„Rebel, Rebel – I love you so!“- David Bowie ist ein Vorbild für alle jungen Leute


Von Jonas Kürsch | Biographische Kinoverfilmungen über die Lebenswege einflussreicher Musiker gibt es wie  Sand am Meer – man denke nur an die jüngsten Filme über Freddie Mercury, Elton John  oder Elvis Presley. Es war daher auch nur eine Frage der Zeit bis ein Kinofilm über das Leben des britischen Rockmusikers David Bowie produziert werden würde. “Moonage Daydream” ist allerdings mehr als nur ein biografischer Spielfilm: die gezeigten Aufnahmen ermöglichen uns den Einblick in die Geisteswelt eines begnadeten Visionärs.  

 

Das Vermächtnis eines Rebellen  

Es gibt nur wenige Künstler, die einen derart großen Einfluss auf meine persönliche  Entwicklung hatten wie David Bowie. Das erste Mal stieß ich auf seine exzentrische  Musik, als ich selbst noch zur Schule ging und gerade damit begonnen hatte, mich für  politische und gesellschaftliche Probleme mit einer tieferen Wahrnehmung zu  beschäftigen. Das subversive und rebellische Auftreten Bowies beeindruckte mich, denn  besonders seine radikalen Frühwerke leisten seit jeher starken Widerstand gegen eine  freiheitsfeindliche Diskussions- und Bildungskultur, die jungen Menschen vorgefertigte  Verhaltens- und Denkmuster indoktrinieren soll. Gerade zu jener Zeit, als ich zum ersten  Mal mit Unworten wie „Cancel Culture“ und „Klimaleugner“ konfrontiert wurde, erkannte  ich die Relevanz seiner Lieder. Aus diesem Grund habe ich mich sehr über die  Veröffentlichung von „Moonage Daydream“ gefreut. 

David Bowie ist wohl den allerwenigsten Menschen völlig unbekannt. Der britische  Musiker kam 1947 in London zur Welt. Als Kind irischer Migranten bemerkte er recht  schnell, dass er in vielerlei Hinsicht anders als die meisten Menschen in seinem direkten  Umfeld war, weshalb es ihm auch sehr schwer fiel, sich in das spießbürgerliche  Vorortsleben von Brixton zu integrieren. Einen großen Einfluss auf Bowies musikalischen  Werdegang hatte vor allem sein Halbbruder Terry, welcher an Schizophrenie litt und  mehrere Male bis zu seinem Tod in einer Nervenheilanstalt gegen seine Leiden behandelt  werden musste.  

Die häufig als chaotisch beschriebenen Frühwerke Bowies sind stark durch seine  persönliche Wahrnehmung dieser Geisteskrankheit geprägt. Nach kleineren Erfolgen in  den 1960er Jahren, veröffentlichte Bowie bis 1971 mit Alben wie Space Oddity, The Man  Who Sold the World und Hunky Dory seine ersten musikalischen Klassiker, die auch heute  noch von Millionen Fans gehört werden. Der große Durchbruch gelang ihm mit dem 

legendären Konzeptalbum The Rise and Fall of Ziggy Stardust and the Spiders from  Mars, das 1972 veröffentlicht wurde. Gerade durch seine revolutionäre Bühnenshow, bei der in exzentrischen Kostümen und mit gewagter Maskerade die titelgebende Figur des außerirdischen Rockmusikanten Ziggy Stardust mimte, gewann er die Herzen tausender Fans.

 

Die tiefgründige Darstellung eines komplexen Künstlers  

Der Film zeigt eine kompakte Zusammenfassung des großen Lebenswerks von Bowie.  Dabei verzichtet Regisseur Brett Morgan vollständig auf eigene Moderation oder einen  klassischen Handlungsplot, stattdessen wird die künstlerische Entwicklung allein durch echte Interviews mit Bowie, seine Bühnenauftritte, Musikvideos und sonstige  Videoausschnitte erzählt. Die Aneinanderreihung von Zeitdokumenten aus Bowies Leben zeigen den Glamrockstar als philosophischen und grüblerischen Menschen, der mit seinem Werk viel mehr ausdrücken wollte als nur idealisierte Science-Fiction-Fantasien der 1960er Jahre.  

Die Videoausschnitte selbst versetzen den Zuschauer in eine andere Zeit zurück: Fast fühlt man sich durch die eigenartig intim wirkenden Nahaufnahmen seiner hysterisch  kreischenden Fans in den 70er Jahren so, als wäre man selbst bei der legendären Ziggy Stardust Tour dabei gewesen. Die Lichteffekte und der gut durchdachte Soundtrack  verstärken dieses Gefühl zusätzlich – es ist beeindruckend. 

Untermalt sind die vielen Filmaufnahmen  selbstverständlich mit den einzigartigsten Liedern aus seinen verschiedenen Schaffensperioden. Das Repertoire ist vielschichtig: sowohl seine größten Hits wie Space Oddity, Life on Mars und Ashes to Ashes sind dabei, als auch (heutzutage) weniger bekannte Songs wie Memory of a Free Festival. Dadurch wird man auf eine wunderbare Zeitreise geschickt, die es einem ermöglicht, die Stimmungslage längst vergangener Tage nachzuempfinden. Schade nur, dass einige wirklich bahnbrechende Lieder des Sängers völlig außer Acht gelassen wurden: Ziggy Stardust und The Man Who Sold The World finden im Film keinerlei Erwähnung. Nun, ich gebe aber zu, dass man schwer alle Nummer-1-Hits unterbringen kann, die Bowie in 26 Studioalben herausgebracht hat.

 

Der ultimative Bowie-Film  

„Moonage Daydream“ ist ein hervorragender Dokumentarfilm, der das Leben von David  Bowie aus vielen verschiedenen Perspektiven beleuchtet. Doch vor allem ist er eins: Eine Anleitung zum Widerstand. David Bowie ist mit jeder Faser seines Körpers Rebell – und kann auch heute noch vielen jungen Leute den Mut geben, sich aus dem Mainstream herauszubewegen und ein selbstständiger Menschen mit eigenen Gedanken zu werden. Den vielen ängstlichen Mitläufern an den deutschen Unis würde es guttun.

 

„Rebel rebel, you’ve torn your dress. Rebel, rebel, your face is a mess. Rebel, rebel, how  could they know? Hot tramp, I love you so!“ 
David Bowie