Studienfinanzierung von Jobaussichten abhängig machen – überfällig oder kaltherzig?

Von Oskar Fuchs | Großbritannien hatte dieses Jahr eine ausgebuffte Idee: Studenten sollen ihre Studiengebühren nur noch vom Staat erstattet bekommen, wenn die Studiengänge nachweislich Zukunft haben. Konkret geht es darum, dass nur noch staatliche Kredite für Studiengänge vergeben werden sollen, bei denen mindestens 60% aller Absolventen nach dem Studium innerhalb von sechs Monaten einen Job finden.
Wäre das nicht auch eine grandiose Idee für Deutschland? Wir alle kennen die langhaarigen 30-jährigen Studis der Geisteswissenschaften, die sich ihr Leben durch die Vergütungen des AStA bestreiten und schon lange nicht mehr vorhaben, überhaupt mal einen Abschluss zu machen.
Jährlich kommen 400.000 Erstsemester an unsere Universitäten – bei einer Abiturientenquote von inzwischen fast 50% an den Schulabgängern auch kein Wunder. Sie verteilen sich auf 20.185 Studiengänge an 585 Hochschulen in Deutschland. Neben den „Genderstudies“ finden sich hier unzählige Exoten, die man als Normalsterblicher nicht für möglich halten würde: Coffee Management, angewandte Sexualwissenschaft, Ufologie oder Eurythmie – also das mit einem Bachelor zertifizierte Tanzen des eigenen Namens. All das kann man in Deutschland studieren, obwohl man – wenn man mal ehrlich ist – danach direkt zum Arbeitsamt oder zur Taxischule laufen kann. Der Abschluss ist eher eine Teilnahmeurkunde als eine Auszeichnung – kein Arbeitgeber interessiert sich für sie.
Vielen jungen Leuten ist das offenbar herzlich egal. Das Studium soll für sie nahtlos an die Phase der Selbstfindung nach dem Abitur anknüpfen, es will studiert werden, was Freizeit gewährt, Spaß macht und natürlich kostenlos ist. Regelstudienzeit oder Leistungsdruck stören hier nur. Und natürlich hat das auch einen anderen Vorteil: Wer sich später weder Auto noch Urlaub leisten kann, gerät nicht in den Verdacht, ein Klimasünder zu sein.
Ich frage mich ja: Haben die Briten nicht recht? Müssen die Steuerzahler zehntausenden Studenten von Orchideen-Fächern wirklich Studium, ÖPNV und Wohnen finanzieren? Schließlich kostet ein Bachelorstudium in Regelzeit den Staat im Durchschnitt 41.500€! Und seien wir mal ehrlich: Für uns junge Leute hätte diese neue Regel auch Vorteile. Immerhin brechen sehr viele ihr Studium nach kurzer Zeit ab, weil sie merken, dass es doch nichts für sie ist. Wenn der Staat jedoch die Finanzierung von bestimmten Studiengängen einstellen würde, würden wir die Wahl des Studiums mehr überdenken und erstmal herauszufinden, was uns wirklich taugt, bevor wir uns irgendwo einschreiben.
Nun ja, ganz sicher bin ich mir damit aber nicht. Man muss ja auch sagen: Durch die neue Regel würde sich die Zahl der begehrten Studienplätze drastisch reduzieren – und der Kampf um eine Zulassung würde vermutlich unerbittlich und blutig werden. Dies wiederum könnte zu einer Noteninflation an den Gymnasien unseres Landes führen, schließlich müssen deren Rektoren an unseren Elternabenden garantieren können, dass ihre Absolventen das heiß begehrte Ticket an die Universität lösen können. Da droht das nächste Übel bei den PISA-Tests!
Ich denke mir außerdem: Unser Land definiert sich doch nicht nur über Volkswagen, Siemens und das BGB – als Kulturnation leisten wir uns zahllose Theater, Orchester und historische Gebäude. Und das ist gut so, schließlich haben auch Philosophen, Musiker und Künstler unser Land entscheidend geprägt und den deutschen Kulturraum bis heute nahezu unvergleichbar gemacht.
Was wäre aus den genialen Geistern geworden, hätten man Ihnen nicht den nötigen Raum für ihr geistiges Schaffen gelassen? Wäre das Land, in dem Flugzeug, Auto, Computer und Strom erfunden wurden, nicht nackt und langweilig ohne seine Kultur?
Auch bei den Apollos ist zu bemerken, dass die Schulabgänger aus dem kleinen liberal-konservativen Lager ganz selbstverständlich Ärzte, Juristen und Unternehmer werden wollen. Dies hat auch den angenehmen Vorteil, dass man nach dem FFF-Irrsinn an den Schulen unter Gleichgesinnten sein kann.
Doch trotz dieser Verlockung linke Sümpfe trocken zu legen, halte ich die Idee aus England für unglücklich. Ist es nicht auch eine Errungenschaft unseres Staates, dass wir jedem die Chance geben, seine Selbstverwirklichung zumindest temporär zu betreiben, ohne dem Druck finanzieller Ungewissheiten ausgesetzt zu sein oder bis zur nächsten Deadline schauen zu müssen? Gerade jetzt kurz vor meiner Abschlussprüfung denke ich mir manchmal: Ein bisschen Germanistik oder Philosophie nach dem Abi wären nicht sooo schlecht gewesen.
Ärzte, Juristen und Unternehmer wollt ihr also werden. Schön und gut! Hauptsache nicht irgendwas mit Medien, oder gar Soziologin oder Politologe.
Aber: wie wäre es mit Ingenieuren und Naturwissenschaftlern – oder ist das für euch ebenso zu anstrengend wie für die linksgrünwoke Blase? 😉
Hallo Apollo Team,
als jemand der einen Abschluss in zwei Orchideenfächern hat, sympathisiere ich ehrlich gesagt mit dieser britischen Idee. Musste nach den ersten Arbeitserfahrungen mich praktisch wieder neu erfinden, habe mich in Programmieren weiterentwickelt und arbeite nun in der IT. Alle Freunde, die einen geistes-, kultur- oder sozialwissenschaftlichen Studienhintergrund haben, arbeiten in Jobs, die absolut nichts mit ihrer „Studienqualifikation“ zu tun haben. Man muss auch ehrlich sagen, dass der Quereinstieg heutzutage einfacher ist als noch vor einigen Jahren. Aber dennoch mein Rat: Wenn man solch ein Fach wählt, sollte man schon wirklich großes Interesse daran haben und schauen, ob man als Zweitfach nicht was Nützlicheres, wie z.B. BWL, Informatik o.ä. hinzunimmt. Mich nervt auch inzwischen dieses infantile Anspruchsdenken „Ich habe ein Recht irgendeinen Quatsch wie Genderstudies zu studieren und alle Kosten dazu, hat gefälligst die Allgemeinheit zu tragen!…
Schönen Donnerstag an Alle und viele Grüße