Sarah Palin: Die Anti-Kandidatin ist zurück
Von Jonas Kürsch | Lange herrschten in den US-Medien wilde Spekulationen über ihr Comeback, jetzt ist es gewiss: die republikanische Politikerin Sarah Palin will zurück auf die politische Bühne. Im Rahmen der diesjährigen Wahlen zum US-Kongress will sie den einzigen Sitz ihres Heimatstaates Alaska im Repräsentantenhaus übernehmen. Die Chancen der umstrittenen Anti-Establishment-Ikone stehen durchaus gut. Sowohl Präsident A. D. Donald Trump als auch die konservative Parteivorsitzende Nikki Haley sprachen ihre Unterstützung für Palin aus. Doch was ist so besonders an dieser umstrittenen Kandidatin?
Mit kontroversen Sprüchen an die Spitze
Palin übernahm erstmals in den 1990er Jahren für die Republikaner ein Mandat im Lokalrat ihrer Heimatstadt Wasilla, zu deren Bürgermeisterin sie einige Jahre später gewählt werden würde. Zu jener Zeit überzeugte sie, ähnlich wie Donald Trump es viele Jahre später tun würde, nicht mit den üblichen Politikerfloskeln. Mit radikalem Selbstbewusstsein sprach sie sich gegen die damals noch neuaufkeimenden Urbewegungen des heutigen Linksliberalismus auf. Besonders die heftig debattierte Verschärfung des Waffenrechts sowie die Legalisierung von Abtreibungen lehnte sie schon damals vehement ab. Ihre kapitalistisch motivierte Wirtschafts- und Steuerpolitik führte zu einem großen Boom in der Kleinstadt. Größere Unternehmen und Einkaufszentren ließen sich nun vorzugsweise in Wasilla nieder und machten die Stadt für Neuanwohner zu einem attraktiveren Wohnort. Die Stadtbevölkerung wuchs während ihrer Amtszeit somit um knapp ein Viertel an.
Von 2003 bis 2004 war Palin Mitglied der Kommission für die Öl- und Gasvorkommen in Alaska, den sie eigenen Angaben zufolge aufgrund von lobbyistischen Amtsverfehlungen ihrer Parteigenossen nach kurzer Zeit wieder verließ. 2006 setzte sie sich dann während der republikanischen Vorwahlen gegen Alaskas Gouverneur Frank Murkowski durch und wurde anschließend zur ersten weiblichen Gouverneurin des Bundesstaats gewählt. Ihre dreijährige Amtszeit gilt als starkumstritten. Zum einen wird sie für ihre wirtschaftsfreundlichen und teils ungewohnt sozialen Investitionsprogramme auch heute noch hochgelobt. Zum anderen wird ihr nachgesagt, sie habe unliebsame Beamte versucht mit unlauteren Mitteln aus dem Dienst zu entlassen und die in Alaska florierende Öl- und Gaslobby geradezu hofiert.
Im Jahr 2008 erreichte Palin den (jetzigen) Höhepunkt ihrer Karriere: der republikanische Präsidentschaftskandidat John McCain will mit ihr als Running Mate Barack Obamas erste Amtszeit verhindern. Im Falle eines Scheiterns McCains galt Palin in manchen Kreisen sogar schon als gesetzte Präsidentschaftskandidatin für die nächste Wahl im Jahr 2012. Doch der Wahlkampf wurde zu einer regelrechten Aneinanderreihung von Pannen: so musste die dezidiert christlich auftretende und Sex vor der Ehe ablehnende Palin ihren religiösen Anhängern nun erklären, warum die eigene, minderjährige Tochter ein uneheliches Kind erwarte. Auch ihre außenpolitische Unerfahrenheit schreckte viele Wähler vor der kontroversen Kandidatin ab.
Auch die von Sarah Palin verwendeten Wahlkampfslogans sorgten häufig für großes Kopfschütteln, da sie eher an billige Werbesprüche erinnerten, kaum aber als echte politische Visionen ernstgenommen wurden. So versuchte sie unter anderem mit dem Spruch “Drill, baby, drill!“ für das umstrittene Fracking zur Erdgasgewinnung zu werben. Im Zusammenspiel mit der durch die Bush-Administration starkvorangetriebenen Wirtschafts- und Finanzkrise versanken die Republikaner letztlich in einem fatalen Umfragetief: das McCain-Palin-Ticket verlor die Wahl haushoch.
Palins Abkehr vom Partei-Establishment
Infolge der immer stärker ausufernden Wohlfahrtspolitik des frischgewählten Präsidenten Obama wurden staatliche Wirtschaftseingriffe zur gängigen Praxis. Besonders die nationale Neuverschuldung stieg unter Obama in seit den 1970er Jahren nicht mehr gekannte Höhen an (obwohl George W. Bush im Zuge der Weltwirtschaftskrise für solche Maßnahmen bereits die Weichen gestellt hatte). Als Gegnerin dieses immer größer werdenden Etatismus entfernte Palin sich endgültig vom politischen Establishment der USA. Ab 2010 wurde sie zu einer Galionsfigur der libertären Tea-Party-Bewegung, die eine kollektivistische Vergemeinschaftung von Schulden, wie von den Demokraten propagiert wurde, auch heute noch mit lautstarkem Protest ablehnt.
