Rückwärts immer vorwärts nimmer: Mit taz-Herrmann ins Jahr 1978
Von Jonas Aston | Vor einigen Monaten machte Herrmann beim „taz lab“, einem alljährlichen Debattenforum der taz auf sich aufmerksam. Dort legte sie dar, wohin grüne Politik zwangsläufig führt und das der Wirtschaftsstandort Deutschland mit grüner Energie nicht aufrecht erhalten werden kann. Wenn man die Chemieindustrie grün „transformieren“ wolle, würde man jährlich 685 Terrawattstunden Benötigen. Zum Vergleich: 2021 wurden in ganz Deutschland 508 Terrawattstunden verbraucht. Ähnliche Probleme sieht Herrmann in der Zement- und der Stahlindustrie.
Der grüne Umbau der Wirtschaft führe zwangsläufig zu einer schrumpfenden Wirtschaft und da es eine schrumpfende Wirtschaft im Kapitalismus nicht geben kann, werde auch dieser faktisch abgeschafft. Dem Wähler werde erzählt, dass mit Windrädern sämtliche Probleme abgefedert werden könnten. Doch die Probleme seien so groß, „dass man sie im politischen Alltag nicht denken kann“. Die Wahrheit hört sich Herrmann zufolge so an: „Wir müssen raus aus dem Wachstum, der Verbrauch muss sich halbieren, Kapitalismus ist nicht mehr und die Automobilindustrie müssen wir eigentlich schließen, obwohl dort 1,75 Millionen Menschen direkt und indirekt beschäftigt sind.“
Man weiß gar nicht, ob man Ulrike Herrmann loben oder kritisieren soll. Immerhin versteht sie, dass man ein Land Grün „transformieren“ oder Wachstum haben kann, „Grünes Wachstum“ aber ein innerer Widerspruch ist. Andererseits ist sie von diesen Zukunftsaussichten mehr als angetan. Schließlich laufe uns die Zeit davon und man habe eine Verantwortung gegenüber dem globalen Süden. Das kapitalistische System sei in Zeiten der Klimakrise nicht mehr tragbar.
Herrmanns Äußerungen klingen nach 1984, doch tatsächlich möchte sie noch weiter zurück nämlich in das Jahr 1978. Herrmann hat ein Werk dargelegt, dass Marx Kapital in den Schatten stellen könnte. Bei Markus Lanz durfte sie gleich mal Werbung für ihr Buch machen. Zunächst faselt Ulrike Herrmann etwas von Ökostrom, spricht von Solar-Paneelen und Windrädern und kommt zum Schluss, dass der Energieverbrauch in Deutschland etwa um die Hälfte sinken muss. Mehr Energie könne der Ökostrom schlicht nicht liefern.
Dann las Lanz einige Zeilen aus ihrem Buch vor: „Wenn wir unsere Wirtschaft um 50% reduzieren würden, dann wären wir so reich wie die Westdeutschen 1978, natürlich waren da viele nicht dabei, aber ich nehme an dass sich noch viele jüngere erinnern wie es war, für die die nicht dabei waren, dass war das Jahr in dem Argentinien Fußballweltmeister war und der der erste Teil von Star Wars in die Kinos kam. Es war ein gutes Leben. Eigentlich hat man gelebt wie heute, es gab keine Fruit-Mangos, es gab keine Erdbeeren im Winter, aber ansonsten war alles wie heute.“
Es gab keine Smartphones ergänzt Herrmann die Auflistung. Doch Herrmann könne die Jugendlichen beruhigen, denn für Smartphones würde die Energie reichen. Lanz liest weiter aus Herrmanns monumentalen Werk: „Man ist auch nicht als Betriebsausflug für 2 Tage nach Mallorca geflogen, sondern lieber nach Italien an den Strand gefahren, aber das ist vielleicht sogar besser, es war etwas entschleunigter“. Lanz hakt nach und fragt, ob man für zukünftige Urlaube wieder mit dem Auto über den Brenner nach Italien fahren würde. „Mit dem Auto eben auch nicht mehr“ erklärt die entrüstete taz-Wirtschaftsexpertin.
„Die Energie wird nicht reichen für private Autos“ auch Energie-Autos seien eine „Sackgasse“. Die Flughäfen könne man ebenfalls gleich einstampfen: „Was nicht geht sind Flüge, aus meiner Sicht gar nicht weder kurz noch Langstreckenflüge.“ Neubauten gibt es praktisch gar nicht mehr. Zement verbraucht nämlich eine Menge Co2. Sie essen gerne Fleisch? Wird rationiert! Zudem werde das Finanzsystem kollabieren: „In dem Moment, wo die Wirtschaft schrumpft, ist es so, dass die Banken zwingend zusammenbrechen“. In der Runde machte sich Ungläubigkeit breit. Herrmann entgegnete: „Jetzt lachen hier alle ich weiß gar nicht wieso?“
Neben Herrmann waren noch Steffi Lemke (Grüne) und der Investor Frank Thelen zugegen. Wer auf Gegenwehr durch Thelen hoffte muss sich leider enttäuscht sehen. Als Herrmann darlegte, dass man In 20 bis 30 Jahren klimaneutral sein müsse und zwar absolut „nicht nur ein bisschen“, bringt Frank Thelen seinen ganzen Körper in Wallung, nickt und sagt „absolut“. An anderer Stelle meint Thelen die industrielle Revolution sei ein Fehler gewesen, da man fossile Brennstoffe verbrannt habe. Der geneigte ZDF-Zuschauer nimmt aus dieser Runde also mit, dass der Kapitalismus abgeschafft werden müsse, die industrielle Revolution ein Fehler war und überhaupt das ganze System kollabieren müsse.
