Seit einem Dreiviertel Jahr werden Coronamaßnahmen nicht mehr im Bundestag entschieden

Von Jerome Wnuk | Seit Monaten ist die Diskussion über die Maßnahmen gegen den Corona-Virus, welche denn nun angemessen und sinnvoll und welche unangemessen und bloßer Aktionismus ist, eine der brisantesten Diskussion auf der ganzen Welt. In Deutschland bekommt man egal wo man ist und was man macht von dieser Diskussion mit. In vielen  ARD-Brennpunkten, auf Twitter oder anderen sozialen Netzwerken, in den Nachrichten oder den Zeitungen, immer geht es um Corona und den mit der  Bekämpfung zusammenhängenden Maßnahmen.

Nur in dem Gebäude inmitten von Berlin das vor 130 Jahren dafür gebaut wurde, um politische Debatten zu führen, fand seit einem dreiviertel Jahr keine Diskussion über wesentliche Corona-Maßnahmen statt – dem Reichstagsgebäude. Solch fundamentalen Entscheidungen und Verordnungen werden nicht im Bundestag diskutiert, sondern das ist dann doch lieber Aufgabe der Regierung.  Das ist „Chefsache“ würde Gerhard Schröder sagen. 

Dauerhafte Schäden für die Demokratie 

Eine beunruhigende Entwicklung. Diese Tatsache sorgt auch bei vielen Politikern für Kritik – verständlicherweise. „Wenn wir als Parlament unsere Aufgabe jetzt nicht wahrnehmen, dann hat die Demokratie einen dauerhaften Schaden. Es ist die Aufgabe des Parlaments, wesentliche Entscheidungen zu treffen, und nicht die Aufgabe von Regierungsmitgliedern“ sagte Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki gestern.

 „Seit nunmehr fast einem Dreivierteljahr erlässt die Regierung in Bund, Ländern und Kommunen Verordnungen, die in einer noch nie da gewesenen Art und Weise im Nachkriegsdeutschland die Freiheiten der Menschen beschränkt, ohne dass auch nur einmal ein gewähltes Parlament darüber abgestimmt hat“, meinte SPD-Rechtsexperte Florian Post.

Gesundheitsminister Jens Spahn geht jetzt sogar noch weiter. Er möchte jetzt seine Sonderrechte mit einem dritten „Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ dauerhaft beibehalten.  Klar in einer Krise ist teilweise schnelles Handeln notwendig, aber das ein Mann zum „Schutz der Bevölkerung“ alleine Verordnungen erlassen kann und das nicht nur für kurze Zeit, sondern dauerhaft, ist wirklich nicht zielführend.

Gebt den Volksvertretern wieder eine Stimme

So langsam nerven mich diese teils völlig unverhältnismäßigen Vorschläge zur Pandemiebekämpfung – wie zum Beispiel ganze Bezirke oder Landkrise regelrecht abzuschließen – die von der Regierung nicht ausgeschlossen, sondern als „mögliches Mittel“ gesehen werden. Noch fataler ist es dann, dass sogar Verordnungen diewahrscheinlich im Bundestag keine Mehrheit bekommen hätten einfach so durchgebracht werden.  

Nun räche sich, „dass der Bundestag bei der Vorbereitung auf die zweite Welle außen vor gelassen und nur hinter verschlossenen Türen im Kanzleramt diskutiert wurde“, kritisierte Thomas Oppermann in Bezug zu dieser Thematik. Bedenken kommen also nicht nur aus der Opposition.

Und so kann es nicht weitergehen: Anstatt das die Regierung, die alles andere als perfektes Krisenmanagement bewiesen hat, in solch wichtigen Tagen, ganz alleine über so drastische Maßnahmen  entscheidet, sollte der Bundestag in diese wichtigen Diskussionen eingeschaltet werden. Schließlich sollten auch die nicht-regierenden Volksvertreter eine Stimme in so einer wichtigen Diskussion haben.