Timur Husein – die Einmann-Armee gegen den Kreuzberger Wahnsinn

Von Pauline Schwarz | In meinem Heimat-Ort Berlin-Kreuzberg wird seit ich denken kann traditionell rot-rot-grün gewählt – und dementsprechend leider auch regiert. Die Früchte der stolzen Koalition kann man nicht nur täglich beim Dealen an der Straßenecke beobachten, sie sind der Welt auch bei der Wahl in voller Schönheit präsentiert worden. Bei uns steckt man wertvolle Wahlprotokolle in Bierkisten, setzt auf Spontanität statt auf Planung und interpretiert Regeln und Gesetze, so wie sie einem grade gefallen. Aber das war letztlich auch nur ein kleiner Eindruck in das alltägliche Kreuzberger Chaos. Bei uns funktioniert generell nichts – außer der sukzessiven Aufmöbelung mit Straßenpollern. Und auch wenn ich bis heute jeden Tag einen hysterischen Anfall kriegen könnte – ich bin daran gewöhnt. Vor allem daran, dass die Kriminalität, der Dreck und das ganze Gesocks kaum jemanden stören. Umso irritierter war ich, als ich im letzten Wahlkampf Plakate mit der Forderung nach mehr Polizei sah. Ich dachte mir nur: Wat is denn dit für einer? Ist das Fake?
Aber das war es nicht. Der Mann, der mit seinen Plakaten den Unmut vieler Sprayer und Vandalen auf sich zog, heißt Timur Husein – und ist ein echter Polit-Rowdy. Der CDU-Mann – ja, tatsächlich scheint´s die als Kleinstpartei selbst bei uns zu geben – hat noch so veraltete Werte wie „Sicherheit“ und „Rechtsstaatlichkeit“. Außerdem liebt er anscheinend nichts mehr, als die Grünen zu ärgern – und dafür liebe ich ihn. Ständig macht der Kerl so fiese Aktionen, wie einen Schutthaufen, der sinnlos einen Parkplatz blockiert und von allen Zuständigen wegignoriert wird, zu fotografieren, dann eine Anfrage beim Bezirksamt zu stellen und darauf zu lauern, ob doch mal einer seinen Hintern bewegt und seine Arbeit macht. Im Fall des Schutthaufens wurde als Gegenmaßnahme erstmal ein Zäunchen drumgebaut – ein echtes Sinnbild für Kreuzberg und ein neuer Tweet für Timur Husein.
Ich warte bei Twitter immer richtig ungeduldig darauf, dass Herr Husein wieder zuschlägt. Egal ob es um einen fehlenden Basketball-Korb, ein kaputtes Flutlicht oder einen Berg aus 75 Tonnen-schweren Findlingen vor einem Wohnhaus geht – mir wird jedes Mal warm ums Herz, wenn ich mir die vor Wut erröteten Gesichter unserer grünen Bezirksregierungs-Vertreter vorstelle. Einmal wurde unsere letzte Bezirksbürgermeisterin, Monika Hermann, sogar richtig sauer und verpasste Herrn Husein einen kräftigen Rüffel. Der Unhold hatte einfach so Frau Hermanns geplante „psychodelische“ Stadtführungs-Prozession für schlappe 5.000 Euro abgelehnt und auf Twitter hinterfragt, wie es eigentlich um die Kreuzberger Schultoiletten steht. Frau Hermann beschwerte sich daraufhin allen Ernstes beim BVV-Vorsteher über die Vorkommnisse und mahnte zu mehr Verantwortung im Umgang mit „zum Teil sensiblen Informationen“ – drohte Husein sogar mit Ordnungsgeld.
Aber Herr Husein lässt sich nicht unterkriegen. Er hat Monika Hermann überlebt und ärgert inzwischen ihre Nachfolgerin Clara Hermann. Auch der lässt er keine „grüne Wohlfühlaktion ohne Substanz“ durchgehen – und dass selbst dann, wenn es nur um (sicherlich steuerfinanzierte) fairtrade Bezirksschokolade geht.
Der selbstständige Rechtsanwalt setzt im Gegensatz zu seinem grünen Kollegen auch auf Bürgerbeteiligung und hinterfragt die allseits propagierte Kreuzberger Sehnsucht nach autofreien Straßen. Das geplante Verbot privater Parkplätze im Gräfekiez kommentierte er gegenüber der BZ so: „Hier werden alle Anwohner für einen Versuch in Haft genommen und sollen dafür auch noch bezahlen. Ich hoffe, dass jemand dagegen klagt – ich würde ihm als Rechtsanwalt zur Verfügung stehen“ – das wäre doch mal Einsatz.
Timur Husein kämpft für das, was ich mir für Kreuzberg (unter anderem) auch wünschen würde: Weniger Kriminalität, mehr Polizei und keine sinnlose Steuergeldverschwendung. Statt bescheuerten Parkletts könnte man unser Geld zum Beispiel für die neue Polizeiwache am Kottbusser Tor – einem der gefährlichsten Orte in ganz Berlin, voller Junkies, Dealer und Taschendiebe – ausgeben. SPD, Linke und Grüne sind da nicht so „amused“, aber wie sagt Herr Husein: „Sicherheit kostet Geld, keine Sicherheit kostet Freiheit“. Und da kann ich ihm aus 26-Jahren Kreuzberg-Erfahrung als junge Frau nur aus vollem Herzen.
Ich hoffe, dass Herr Husein den Kreuzberger Grünen noch viele schlaflose Nächte bereitet. Es gibt viel zu wenig Politiker, die den Dreck auf den Tisch hauen, statt in unter den Teppich zu kehren