Wahlen in Schweden: Schwedendemokraten fahren Achtungserfolg ein
Von Boris Cherny | Schweden hat gewählt. Stärkste Kraft wird wie bei jeder Parlamentswahl seit 1917 (!) die Sozialdemokratische Partei mit der Ministerpräsidentin Magdalena Andersson an der Spitze. Im Fokus steht bei dieser Wahl allerdings eine andere Partei. Die nationalkonservativen Schwedendemokraten konnten erstmals die zweitstärkste Kraft werden. Ob Andersson Ministerpräsidentin bleibt, ist noch unklar, denn eine Koalition wird notwendig sein. Aktuell liegt ein rechtsgerichtetes Bündnis unter Beteiligung der Schwedendemokraten äußerst knapp vor dem links-grünen Bündnis, doch das kann sich noch ändern.
Der endgültige Wahlausgang wird den Erfolg der Schwedendemokraten (SD) aber wohl kaum schmälern. Im Jahr 1988 gegründet, war die SD jahrelang eine Kleinstpartei am äußersten Rand des rechten Spektrums. Politiker der SD hatten Verbindungen zu Neonazis, und fielen häufig durch rassistische und antisemitische Äußerungen auf. Die Partei blieb bei Wahlen stets weit unter den 4 Prozent, die nötig für einen Einzug ins schwedische Parlament sind. 2005 wurde Jimmie Åkesson Vorsitzender der SD. Unter seiner Führung, die bis heute andauert, hat sich das Image der Partei deutlich verändert.
Rechtsextreme Politiker wurden nicht mehr in den Reihen der SD geduldet. Auch das Parteiprogramm wurde gemäßigter gestaltet. Forderungen von kompletten Grenzschließungen und einem Swexit (EU-Austritt Schwedens) wurden verworfen. Åkesson gestaltete die Schwedendemokraten in eine moderne konservative Partei mit Fokus auf Einwanderungspolitik um. Dank der gemäßigten Rhetorik wurde die SD nun zur einzigen demokratischen Wahlalternative für viele Menschen, die zunehmend negativ gegenüber dem unregulierten Flüchtlingsstrom nach Schweden standen. Auch durch die Corona-Krise profitierten die Schwedendemokraten. Im Gegensatz zu den meisten anderen konservativen Parteien in Europa setzte sich die SD für härtere Corona-Regeln ein. Als eine der wenigen Parteien in Schweden kritisierte sie den liberalen Sonderweg während der Corona-Krise, was ein weiteres Alleinstellungsmerkmal schuf. Åkesson bezeichnete die Folgen der Politik der Sozialdemokratischen Regierung gar als “Massaker”.
Die Besorgnis der Bevölkerung über Migration und Ausländerkriminalität, die zunehmend in den schwedischen Vorstädten grassierte, spiegelte sich rasch in Wahlergebnissen der SD wider. Von 2,6 Prozent im Jahr 2006 steigerten sich die Schwedendemokraten bei jeder Wahl, bis auf 17,5 Prozent in 2018. Auch politisch konnte die SD Erfolge erzielen. Etablierte Parteien fingen an, ihre Positionen in Fragen der Einwanderungspolitik anzupassen. 2014 beendete der damalige Ministerpräsident Löfven sogar die offene Grenzpolitik Schwedens und ließ das Einwanderungs- und Asylrecht drastisch verschärfen.
Das konnte den Aufwind für die SD allerdings kaum noch stoppen. Bei diesen Wahlen erreichte die Partei etwa 20,6 Prozent und wurde erstmals die zweitstärkste Kraft im schwedischen Parlament. Eine Regierungsbeteiligung der SD scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein. Das wäre in den letzten Jahren trotz zweistelliger Wahlergebnisse für unmöglich gehalten worden. Das politische Establishment verweigerte jahrelang jegliche Zusammenarbeit mit den Schwedendemokraten. Die Barriere fing allerdings in den letzten Jahren an zu bröckeln, denn Koalitionen nach alten politischen Mustern wurden zusehends schwieriger, je mehr Sitze die SD bekam. Das führte letztes Jahr gar zum Rücktritt des bisherigen Ministerpräsidenten Stefan Löfven und zum Aufstieg der ersten weiblichen Ministerpräsidentin Schwedens, Magdalena Andersson, die seitdem eine instabile Minderheitsregierung führt. Die politische Isolation der SD ist vor dieser Wahl endgültig beendet worden als sie in eine informelle Wahlallianz mit anderen Mitte-Rechts Parteien einging.
Diese Allianz steht nun kurz vor dem Wahlsieg. Nachdem fast alle Stimmen ausgezählt worden sind, führt die rechte Allianz mit einem Parlamentssitz vor der linken Koalition der Sozialdemokraten. Der Posten des Ministerpräsidenten ist, im Falle des Sieges des Liberal-Konservativen Bündnisses wahrscheinlich Ulf Kristersson, dem Vorsitzenden der Moderaten Partei (der anderen großen konservativen Partei) vorbehalten, doch gewiss wird die SD, als stärkste rechte Kraft im Parlament, die größte Macht innerhalb der Koalition besitzen.
Ob die Zukunft eine Regierungsführung für die Schwedendemokraten bereithält, ist unklar, doch mit dieser Wahl haben sie eine starke Basis für die Zukunft aufgebaut. Sie wurden die zweitstärkste Kraft unter den jungen Wählern (nur hinter der Moderaten Partei – Parteien des rechten Bündnisses kommen in dieser Demografik auf insgesamt 58 Prozent der Stimmen), was für sie nur ein positives Zeichen für die Zukunft sein kann. Der Wahlerfolg der Schwedendemokraten zeigt, dass linke Mehrheiten alles andere als gesetzt sind.