In die aktive Politik kehrte Palin seit der verloreneren Vizepräsidentschaft allerdings nicht mehr zurück. Es wurde still um den einstigen Shootingstar der Republikaner. Dies änderte sich erst mit dem Tod von Alaskas Kongressabgeordneten Don Young, den Palin nun zu beerben versucht.
Die Anti-Harris und Anti-Baerbock
Nun hat Palin sich in den republikanischen Vorwahlen durchgesetzt und wird in diesem Jahr erstmals für die Republikaner als Kandidatin bei den midterm elections ins Rennen gehen. Ihre Chancen zum Sieg stehen gut, schließlich gilt Alaska als einer der konservativen Red States. Auch die meisten Umfragen gehen hier von einem republikanischen Sieg bei den Kongresswahlen aus. Allerdings sehen linke Vertreter der Mainstream-Presse (in den USA und auch in Deutschland) in ihren radikalen, manchmal auch unrealistischen Forderungen seit jeher eine große Gefahr für die Demokratie. Besonders für ihre teils recht offensichtliche Unerfahrenheit im Bereich der Außenpolitik kritisierte man Palin schon immer mit aller Schärfer. Diese Doppelmoral ist höchstinteressant, denn schließlich erfüllt Palin doch das einzige Kriterium, das für die Neuen Linken heute noch von Bedeutung ist: sie ist eine Frau.
Warum gilt bei Palin auf einmal wieder die Kompetenz als wichtiges Kriterium zur Vergabe von politischen Ämtern? Bei Annalena Baerbock und der inzwischen häufig als „unbeliebteste Vizepräsidentin aller Zeiten“ betitelten Kamala Harris reichte das weibliche Geschlecht doch auch aus. Vor allem drängt sich die Frage auf, weshalb Zeitungen wie die WELT Sarah Palin als „Grande Dame des republikanischen Irrsinns“ bezeichnen, dann aber ohne Probleme behaupten, dass die wesentlich unerfahrenere und schon jetzt an der Realität gescheiterte Grünen-Außenministerin Annalena Baerbock „einen guten Job“ mache? Und weshalb haben die US-amerikanischen Medien im Rahmen von Joe Bidens Wahlkampf im Jahr 2020 ausnahmslos positiv von seiner Vizepräsidentschaftskandidatin berichtet, während Palin im Jahr 2008 sich vom ersten Tag an mit einer unüberwindbaren Mauer aus journalistischen Schimpftiraden konfrontiert sah?
Auch die nicht enden wollende Dämonisierung ihrer (und das gebe ich gerne zu!) teilweise wirklich abenteuerlichen Statements ist ein weiteres Beispiel dieser medialen Doppelzüngigkeit. Ihr Spruch “The only thing that stops a bad guy with a nuke is a good guy with a nuke“ wird von Journalisten als dumm und unwissend diffamiert, aber wenn Annalena Baerbock intellektuelle Ergüsse wie „Das Schwert, was nach dem härtesten klingt, muss nicht immer das cleverste sein“ von sich gibt, sei das Ausdruck ihres außenpolitischen Fachwissens. Geht’s noch?
Es ist gut möglich, dass Palin keine ideale Politikerin ist, aber wenigstens ist sie ihrer politischen Leitlinie treugeblieben und setzt sich auch heute noch für die wirtschaftliche Unabhängigkeit des einzelnen Bürgers ein. Zudem trat sie in den vergangenen Jahren vermehrt als Kämpferin gegen die im Rahmen der Coronakrise weitervorangetrieben Grundrechtseinschränkungen auf und machte sich einen Namen als Skeptikerin der verfassungswidrigen Pandemiebekämpfungsmaßnahmen. Sie ist für viele Menschen zu einem Symbol gegen politische Korrektheit und den kollektivistischen Wokeismus unserer Zeit geworden. Sie steht für all jene Werte des normalen Bürgers, die von den Kamala Harrises und Annalena Baerbocks dieser Welt mit arroganter Selbstgerechtigkeit verachtet werden.
In Anbetracht der Tatsache, dass die amerikanische Bevölkerung allen Umfragen zufolge genug von Joe Biden, Kamala Harris und der ideologischen Planwirtschaftspolitik der Demokraten hat, könnte der Geist der antisozialistischen Tea-Party-Bewegung in den nächsten Jahren aufblühen. Und wer weiß: Donald Trump hat bislang noch keine Äußerungen über einen möglichen Vizepräsidentschaftskandidaten an seiner Seite für die kommende Präsidentenwahl gemacht. Vielleicht wird es ja Zeit für eine Frau in diesem Amt – nur dieses Mal für eine mit republikanischem Parteibuch.
„I am a conservative Republican, a firm believer in free market capitalism. A free market system allows all parties to compete, which ensures the best and most competitive project emerges, and ensures a fair, democratic process.“ – Sarah Palin
Bildquelle: Sarah Palin CPAC 2015 via Wikimedia Commons
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