Türchen 16 | Die Ossis wissen, wie man Weihnachten feiert!

Von Selma Green | Gebannt saß ich jedes Jahr vor der winzigen Räucherhütte und sah fasziniert zu, wie der duftende weiße Rauch aus dem Schornstein stieg. Und auch von den kleinen Holzfigürchen mit Pfeife, den spitzen Mützen und den witzigen Bärten konnte ich als kleines Mädchen meinen Blick nicht lassen.
Die DDR-Miniatur-Räuchermännchen und -Räucherhütten stehen bei uns im Advent überall in der Wohnung verteilt. Für mich ist das der Duft von Weihnachten. Sie sind eine meiner liebsten Traditionen in der Vorweihnachtszeit. Es gibt nichts schöneres als im kalten dunklen Winter nach einem langen Tag nach Hause zu kommen und eine warme weihnachtliche Wohnung vorzufinden. Die Räuchermännchen versagen nie mich aufzumuntern, jedes Jahr auf‘s neue.
Es gibt noch eine Weihnachtstradition, ohne die Weihnachten keinen Sinn für mich hätte. Eingehüllt in Decken schaue ich mir zu jedem Advent mit meiner Familie ein Sonntagsmärchen an: Hexe Babajaga, Schneeweißchen und Rosenrot – ein Märchen allerdings blieb ungeschlagen: Aschenbrödel und die drei Haselnüsse. Ich kenne den Film in- und auswendig und fiebere dennoch jedes Mal wieder mit, ob das Aschenbrödel mit dem Prinzen zusammenkommt. Ich weiß eigentlich schon zu Beginn des Films, was im dritten Haselnüsschen steckt und doch freue ich mich jedes Mal über das Ende. Als kleines Mädchen faszinierten mich lediglich die Haselnüsse, in denen immer ein tolles Outfit steckte. Mal ehrlich: Jeder wollte doch das rosa Ballkleid und den passenden Mantel mit der langen Kapuze haben.
Jetzt fällt mir auf, wie viel man von dem Film über Beziehungen lernt: Zum Beispiel, wenn Aschenbrödel den Prinzen mit einem Schneeball neckt oder bei der Jagd herausfordert und so sein Interesse weckt. Ihre Stiefschwester hat sich dem Prinzen voll und ganz hingegeben und was ist passiert? Er hat sich kaum für sie interessiert. Deshalb ist mein absoluter Favorit die Abschlussszene, in der der Prinz zuerst Aschenbrödels Rätsel lösen muss, bevor er sie heiraten darf. So leicht ist das Aschenbrödel eben nicht zu haben. Ich weiß ja, wie das Märchen endet, und doch denke ich mir jedesmal bei der Szene: „Warum errät der Prinz das denn nicht? Los lauf ihr nach, sonst ist sie fort!”
Die Musik im Film ist einfach genial. Es hat schon seinen Charme, das Schulgebäude zu betreten und dabei das Stück der Ankunft des Königspaares auf Aschenbrödels Hof auf den Ohren zu haben.
Die Räuchermännchen und die drei Haselnüsse für Aschenbrödel kommen beide aus der DDR. Wie kann so etwas Schönes nur der DDR entspringen? Wenn meine Mutter mir Geschichten aus der DDR erzählt, läuft mir immer ein Schauer über den Rücken. Die DDR war ein grausames System, und doch kommen meine zwei liebsten Weihnachtstraditionen daher – das ist schon komisch. Aber wahrscheinlich wissen die Ossis gerade deshalb, wie man richtig Weihnachten feiert.
Na ja, dass finde ich jetzt aber sehr spitzfindig. Räuchermännchen sind traditionell aus dem Erzgebirge, und das lag zur DDR-Zeit im Osten und ach ja, liegt ja immer noch im Osten von Deutschland. Und es ist doch in der stör so, dass die lieben Ossis sehr stolz auf Ihre Traditionen sind. Das kennen wir von unseren Wessis nicht so sehr. Also, ich durfte die Räuchermännchen nun auch kennenlernen und kann an der heimeligen Gemütlichkeit auch etwas finden. Das ist eins der wenigen schönen Momente an Weihnachten für mich geworden, dass ich sonst eher nicht so mag. Danke für den Artikel!
Naja, die Tradition der Räuchermännchen gab es bereits ein Jahrhundert lang vor der DDR. Auch die „Ossis“ gab es vor der DDR.
Die Gegend, die wir heute als Ex-DDR bezeichnen, hatte ganz lange Zeit schon wundervolle Traditionen, die auch die die Zeit zwischen 45 und 90 nicht auslöschen konnte – und GottSeiDank auch bis heute noch gepflegt werden.
Frohe Weihnachtszeit.