Tim Röhn und die Kunst des Presseanfragen-Terrors

Von Larissa Fußer | Andere zu loben ist schwer, vor allem, wenn man es ernst meint – das hat glaube ich mal Konfuzius oder Dieter Bohlen gesagt. Ich möchte es trotzdem mal versuchen.

Lieber Tim Röhn, Du hast mir so manchen tristen Tag im letzten Lockdown-Winter versüßt. (Ich kann dich doch dutzen, oder? So unter Kollegen und so..) Und bevor jetzt jemand was sagt, nein Du bist nicht wirklich mein Typ. Immerhin definierst Du dich immer noch ganz schön über deine ehemalige Arbeit als Migrations- und Kriegsreporter in Afghanistan und haste nicht gesehen – das nervt ein bisschen. Dennoch: Im letzten dreiviertel Jahr habe ich allzu oft an einem Sonntag, Montag, Mittwoch (es gab keinen Unterschied) auf dem Sofa gesessen, Twitter durchgescrollt – und mich dann über einen deiner Tweets gefreut. Manchmal hast Du eine Corona-Statistik in Frage gestellt und selber einmal nachgerechnet, andere Male hast Du Presseanfragen gepostet, auf die Du keine oder nur unverschämte Antworten bekommen hast.

Es hat Spaß gemacht, deine Reportagen für die WELT quasi „work in progress“ zu verfolgen – vor allem aber warst Du einer der wenigen Journalisten, der beim medialen Ungeimpften-Bashing nicht mitgemacht hat. Du warst nicht gegen die Impfung, aber Du hast den damaligen gesellschaftlichen Konsens, die Umgeimpften würden die Infektionszahlen in die Höhe treiben, hinterfragt und widerlegt, wo Du nur konntest. Und Du hast durch deine Recherche Fakten geliefert in einer Zeit, in der wohl viele Menschen das Gefühl hatten, keiner der mit dem Megafon verbreiteten Coronazahlen noch vertrauen zu können.

Los ging das im letzten Dezember 2021. Da hast Du diese große Nummer aufgedeckt, dass in Bayern und Hamburg die offiziellen Ungeimpften-Inzidenzen massiv verfälscht waren, weil alle Neuinfizierten ohne bekannten Impfstatus den Ungeimpften hinzugerechnet wurden. Das war nicht ohne – immerhin hatten Markus Söder und der Hamburger Bürgermeister Peter Tschentscher die Zahlen als Begründung für ihre harten Lockdownmaßnahmen für Ungeimpfte verwendet. Wie Du das hingekriegt hast, hast Du neulich mal in einem Interview mit dem „KOM“- Magazin erzählt. Dir kamen die hohen Ungeimpften-Inzidenzen in Deutschland komisch vor, da hast Du „einfach mal nachgefragt bei der Pressestelle des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit in Bayern“. Und dann herausgefunden, dass „in einer Woche 70 Prozent der Fälle nicht bekannt waren – und eben den Ungeimpften zugerechnet wurden“.

Dasselbe hast Du in Hamburg versucht. Da allerdings ohne großen Erfolg. Die Behörden der Hansestadt wollten euch die Daten nicht geben und da bist Du dann etwas wild geworden und hast zusammen mit eurer WELT-Rechtsabteilung den Hamburger Senat auf Herausgabe von Unterlagen nach dem Hamburger Transparenzgesetz verklagt. Da bin ich etwas neidisch muss ich sagen, wir Apollos haben zwar erstaunlich viele Jura-Studenten in unseren Reihen, aber noch keine Rechtsabteilung, die wir auf namenhafte Politiker loslassen können. Dahingehende Bewerbungen können übrigens gerne jederzeit an unsere Redaktion geschickt werden.

Aber zurück zu dir, Tim. Na der Inzidenzen-Nummer bist Du erst richtig durchgestartet. Seit Kurzem bist Du nun Chefreporter der WELT und Leiter des Ressorts Schwerpunktrecherche – und dein neues Ziel Nummer eins heißt Lauterbach. Über dreißig Artikel hast Du im letzten halben Jahr über unseren Gesundheitsminister veröffentlicht. Jeder einzelne ist befriedigend vernichtend. Zuletzt hast Du durch deine Recherchen öffentlich gemacht, dass Lauterbach offensichtlich versucht, die vom Bundestag angewiesene Evaluation der Coronamaßnahmen zu behindern. Noch bis Ende Juni 2022 soll ein Sachverständigenrat ein Gutachten darüber veröffentlichen, welchen Nutzen und welchen Schaden die Corona-Politik von Bund und Ländern gebracht hat. Mehr als überfällig, würde wohl jeder vernünftige Mensch sagen. Nur Lauterbach kriegt offenbar Muffensausen und dreht – laut deiner Recherche – nun komplett durch.

Ende April hat er in Eigeninitiative den Vorsitzenden des Sachverständigenrats Stefan Huster angerufen und gesagt, dass die Maßnahmenevaluation verschoben werde. Obwohl er das gar nicht ohne Zustimmung von Bundestag und Bundesregierung entscheiden durfte. Pech nur, dass Herr Huster das wusste und seinen Ratskollegen mitgeteilt hat. Im Moment plant der Rat nach wie vor seinen Bericht fristgemäß abzugeben. Und ich bin mir sicher, falls nur einer der Mitglieder wackelt, wirst Du seiner Pressestelle Feuer unterm Hintern machen.
Also Tim, Hut ab für dein ständiges Finger in die Wunde legen! Wir von Apollo teilen deine Leidenschaft für’s Investigative. Und sicher gibt’s auch einige Mädels, die auf dein Kriegsreporter- Image stehen.

PS.: Jetzt wo wir das mal klargestellt haben, eine Sache noch. Wie Du siehst, sind wir bei Apollo immer vorne dabei, jedem die Ehre zukommen zu lassen, dem sie auch gebührt. Du leistest gute Arbeit und das verdient Anerkennung, egal ob Du für die Konkurrenz arbeitest oder nicht. Leider kann man das gerade von der Welt nicht sagen. Wir waren doch schon sehr erstaunt, als wir die Bilder der Berlin-Akten, die wir selbst gemacht haben, in deiner Zeitung gesehen haben – ohne Verweis auf Tichys Einblick oder was auch immer. Wir kritischen Journalisten müssen doch zusammen arbeiten. Also wenn Du da vielleicht was drehen könntest, würden wir Dich bestimmt noch besser finden…