Tod von Jordan Neely – Wieso das Framing falsch ist

Von Boris Cherny | In den USA quellen die Black Lives Matter Proteste von vor zwei Jahren wieder hoch. Verantwortlich dafür, ist ein Vorfall in New York, bei dem ein weißer Marine den afroamerikanischen Obdachlosen Jordan Neely, der in der U-Bahn mehrere Menschen bedroht hatte, durch einen Griff anscheinend tötete. Dem Marine, dem 24-jährigen Daniel Penny, drohen bis zu 15 Jahre Haft. Gleichzeitig beschuldigen ihn zahlreiche politische Aktivisten des Rassismus. Zumindest die letzteren Vorwürfe scheinen vollkommen konstruiert und aus der Luft gegriffen. Abermals scheinen Akteure der BLM-Bewegung Fälle zu vereinfachen, um eine nicht bestehende Verbindung zu Hautfarben herzustellen.

Jordan Neely hatte eine schwere Jugend. Als er 14 Jahre alt war, wurde seine Mutter ermordet. Sein Leben führte er meist in Obdachlosigkeit. Er entwickelte Depressionen und Schizophrenie. Verursacht durch seine schwere psychische Krankheit wurde er oft gewalttätig. Ganze dreimal wurde er von der New Yorker Polizei verhaftet, weil er Frauen in der New Yorker U-Bahn attackiert und teilweise schwer verletzt hatte. Insgesamt wurde er in der Vergangenheit schon 42-mal festgenommen.

Es war nun der 1. Mai, als in die New Yorker U-Bahnlinie F Jordan Neely einstieg. Prompt begann er lautstark die mitfahrenden Menschen zu bedrohen und mit Müll zu bewerfen. Daraufhin schritt eine Gruppe ein und versuchte, Neely ruhigzustellen. Unter ihnen auch der Veteran Daniel Penny. Dieser hatte Neely in der Zeit der handgreiflichen Auseinandersetzung, während der sich Neely unablässig wehrte, in einem Griff, der ihn, unter normalen Umständen, hätte bewusstlos machen sollen. Stattdessen verstarb Neely. Die Details des Vorfalls sind ungeklärt. Weder weiß man wie stark Neely seine Mitreisenden bedroht hatte noch wie die gesamte Auseinandersetzung begonnen hat.

Trotz der nebulösen Kenntnislage zeichnen viele amerikanische Medien ein äußerst deutliches Bild: Neely, der sich mit Michael Jackson Imitationen in der U-Bahn einen gewissen Bekanntheitsgrad erarbeitet hat, wurde von einem Weißen und wahrscheinlich noch dazu Rassisten brutal erwürgt. Der Beschuldigte, Daniel Penny, zeigt dabei allerdings keine Anzeichen Rassist zu sein, und hat keine bekannte Vorgeschichte.

Zudem handelte Penny nicht allein. Im Video, das den Vorfall dokumentiert, ist unter anderem auch zu sehen, wie ein afroamerikanischer Mitbürger Penny beim Versuch hilft, Neely außer Gefecht zu setzen. Auch sonst greift kein anderer Fahrgast direkt ein, stattdessen äußern einige gar Zuspruch zu Pennys Vorgehen. Das ist auch nicht verwunderlich.

In New York, wo die Polizei zunehmend machtlos gegen die voranschreitende Kriminalität ist, sind Sympathien für den Selbstschutz der Bürger erwartbar. Die Frage, ob das Eingreifen Pennys nicht verhältnismäßig war und ob es wirklich ausschließlich zum Tode Neelys geführt hat, muss die Justiz klären, doch es ist nicht Aufgabe von Presse und Politik innerhalb weniger Tage den Fall abzustempeln. Die Rollenverteilung in diesem Zwischenfall ist nicht so klar wie einige sie festsetzen.

Neely war ein kranker Mann, der professionelle Hilfe benötigte, ohne sie aber eine Gefahr für sich und seine Mitmenschen darstellte. Penny ging weder vollkommen ungerechtfertigt vor noch hatte er wahrscheinlich ein rassistisches Tatmotiv. Es ist geradezu gefährlich, nach einem solchen Ereignis so deutlich Seiten zu beziehen. Es kann Zeugen, den Ankläger oder sogar die Geschworenen beeinflussen. Im schlimmsten Fall kann es zu einer falschen Verurteilung führen, durch die jemandes Leben ungerechtfertigt zerstört wird.

Doch der Grund für das Vorgehen der BLM-Aktivisten und zahlreicher Medien ist wohl relativ banal. Der BLM-Organisation bringt es politisches Kapital, zusätzliche Aufmerksamkeit und abermals eine Rechtfertigung für die oft ausufernde und gewaltsame Demonstrationen gegen vermeintlichen institutionellen Rassismus, der in der amerikanischen Gesellschaft vorherrsche. Den Medien bringt solche Skandal-Berichterstattung andererseits Klicks und starke Auflagezahlen.

Die Reaktion ist in gewisser Weise natürlich, doch es macht sie nicht weniger schädlich. Möglicherweise wurde erst durch diese Taktik die Auseinandersetzung zum Gerichtsfall: Die linke Staatsanwaltschaft Manhattans erhob zunächst keine Anklage gegen Penny. Erst mit dem deutlichen öffentlichen Druck, ausgelöst durch das unausgeglichene Framing, entschied man sich, Penny wegen fahrlässiger Tötung anzuklagen.