Sie ist wieder da – Die Inflation

Von Jonas Aston | Als ich das letzte Mal über die Inflation schrieb, hatte die EZB gerade ihre Inflationsprognose von 1,7 % auf 3,1 % erhöht. Grund: Man hatte sich verrechnet und die explodierenden Energiepreise nicht einkalkuliert. Eine Meldung, die wohlgemerkt Wochen vor dem Ukraine-Krieg veröffentlicht wurde. Tatsächlich steigt die Inflation schon seit über einem Jahr kontinuierlich an. Mit Beginn des Krieges haben die Teuerungsraten noch einmal kräftig zugelegt. Inzwischen soll die Inflation bei 7,4 % liegen, wobei jeder weiß, dass diese Zahlen noch geschönt sind. Dies ist der höchste Wert seit dem ersten Golfkrieg im Herbst 1981 und viele Wirtschaftswissenschaftler fürchten, dass die Inflation weiter ansteigen wird. Immer mehr Menschen wissen nicht, wie sie sich noch die steigenden Mieten und vor allem horrenden Strompreise leisten sollen. Einige Kommilitonen denken über die Aufnahme eines Studienkredits oder sogar den Abbruch des Studiums nach.
Dabei erschien den Deutschen die Inflationsthematik lange als völlig irrelevant. Bis zum Ausbruch des 1. Weltkrieges führte der Brockhaus den Begriff „Inflation“ nicht einmal als eigenes Stichwort. Vor rund 100 Jahren änderte sich dies drastisch. Die Hyperinflation in den Jahren 1922/23 zerstörte die Ersparnisse einer ganzen Generation. Und die Entwertung der Kriegsanleihen zerstörte das Vertrauen von Millionen Bürgern in den Staat.
Die heutige Situation weist einige Parallelen zu der damaligen auf. Krieg und offensichtlich auch Corona kosten den Staat eine Menge Geld. Dieses Geld wurde nicht durch staatliche Mehreinnahmen, sondern durch Kreditaufnahme bei der Zentralbank besorgt. Dies führte zu einer Ausweitung der Geldmenge. In beiden Fällen (Krieg und Corona) stand bzw. steht dem Geldüberhang keine Erhöhung der Ressourcen gegenüber. Ganz im Gegenteil: Die Weimarer Republik musste auf Grundlage des Versailler Vertrages absurde Geld- und Materialleistungen an die Kriegsgewinner zahlen. Die Bundesrepublik muss unverhofft ihr Verteidigungsbudget drastisch ausweiten. Hinzu kommen noch einmal erhöhte Energiepreise durch den Ukraine-Krieg.
Die EZB steht nun vor einer Bewährungsprobe. Bei aller Kritik ist es ihr in den vergangenen Jahren relativ gut gelungen die Preisstabilität zu gewährleisten. Das Inflationsziel von „nahe zwei Prozent“ wurde meist erreicht. Das war in einem völlig inflationsberuhigten Umfeldallerdings auch keine große Leistung. Nun, wo die Inflation anläuft, stünde die EZB in der Pflicht ihre Geldpolitik zu straffen, also zum Beispiel Käufe von Anleihen zu beenden und vor allem den Leitzins zu erhöhen. Wie einst die Reichsbank steht auch heute die EZB dabei vor einem Dilemma. Im Deutschland der 1920er Jahre hätte die Erhöhung des Leitzinses die Implosion des deutschen Staatshaushaltes bedeutet. Ähnlich ist die Situation heute in einigen südeuropäischen Staaten. Ein höherer Zins würde etwa für Griechenland, Spanien und Italien deutlich höhere Staatsausgaben bedeuten, die sie sich wohl nicht leisten könnten. Auch die EZB dürfte folglich den Zins viel zu spät anheben, da ihr die Inflation insgesamt als das kleinere Übel erscheint.
Doch es gibt auch deutliche Unterschiede zu der Situation vor 100 Jahren. Damals war den Bürgern die Gefahr der Inflation nicht bewusst. Durch die Totalität des Kaufkraftverlustes sind die Deutschen inzwischen äußerst inflationssensibel. Schon bei – im Vergleich zum Jahr 1923 – geringen Inflationsraten wird ein Gegensteuern der Politik gefordert. Eine Hyperinflation wie vor rund 100 Jahren ist also nicht zu befürchten.