US-Politiker John Fetterman: Mit Linkspopulismus in den Senat

Von Boris Cherny | John Fetterman ist unübersehbar. Mit seinen 2,06 Metern und 110 Kilogramm sticht er aus der Menge heraus. Seine Tattoos, sein kahler Kopf und sein legerer Kleidungsstil lassen ihn nicht gerade wie einen Kandidaten für eines der höchsten politischen Ämter des Landes aussehen. Tatsächlich ist John Fetterman aber der demokratische Kandidat für einen Senatssitz in Pennsylvania bei den kommenden Wahlen im November. Auch neben seinem Aussehen tritt Fetterman politisch nicht wie der reguläre Demokrat à la Joe Biden oder Nancy Pelosi auf. Er ist Mitglied des progressiven Flügels seiner Partei, der versucht das Establishment aufzuwirbeln. Auch wenn er nicht so radikal wie Alexandria Ocasio Cortez und ihre Kollegen vom „Squad“ ist, unterstützt er dennoch eine interventionistische Wirtschaftspolitik und eine „progressive“ Kulturpolitik.
Als ein linker Populist legt Fetterman bewusst Wert auf sein Auftreten. Authentizität ist im Rust Belt (ähnlich dem Ruhrgebiet) sowieso der Schlüssel zum Wahlsieg. Fetterman will den Eindruck erzeugen, er sei ein Politiker, der noch wie ein normaler Mensch lebt, der sich nicht von prüden Dresscodes einschüchtern lässt und nicht den Sprachstil eines Professors besitzt. Ähnlich wie Donald Trump möchte er sich als einfacher Mann des Volkes profilieren. Problematisch ist nur, dass John Fetterman im Gegensatz zu Trump niemals etwas außerhalb eines politischen Amtes geleistet hat.
Aufgewachsen ist Fetterman als Kind eines reichen Versicherungsunternehmers in einem relativ sicheren Vorort. Nach einem Abschluss in Harvard und einer Anstellung bei einer Versicherungsfirma zog er 2004 in die Kleinstadt Branndock, wo er als Sozialarbeiter angestellt war. Nach einem Jahr wurde er zum Bürgermeister der heruntergekommenen Stadt gewählt – offiziell ein Vollzeitjob mit einer Bezahlung von 150 Dollar im Monat. Seine Zeit als Bürgermeister kann als durchaus erfolgreich gewertet werden. Er verbesserte die Lebensqualität des Städtchens deutlich, was ihm nationale Anerkennung einbrachte. Allerdings gab es auch damals Skandale. Beispielsweise als erim Jahr 2013, nachdem er Schüsse in seiner Umgebung gehört hatte, einen unschuldigen afroamerikanischen Jogger verfolgte und mutmaßlich bedrohte. Begründung: Er sei ihm verdächtig vorgekommen. Eigentlich ein politisches Todesurteil in der demokratischen Partei, deren Vorfeld Leute schon für weniger gecancelt hat: Doch der Skandal zog überraschenderweise keine ernsthaften Konsequenzen mit sich, und Fetterman wurde 2018 schließlich nach 13 Jahren als Bürgermeister Branndocks zum stellvertretender Governeur Pennsylvanias gewählt. Fettermans Karriere wirft jedoch eine Frage auf: Wie hat sich dieser Mann finanziell einen langjährigen Besuch in Harvard, und einen 150 Dollar Vollzeitjob leisten können, und jetzt bis zu 1.5 Millionen Dollar an Vermögen zu besitzen?
Die Antwort zu dieser Frage ist Familie. Bis in seine 40er hinein, war sein eigener Vater die mit Abstand größte Einnahmequelle, sowohl Studium als auch der jahrelange Job als Bürgermeister wurden von seinem Geld finanziert. 2013 kaufte Fetterman ein Haus für lediglich einen Dollar – allerdings von seiner eigenen Schwester, sie hatte es sechs Jahre zuvor für 70.000 Dollar gekauft. Die Tatsache der familiären Unterstützung wäre nicht weiter tragisch, doch wird sie problematisch, wenn sich Fetterman als der bodenständige Nachbar von nebenan präsentiert. Gleichzeitig attackiert er, ohne jemals langfristig gearbeitet zu haben, seinen kommenden Wahlgegner Mehmet Oz, Arzt und Fernsehpersönlichkeit, als abgehoben.
John Fetterman ist sicherlich kein schlechter Mensch und wahrscheinlich auch ein besserer Repräsentant des Volkes als eine AOC, doch ist er ein weiterer Vertreter in der Reihe der Demokraten, die außerhalb der Politik nicht wissen, wie Arbeit aussieht. Joe Biden, Bernie Sanders oder Nancy Pelosi haben fast ihr ganzes Arbeitsleben in der Politik verbracht. Das ist auf der republikanischen Seite zwar oft ähnlich, allerdings sind es die Demokraten, die wirtschaftliche Initiative mit Steuern bestrafen wollen und sich als bodenständige Partei der Arbeiter inszenieren. John Fetterman, der als Vorort-Kind und Elite-Student groß wurde, hat de facto auch wenig Authenzität. Dafür hat er aber gute Chancen, seine nächste Wahl zu gewinnen. Das ist vor allem der Inkompetenz der Wahlkampagne seines Gegners geschuldet. Neben schlechten Werbespots laufen auch Oz’s Auftritte katastrophal ab, mehrmals musste er sich im Frühjahr auf Trump Rallyes auspfeifen lassen, da er als zu moderat gilt. Das spiegeln auch die Umfragen wider, in denen Oz meist mehr als 5 Prozentpunkte hinter Fetterman zurückliegt. Der Demokrat bestätigt eine alte Regel der Politik im Zwei-Parteien-Staat Amerika. Du musst nicht gut sein – nur besser als dein Gegner.
Bild: By Governor Tom Wolf – https://www.flickr.com/photos/governortomwolf/51951626312/, CC BY 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=116343692