Steffi Lemke stockte der Atem, als Herrmann durchdeklinierte was grüne Politik in der Realität bedeutet. Sie fühle sich erinnert an blühende Landschaften von Helmut Kohl „nur anders herum“.. Sie teile die Zukunftsvisionen Herrmanns nicht. „Sie wissen möglicherweise, dass ich aus der DDR komme und in einem Staat groß geworden bin, der sich angemaßt hat, den Menschen vorzuschreiben, wie sie leben sollen“. 1989 sei sie für die Freiheit auf die Straße gegangen. Aber auch sie gab Herrmann alles andere als Contra. Sie hofft auf Menschen, die sich „in idealistischer Manier“ sagen: „dass können wir uns nicht mehr leisten“ und erklärte mit Stolz, dass die Grünen als erstes das Wort „Verzicht“ in den Mund genommen hätten.
Herrmanns Ausführungen erinnern stark an den Bericht der „Grenzen des Wachstums“ des Club of Romes, denn sie glaubt an die Endlichkeit der Ressourcen und denkt man könne die Wirtschaft basierend auf einigen Prognosen durchplanen. Doch: „Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen“. Das wusste schon Mark Twain. Der Bericht gilt heute als die Geburtsstunde der Umweltbewegung. Die aktuelle Debatte um die Klimakatastrophe ist unmittelbar mit dem Bericht des „Club of Rome“ verbunden. Der „Club of Rome ging“ das Wagnis der Prognose ein scheiterte grandios.
Die weltweiten Ölbestände sollten bis 1990, die Erdgasbestände bis 1992 verbraucht sein. Heute übertreffen die Bestände beider Bodenschätze die von 1970 bei weitem. Metalle wie Zink, Zinn, Wolfram, Aluminium, Kupfer, Gold, Blei und Quecksilber sollten bis spätestens 2013 erschöpft sein. Auch war zu lesen, dass das BIP pro Kopf bis 2000 in Japan doppelt so hoch wie in den Vereinigten Staaten sei. Das BIP der Sowjetunion sollte das der Bundesrepublik überholen und die Volksrepublik China sei – nicht etwa auf drauf und dran die Weltwirtschaft umzukrempeln, sondern – noch immer ein armer Agrarstaat.
Gottfried Wilhelm Leibniz war der erste der erklärte, dass sich sowohl die physikalische als auch die geistige Welt durch stete „Verwandlung“ auszeichnen. Die Vorstellung eines „Wandels“ konnte im abendländischen Denken schon im späten 17. Und frühen 18. Jahrhundert Fuß fassen. In gewisser Weise nahm Leibniz damit Darwins Begründung der Evolutionstheorie vorweg. Die Entstehung und Entwicklung des Menschen ist keinem Schöpfer oder Spiritus rector zu verdanken. Aus diesem Grund ist der Mensch auch nicht vollkommen. Die Evolution des Menschen – wie auch der Natur und des Lebens als solches – erfolgte wildwüchsig.
In „Über die Freiheit“ schreibt John Stuart Mill: „Die menschliche Natur ist keine Maschine, die nach einem Modell gebaut wird und die eine genau vorgeschriebene Arbeit verrichten kann; sie gleicht vielmehr einem Baum, der wachsen und sich nach allen Seiten ausbreiten möchte“. Die Sprache als Kommunikationswerkzeug entstand nicht, weil ein Stammesführer seinen Stamm anwies sich mit Lauten zu verständigen. Die Erfindung des Rads war sicherlich nicht Folge einer Versammlung von Dorfversammlung, auf der beschlossen wurde, die Mobilität ihrer Bürger zu erhöhen. Ebenso wenig hat Nikolaus August Otto den Verbrennungsmotor auf Befehl von Reichskanzler Bismarck entwickelt.Hierzulande werden die Bürger nicht zukünftig auf Das Auto verzichten, nur weil Ulrike Herrmann das für notwendig hält. Und zwar auch dann nicht, wenn Herrmann den Rückschritt zum Fortschritt erklärt. Herrmanns zurück in die Zukunft wird nicht funktionieren und wenn doch dann nur durch maximalen staatlichen Zwang.
Gem. statistischem Bundesamt verbrauchte Deutschland 2020 mindestens 11977 PJ Energie. . (Eine Berechnung des tatsächlichen Gesamtbedarfs ist gem. destasis.de zu aufwändig.)
Ca. 5% davon kamen aus Windmühlen, Photovoltaik und Biomasse.
Es muss nicht erklärt werden, wie vielleicht 500 TWh/J Strom ezeugt und die horrenden Zuwächse durch E-Mobilität, Wärmepumpen, Wasserstofferzeugung, etc., etc. kompensiert werden können. Oder eben auch nicht.
Wo ist eine ehrliche Rechnung, wie ein Gesamtbedarf von ca. 12000 PJ/Jahr (2020) oder sogar für Heizung, Mobilität, Beleuchtung, Dünger, chemische Grundstoffe, Stahlbeton (auch für Windmühlen), Internet, etc. etc. zu erschwinglichen Preisen produziert werden können?
Damit könnte dann die Diskussion beginnen, welche Industrien und Arbeitsplätze wir woanders hin exportieren.
Wo bleibt eine Betrachtung des Ressourcenverbrauchs durch Windmühlen, PV, Biomasse im Vergleich zu anderen Kraftwerken. Wieviele kWh/Jahr bringt 1 t Kupfer in einer Windkraftanlage im Vergleich zu z.B. einem Kernkraftwerk? Wie sieht das bei einer t Stahl und Beton aus. Neodym, Balsaholz, …