Ukraine: Tse Viyna – es ist Krieg

Von Willi Weißfuß | Der Ukrainekrieg hat heute seinen traurigen Jahrestag. Heute vor einem Jahr überschritten auch reguläre Truppen der russischen Föderation die Grenze zur Ukraine – Panzer, Soldaten und andere militärische Geräte. Ein Schwelbrand, welcher schon Anfang 2014 begann, wurde endgültig zur Stichflamme. Allein der Krieg um den Donbass kostete bis Ende 2021 nach Schätzungen der Vereinten Nationen über 14.000 Menschen das Leben – jetzt sollte eine neue Eskalationsstufe überschritten werden.
Als die Russische Armee in die Ukraine einmarschierte, um die am 22.02.2022 von Russland als Staaten anerkannten “Volksrepubliken” Lugansk und Donezk zu „schützen“, dachte man, dass die Armee Russlands leichtes Spiel haben wird. Sowohl die Staatsführung in Moskau als auch die Militärs und Politiker im Westen gingen von einem Blitzkrieg aus, der nur wenige Tage dauern würde. Stattdessen wurde der Kampf gegen das einstige Brudervolk zu einem langen Aufreibungskrieg und einem Massensterben für die eigenen Soldaten. Die Zahl der gefallenen Soldaten auf Seiten Russlands werden mittlerweile auf über 100.000 Soldaten geschätzt. Das die militärischen Ziele Russlands sich während des Krieges, zumindest offiziell, mehrfach änderten zeugt einzig von der Strategielosigkeit der russischen Führung. Während zunächst nur die beiden sogenannten Volksrepubliken Lugansk und Donezk geschützt werden sollte, wurden zwischenzeitlich Referenden über die Eingliederung nicht nur in den Oblasten Donezk und Lugansk abgehalten sondern auch in den Oblasten Saporischja und Cherson abgehalten. Referenden, welche zwar das von Anfang an erwartete Ergebnis lieferten, im Vergleich zur Krim aber nie durchgesetzt werden konnten. Aktuell verläuft die Frontlinien durch genau diese vier Territorien. Im Laufe des Krieges wurden an die Ukraine immer mehr westliche Waffensysteme geliefert. Diese Waffen helfen der Ukraine bei ihrem Überlebenskampf. Doch auch dies hat für den Westen langfristige folgen. Der Ukrainekrieg zeigt, welche Waffensystem der jeweils anderen Seite effizient sind und welche leicht zu besiegen sind. Als Antwort auf den Krieg muss der Westen neue Waffensystem entwickeln um für Russland, sowie seine Verbündeten wie zum Beispiel China, wieder unberechenbar zu sein. Die Waffensystem aller Seiten haben einen Teil des Schreckens verloren.
Der Krieg in der Ukraine hat unser Leben verändert – auch das politische Leben in Deutschland. Die Bundeswehr, lange ungeliebt, hatte in der öffentlichen Debatte plötzlich einen hohen Stellenwert bekommen. 100 Milliarden Euro für eine kaputt gesparte Truppe wären vor dem 24.02.2022 undenkbar gewesen – und wären insbesondere von der SPD niemals abgesegnet worden. Immerhin war es die SPD, die auch nur Anhebungen des Wehretats auf 2% des BIPs immer wieder verhindert hatte.
Am meisten haben wir Bürger den Krieg aber in unserem Geldbeutel gespürt. Spritpreise von über 2€ pro Liter waren kurz nach beginn des Krieges in Deutschland genauso normal wie ein Winter, in dem der Wirtschaftsminister zum Frieren aufruft. Lieferketten brachen zusammen, Dinge wie Sonnenblumenöl wurde teuer und rationiert. Der Staat sah die Not der Bürger und wollte handeln. Die Bundesregierung wollte uns Bürger mit 9€ Ticket und Spritpreisbremse entlasten. Während die Spritpreise mittlerweile aufgrund der sich eingependelten Marktlage sich wieder in einem erträglichen Rahmen befinden, wurde aus dem 9€ Ticket das 49€ Ticket. Linksgrüne konnten auf dem Rücken eines Krieges ihre Ideologie eines günstigen ÖPNV durchsetzen. Andere Maßnahmen, wie die 300€ Energiepreispauschale für Arbeitnehmer, waren eine an sich eine gute Sache – wenn auch nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Anders bei der Auszahlung der 200€ Energiepreispauschale an Studenten – die lässt noch immer auf sich warten. Erst im März kann man die vergleichsweise kleine Summe Geld überhaupt beantragen. Wann sie dann ankommen, ist offen – sicher ist nur, dass sie zu spät kommen werden. Aus einer 200€ Zahlung einen zeitintensiven Akt der Bürokratie zu machen zeigt, dass Deutschland sich aus der Liga der Macher verabschiedet und in das Lager der Problemfinder wechselt oder dort schon längst angekommen ist. Die vielen Facetten der Herausforderungen, mit denen die “Zeitenwende” uns konfrontiert – Deutschland hat sie bis heute nicht begriffen.
Doch wie hätte der Krieg verhindert werden können? Sicherlich wäre eine Einbindung Russlands, nach dem Fall des Eisernen Vorhangs, in die westliche Wertegemeinschaft eine Option gewesen. Ob russische Führung dies gewollt hätte, steht auf einem anderen Blatt. Doch jetzt ist es zu spät für solche Überlegungen. Wir müssen einen Umgang mit Russland und seinen Einwohnern nach dem Krieg finden. Einen Umgang, der neue Kriege genauso verhindert – und die Gefahr einer Achse Moskau-Peking anerkennt. Ein solches Bündnis wäre eine gefährliche Gegenmacht zum freien Westen. Eine Gegenmacht, die verhindert werden muss.