Pünktlich zum Staffelfinale: Das große „House of the Dragon“-Battle!

Martin Cohle und Larissa Fußer | Das Prequel der „Game of Thrones“-Serie hat unter den Apollo Autoren schon zu einigen hitzigen Diskussionen geführt. Um Handgreiflichkeiten zu vermeiden, wird der Kampf nun schriftlich ausgetragen. Lesen Sie hier das große „House of the Dragon“-Battle – kurz vor Veröffentlichung des Staffelfinales heute Abend.
PRO: Das Beste von Game of Thrones – neu interpretiert!
Von Martin Cohle | So gut wie alle „Game of Thrones“-Fans sind sich darüber einig, dass die letzten zwei Staffeln der wahrscheinlich großartigsten Serie unglaublich enttäuschend waren. Die Skepsis der Zuschauer war entsprechend mehr als gerechtfertigt, als die neue Prequel-Serie „House oft the Dragon“ angekündigt wurde. Die Fans, mich eingeschlossen, wollten nicht noch einmal enttäuscht werden. Mittlerweile sind neun von zehn Episoden von der neuen Serie erschienen und heute Abend kommt das große Finale.
Für mich ist die Serie eine äußerst positive Überraschung. Endlich sehen wir wieder politische Spielchen in Westeros, Intrigen, gut geschriebene Dialoge, komplexe Charaktere (die weder nur böse oder nur gut sind) – kurz: Wir haben es wieder mit einer qualitativ hochwertigen Serie zu tun, die die besten Teile von „Game of Thrones“ übernimmt und diese neu interpretiert und erweitert.
Ich kann deine Meinung Larissa, dass diese Serie „woke“ sei, nicht nachvollziehen. Es gibt starke weibliche und auch schwarze Charaktere, ja. Die Serie ist also divers und die entsprechenden Charaktere bekommen vielleicht auch größere Aufmerksamkeit und Rollen, als der Mittelalter-Touch der Serie erwarten lässt. Jedoch sind sie alle fantastisch geschrieben und man hat auch nicht das Gefühl, dass man sie aus rein politischen Gründen in die Serie aufgenommen hat.
Sie haben alle Motivationen, Geschichten, Gründe, warum sie so agieren, wie sie es tun und sie sind alle vielschichtig. Sie machen Fehler, treffen gute und schlechte Entscheidungen, machen moralisch gute und schlechte Dinge und sind allgemein sehr ambivalent. Das ist Menschsein! So sind Menschen und genau so müssen Charaktere geschrieben werden.
Ein gutes Beispiel für diese Komplexität ist Prinz Daemon. Er ist Bruder des Königs und ist auf der Oberfläche ein arroganter, zynischer Mann, der immer das macht, was er will. Wenn es jedoch um die Gesundheit seiner Familie geht, dann steht sie an erster Stelle und tut alles, um sie zu beschützen. Obwohl er arrogant und zynisch, kann man dennoch nicht sagen, dass er böse ist. Es gibt aber viele weitere Beispiele für gut geschriebene Charaktere, wie Alicent und Otto Hightower, Viserys der König oder auch Corlys Velaryon.
Der Plot ist ein typischer Konflikt zwischen zwei Häusern, in dem es um die Erbfolge geht und die man in der Geschichte und anderen Serien und Filmen schon recht häufig gesehen hat. Allerdings schafft es die Serie die Charaktere und die Welt interessant zu machen, indem sie die Geschichte nicht zu schnell erzählt. Die Serie lässt sich Zeit für kleine, intime Momente und damit auch um die Hauptfiguren zu entfalten.
Das ist aus vielen Gründen wichtig. Allerdings ist „Payoff“ das Schlüsselwort. Mit Payoff ist die Katharsis am Ende eines Films oder einer Serie gemeint, wenn der Konflikt zu Ende ist und man das Gefühl hat, dass sich die Serie gelohnt hat. Wenn die Figuren schlecht geschrieben sind und wenn sie einen kalt lassen, dann gibt es auch kein „Payoff“ oder Katharsis, denn sowohl „Game of Thrones“ als auch „House of the Dragon“ leben von diesen Charakteren und nicht unbedingt vom Plot.
Liebe Larissa, es ist traurig, aber das GoT-Prequel ist wohl einfach zu hoch für dich. Ich bin auf das Staffelfinale jedenfalls sehr gespannt!
