Stromausfall auf Korfu oder: Wie man eine Apokalypse plant

Von Larissa Fußer | Mein Handyladung stand auf 10 Prozent. Das Nachrichtenlesen auf unser griechischen Sonnenterasse hatte mir meinen Akku leergesaugt – genervt suchte ich nach meinem Aufladekabel und steckte schließlich mein Handy an die weiße Vorrichtung. Nichts. Hatte sich Sand in meinem Ladezugang angesammelt? Konnte eigentlich nicht sein, wir haben hier ja Kiesstrand. Ideenlos pustete ich trotzdem auf die Unterseite meins Handys. Doch es fing immer noch nicht an zu laden. Jetzt war ich langsam genervt. Ein Wechsel der Steckdose, ein anderes Ladekabel, ein Neustart des Handys – nichts half. Als ich schließlich einigermaßen gereizt den Kühlschrank öffnete, um mir einen Saft zu holen, stockte ich. Im Kühlschrank war das Licht aus und er kühlte auch kaum noch. Ich lief zu verschiedenen Lichtschaltern im Apartment und versuchte, sie anzuschalten. Nada. Kein Strom. Nirgends. Da ging mir ein Licht auf beziehungsweise aus: Wir hatten einen Stromausfall.
Es war nicht der erste. Schon zwei mal hatten in den letzten Tagen die Cafébesitzer am Strand plötzlich nur noch Salate statt Buletten verkauft, weil ihnen für ein paar Stunden der Strom fehlte. Abends, wenn ich vom Strand zurück in den Ort lief, war aber immer wieder alles normal gewesen. Nun erlebte ich den Stromausfall zum ersten Mal abseits des Strands. Mürrisch putze ich mir in einem stockdüsteren Bad die Zähne und schloss mein Handy an die Powerbank an. Das funktionierte dann.
Auf dem Weg zum Strand ging ich in einen kleinen Supermarkt, um mir Essen zu kaufen und sah die griechische Ladenbesitzerin schimpfend mit Verlängerungskabeln hantieren. Als sie schließlich zwei Kabel zusammensteckte ging das Licht im Laden und in den Kühlregalen wieder an. Offenbar hatten die Supermärkte Notstromaggregate. Anklagend hob die alte Griechin die Arme in die Höhe. Ich versuchte ihr auf Englisch zu sagen, dass bei uns auch der Strom ausgefallen war. Sie hob kurz den Kopf, um mich anzusehen, dann aber kam ein alter Grieche in den Laden, auf den sie sich sofort schimpfend stürzte.
Ich verließ den Supermarkt und ging ein paar Meter weiter in ein Reisebüro, das nur deshalb nicht komplett dunkel war, weil durch die große Glasfassade noch genug Licht fiel. „What’s going on?“, fragte ich den Herren am Schalter. Aufgebracht erzählte er mir, dass es diesen Sommer ständig Stromausfälle gebe. Die Ursachen seien nicht ganz klar. Man munkle, dass ein Brand im Nachbarort Schuld sei, er halte von dieser Theorie aber nichts. „Früher gab es hier sowas nie“, sagte er. „Ich kann nicht arbeiten, ich habe kein WLAN, selbst das mobile Internet funktioniert nicht mehr richtig.“ Wütend deutete er auf seinen schwarzen Computerbildschirm. „Meistens werden wir vorher angerufen, wenn sie den Strom cutten. Dann sagen sie, es muss was repariert werden, deswegen gibt es morgen zwischen 8:00 und 13:00 Uhr keinen Strom. Aber heute wurden wir überrascht.“ Er telefoniere schon den ganzen Tag herum, um zu erfahren, was los sei, aber niemand wisse was. Deswegen könne er mir leider überhaupt nicht helfen.
So langsam machte sich ein mulmiges Gefühl in meiner Magengegend breit. Als ich wieder auf die Straße ging und in Richtung Meer spazierte, sah ich über die ganze Strecke nur dunkle Läden. Überall schlugen Griechen die Hände über dem Kopf zusammen, schimpften und telefonierten. Der Strom war offenbar im ganzen Ort futsch. Meine Hand bewegte sich zum Handy in meiner Tasche, das immer noch an der Powerbank hing. Für ein bis zwei Handyladungen würde der Akku noch reichen, dann aber war Sense. Kurz flackerte die Angst in meinem Bauch auf. Erwartet uns so etwas demnächst auch in Deutschland? Hier in Griechenland ist es ja immerhin warm und die Supermärkte sind offenbar an Stromausfälle angepasst – doch was mach ich denn im Dezember in Berlin?
Ein paar Momente später saß ich mit meinen Freundinnen im Strandcafé. Bei einem griechischen Salat planten wir die Apokalypse. „Wir müssen einfach schnell sein“, sagte meine eine Freundin. „Am besten buchen wir sofort ein Flugticket – solange unsere Handyladung das noch mitmacht.“ „Aber funktionierten die Flughäfen überhaupt noch ohne Strom?“, fragte die andere. Kurz guckten wir uns starr an. „Dann fahren wir halt Auto, das Benzin reicht bis nach Polen – und da gibt’s wieder Strom“, sagte ich. „Die Idee werden auch andere haben“, merkte eine Freundin an. „Wir sollten dann unbedingt Schleichwege nehmen.“ Mir war zum Lachen und Weinen gleichzeitig zumute.
„Wir werden dann Krisenberichterstatter“, sagte meine Apollo Kollegin Pauline später zu mir, als wir vom Strand in den Himmel blinkten. „Ja“, schmunzelte ich. „Aber von Malle aus. Wir können dann ja Drohnen nach Berlin schicken und uns die Lage per Video ansehen. Das wird schon.“ Nach fünf Stunden kam der Strom zurück. Die Apokalypse war vorerst aufgeschoben.
Leider hab ich auch keine Idee, was beim Blackout zu tun ist … ins Auto setzen und einfach nur weg? Wenn es jemand besser weiß: bitte melden! 😊