„Queer as in free Palestine!“ – die LGBTQ-Community hat ein Antisemitismus-Problem

Von Simon Ben Schumann | Am 23. Juli zogen im Rahmen der „Internationalistischen Queer Pride“ tausende Menschen durch die Straßen Berlins. Die Veranstaltung sollte eine Alternative zum Christopher Street Day bieten, der von Teilen der linken Szene als zu kommerziell, zu mainstream oder als nicht radikal genug betrachtet wird. Auf dem Straßenzug, der dem „antikolonialen, antirassistischen und antikapitalistischen Freiheitskampf“ gewidmet war, wurde dann schnell deutlich, dass es nicht allein um die Sichtbarkeit und Rechte der queren Community ging. Die Teilnehmer und Redner forderten Gleichheit, Toleranz und Antirassismus, während aus den eigenen Reihen gleichzeitig offen und aktiv gegen den Staat Israel gehetzt wurde.

Israel – Feindbild Nummer Eins

Die Demonstration wurde von einem Potpourri verschiedener Gruppen veranstaltet , die sich als „IQP“ zusammenschlossen. Darunter fanden sich Namen wie „Migrantifa Berlin“ – einem Ableger der Berliner Antifa – und „Palestine speaks“, die schon bei vergangenen Veranstaltungen, unter anderem der „Revolutionären 1. Mai-Demo“ mit aggressivem Antisemitismus aufgefallen waren. „Palestine speaks“ fiel erst im  Mai mit einer antizionistischen Demonstration auf dem Platz vor der alten Synagoge in Freiburg auf. Diese wurde 1938 von den Nazis niedergebrannt. Gegen den „Apartheidstaat Israel“ an solch einem Ort zu demonstrieren: Geht’s noch amoralischer? 

Mehrere der Gruppen sind außerdem Teil der Kampagne „BDS“, die Israel durch Boykotte, Isolation und Sanktionen schwächen will. Weil die BDS-Bewegung vorsätzlich der Zivilbevölkerung in Israel schadet, wird sie weitläufig als antisemitisch eingestuft. Der Einfluss dieser Gruppen machte sich schon auf dem offiziellen Instagram-Account des Bündnisses bemerkbar. Am 20. Juli postete man dort ein „Awareness Statement“, in dem es heißt: „Es gibt keine Befreiung für uns alle ohne die Befreiung der Palästinenser: innen. Die sogenannten Antideutschen sind bei dieser Veranstaltung nicht willkommen.“ Das Statement impliziert sofort, dass die Palästinenser befreit werden müssten. Die Israelis werden in die Rolle des brutalen, „versklavenden“ Unterdrückers gezwängt, obwohl Araber im Land zumindest de jure Rechtsgleichheit besitzen. Das uralte Stereotyp des ausbeuterischen, eiskalten Juden wird damit (bewusst?) bedient. Außerdem seien die „Antideutschen“ nicht willkommen. Unter diesem Schlagwort versteht man in „der Szene“ alle Menschen, die sich pro-Israel positionieren und nicht den ach so bösen Zionisten die Schuld am Nahostkonflikt zuschieben.

„From the river to the sea…“

Das makabre Schauspiel ging auf der Demo weiter. Das Jüdische Forum war vor Ort und berichtete von Sprechchören, die ein Palästina vom Mittelmeer bis zum Jordan und damit die Vernichtung Israels forderten. Eine Rednerin bezeichnete das Land als „koloniales Siedlungsprojekt“. Transparente und Schilder wetterten gegen Unternehmen, die irgendwie mit Israel zusammenarbeiten. „Zionism is racism“, „Queer as in free Palestine“, „No pride in Apartheid“ waren nur einige der Slogans. Auch eine weitere Intifada wurde von Demonstranten „vorgeschlagen“. 

Man muss sich wirklich wundern, wie eine Queer-Pride-Demo sich so gegen den einzigen jüdischen Staat stellen kann – und dass, während Sex zwischen Männern im Gazastreifen mit bis zu zehn Jahren Haft bestraft wird. 2019 forderte die Palästinensische Autonomiebehörde Bewohner auf, „verdächtige Aktivitäten“ zu melden, was bedeutet, dass Schwule, lesbische, bisexuelle und transsexuelle Palästinenser in ständiger Angst vor Entdeckung und Verfolgung leben müssen. Wie wäre die Demo wohl ausgegangen, wenn man sie in Palästina veranstaltet hätte?

Die Berliner LGBTQI-Community sollte sich also mal fragen, wie ehrlich es ist, die eigene Marginalisierung zu beklagen und allumfassende Toleranz zu fordern, während man gleichzeitig aggressiven und gewaltbereiten Antisemitismus auf die Straße trägt – und das von Leuten, die für die Rechte von schwulen, Lesben und Transsexuellen wenig übrig haben. 

2 Antworten

  1. Lina Weißhof sagt:

    Es geht ums Opfer-Sein. Die Israelis sind wehrhaft und erfolgreich, das ist unverzeihbar.
    Für die „armen Palästinenser“ zu seinwar dagegen in der linken Szene immer schon angesagt (und in der DDR, und auch bei diesem Vegetarier – naja lassen wir das…).
    Trotzdem natürlich so dämlich, dass einem nix mehr dazu einfällt…

  2. Peter H. sagt:

    Homosexuelle, die sich mit Schwulenhassern solidarisieren – ich kapier‘s einfach nicht …