert werden. Von denen standen gestern immerhin schon 28 zur Verfügung. Eigentlich – denn einsatzbereit waren sie dennoch nicht. Sie waren noch nicht an das deutsche Warnsystem gekoppelt. Als Berliner Schülerin, die Obdachlose und Junkies persönlich kennt, weil sie auf dem Schulweg liegen, ist es natürlich beruhigend zu wissen, dass in dieser Stadt, in der außer dem Drogenhandel sowieso nichts funktioniert, im äußersten Notfall auch die Sirenen stumm bleiben werden. Wenn ich es aber recht bedenke, macht das wiederum auch nichts, da wir in so einem Notfall sowieso mit dem Fahrrad aus Berlin fliehen müßten – hier ist ja jede zweite Straße eine Fahrradstraße.
Boris aus Bayern:
In Bayern saß ich gerade im Oberstufenzimmer als plötzlich einen leises Raunen durchs Zimmer ging. Es war 11 Uhr und ungefähr die Hälfte der Leute hatte eine Warnnachricht erhalten. Handyalarme gab es tatsächlich, wie beispielweise bei der gerade stattfindenden Kunst Klausur, die den Schülern, Erzählungen zufolge, 5 Minuten lang keine Ruhe ließ. Außer dem Vorfall allerdings, hörte ich keine Handyalarme losgehen. Auch die analogen Sirenen konnte man nur bei genauem Horchen leise vernehmen. Meine Erfahrungen decken sich auch in etwa mit den offziellen Berichten. In Bayern fehlen rund 15.000 Sirenen. Außerdem kam es bei den bayrischen Servern, die die SMS verschicken sollten, zu zahlreichen Ausfällen und Überlastungen, wie das bayrische Innenministerium vermeldete. Insgesamt ein durchwachsener Warntag in Bayern.
Sven aus NRW:
Als ich am Donnerstag gegen 10 wach wurde, brummte mir noch der Schädel. Ein typischer Katermorgen. Nach einem großen Schluckwasser schlief ich direkt weiter. Erst gegen 12 Uhr mittags bin ich wieder wach geworden. Zwar war ich immer noch nicht ganz auf der Höhe, aber immerhin konnte ich mich ins Badezimmer schleppen und frisch machen. Dass Warntag war, habe ich danach erst in einer Telegramgruppe gelesen. Weder mein Handy noch irgendwelche Warntürme habe ich gehört. Auf meinem Handy war auch keine Warnung zu sehen. Auch sonst hat scheinbar niemand meiner Freunde, mit denen ich am Vortag unterwegs war, davon auch nur irgendwas mitbekommen. Wenn der Alarm echt gewesen wäre, wäre ich jetzt tot. Was nützt ein Alarm, wenn er nur die Leute warnt, die darauf warten, gewarnt zu werden?
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Wir hoffen dann mal, dass die nächste Katastrophe noch etwas länger auf sich warten lässt – unsere Politiker könnten noch eine Weile brauchen, bis sie ein funktionierendes Warnsystem entwickelt haben. Vielleicht zehn Jahre – oder fünfzig? Man darf gespannt bleiben.