KONTRA: Lame, eklig, woke – „House of the Dragon“ ist eine Enttäuschung
Von Larissa Fußer | Lieber Martin, ich freue mich ja, dass du eine Serie gefunden hast, die dir so richtig schön-spannende Couch-Abende beschert – aber ich frag mich doch sehr, was genau du an der „Game of Thrones“-Fortsetzung so unglaublich geil und geistreich finden willst. Und das sage ich dir nicht als Fantasie-Gegner, sondern als jemand, der nach drei Folgen „Game of Thrones“ in Folge schon mal überlegt hat, die vierte noch anzumachen und der heute noch manchmal auf dem Weg zur Arbeit die GoT-Titelmelodie hört, um sich in den richtigen Modus zu bringen.
Es stimmt, das Woke in der Serie nervt mich. Die können ja schwarze Charaktere reinholen wie sie wollen, aber es ist einfach lächerlich, wenn ein Volk, das in der Buchvorlage explizit als blass bezeichnet wird, plötzlich schwarze Haut hat – so wie es bei den Valyrians der Fall ist. Aber geschenkt – an solche irren Sachen gewöhnt man sich ja leider langsam. Viel schlimmer: diese Feministen-Rotzgöhre Prinzessin Rhaenyra Targaryen, die ja schon gerne Macht und Drachen haben will, aber jedes Mal rumheult, wenn sie im Gegenzug auch die Pflichten eines Thronfolgers erfüllen soll. Buhu, sie soll also aus strategischen Gründen heiraten und alle sind ganz gemein zu ihr, weil sie sie als weiblichen Thronfolger nicht akzeptieren. Ihre Nachfahrin Daenerys Targaryen war viel schlimmer dran – sie musste einen wilden Hunnen heiraten, der sie mehr oder weniger vergewaltigt hat und trotzdem hat sie sich danach über Staffeln ohne Murren zur mächtigsten Frau von Westeros hochgearbeitet. Nicht durch Jammern und Rumtrotzen – sondern durch Kampfgeist und Charme – und natürlich Machtgeilheit, wie sie wohl alle Targaryens von Geburt an besitzen.
Und das ist noch nicht alles: Mal ganz im Ernst, Martin – als der von dir hoch gelobte Daemon seine liebste Rhaenyra – die ganz nebenbei seine Nichte ist – zum ersten Mal gevögelt hat, ist mir richtig schlecht geworden. Die Schauspielerin sieht aus wie 14, während Daemon über 30 ist – ich kam mir vor, als würde ich Zeuge von Kindesmissbrauch werden! Dass Rhaenyra völlig angefixt im nächsten Moment ihren ebenso viel älteren Leibwächter zu sich ins Bett zieht, macht die Sache auch nicht besser.
Nun war ja Game of Thrones noch nie dafür bekannt, auf – wie soll ich sagen – ethisch vertretbaren Sex zu achten. Aber es ist für mich dann doch was anderes, ob (wie bei GoT) zwei erwachsene Geschwister miteinander in die Kiste springen oder ob ein Onkel seine Teenager-Nichte überwältigt. Wenn man auf Twitter dann noch die Fan-Posts zu dieser Inzest-Liebe sieht, dreht es einem richtig den Mangen um. Während Cercei und Jaime Lannister absolute Unsympathen waren, die eben auch noch eklige erotische Vorlieben hatten, feiert die GoT-Community den Inzest der Targaryens so, als wäre es die heißeste Liebesstory alles Zeiten. Tut mir leid, aber die haben sie doch nicht mehr alle.
Gut, das mögen für dich Details sein – aber selbst wenn man das alles ignoriert: Die komplexen Charaktere, von denen du berichtest, kann ich nicht sehen. Ich habe bisher für keine einzige Figur in der Serie Mitgefühl empfunden, wenn sie abgemurkst wurde. Einfach, weil die Charaktere kaum eingeführt werden und ich überhaupt keine Gelegenheit hatte, sie zu mögen, bevor sie abgeschlachtet wurden. „Game of Thrones“ hat es geschafft, dass man die Starks geliebt hat und jeder Mord einen bis ins Mark erschreckt hat. „House oft the Dragon“ kommt da einfach nicht heran.
Aber eines gebe ich zu: Das Staffelfinale werde ich trotzdem gucken. Es interessiert mich dann doch, ob die GoT-Macher noch irgendeinen Plot-Twist oder Schockmoment liefern. Falls eine zweite Staffel kommt, werde ich mir die aber, denke ich, schenken. Sorry Martin, aber für mich wirkt deine Liebe zu „House of the Dragon“ wie das Geschwafel von Vegetariern darüber, dass Fleischersatz ja fast genauso schmecken würde wie ein richtiges Steak. „House of the Dragon“ ist das Tofu-Äquivalent zu Game of Thrones – ich glaube, du hast vergessen, wie gut das Original war!
Großartig analysiert und äußerst schwungvoll geschrieben von beiden – aber der Punkt geht EINDEUTIG an Larissa Fußer!