Prinz Harrys Angriff auf das britische Königshaus

Von Sven Justin Verst | Mit der Biografie von Prinz Harry erschüttert das britische Königshaus die nächste Krise. Während der Streit zwischen dem jungen Prinzen und der Familie weiter eskaliert, lohnt sich ein Blick in die Vergangenheit. Denn es zeigt sich ein Muster.

Das Paar, dass eigentlich in Privatsphäre leben wollte, gönnt sich die nächsten fünf Minuten im medialen Rampenlicht. Prinz Harry und seine Frau Meghan Markle traten bereits zuvor prominent auf. Als wären Heulen bei Oprah und eine Netflixserie nicht genug, wurde nun die Biografie „Spare“ von Harry durch einen Fehler in Spanien verfrüht veröffentlicht. Es bannt sich die schlimmste Krise seit Jahrzehnten an.

„Spare“ lässt sich auf verschiedene Arten ins Deutsche übersetzten. Ersatzteil oder Reserve sind die naheliegendsten Übersetzungen. Als zweitgeborener ist auch Harry die Reserve, mittlerweile ist er der Fünfte in der Erbfolge für den Thron. Durch Schicksal der Geburt verschwinden die jüngeren Geschwister meist in die Bedeutungslosigkeit. Doch nicht so bei den britischen Royals, Harry ist auf Blut aus.

Eigentlich sollte seine Biografie erst am 10. Januar veröffentlicht werden. Für das brisante Buch traf der Penguin-Verlag außerordentliche Sicherheitsmaßnahmen. Dem zu trotz wurde das Buch in einer Buchhandlung in Spanien verfrüht in die Regale geräumt. Auch die britische Presse erhielt so Einblicke in das Buch, seit Tagen hagelt es nun Auszüge aus dem Buch. Bereits die Auszüge sorgen für eine existenzielle Bedrohung für das traditionsträchtige Königshaus.

„When a man loves a woman“

Dann tut er dumme Dinge. So ist mit Harry ein weiteres Mal ein britischer Royal in eine geschiedene Amerikanerin verliebt. Die Figur des Harrys ist keine Neue. Bereits vor beinahe einhundert Jahren ereignete sich ein ähnliches Schauspiel. Der damalige König, Edward VIII, hatte die Absicht, die geschiedene Amerikanerin Wallis Simpson zu heiraten. Dadurch verursachte der junge König eine Verfassungskrise, denn der britische König ist auch Oberhaupt der englischen Kirche. Eine Eheschließung war ausgeschlossen. Kurzerhand war der 42-Jährige zum Rücktritt gezwungen.

„The Crown must always win.“

In seinem Buch veröffentlicht Harry viele der Geheimnisse der königlichen Familie. Dabei sollte ihm bewusst sein, dass die Magie um die Krone durch ihr geheimnisvolles Schweigen funktioniert. Die Royals sollen keine „relatable family“ sein, sondern etwas Höheres, etwas, wonach die Öffentlichkeit streben kann. Durch sein Buch zerstört er die letzten Überbleibsel an Magie, die die Familie und somit Institution noch hat. Dieser bewusste Angriff, der letztendlich die nukleare Option ist, könnte das Vereinigte Königreich für immer verändern. Kaum etwas hat das Land und auch die Welt so geformt wie die Familie in Buckingham Palace. Von den Anfängen unter Queen Elisabeth zu dem Höhepunkt der Macht unter Queen Victoria und dem Zerfall unter Queen Elisabeth II, die Entscheidungen der britischen Monarchen haben Weltgeschichte geschrieben.

Neben der Enthüllung, wie er seiner Jungfräulichkeit in einem offenen Feld mit einer älteren Frau verlor und dem „schlechten Trip“ durch Kokain, greift er auch seinen Bruder, den zukünftigen König Prinz William an. Prinz William „warf mich zu Boden“, so lautet die Anklage des jüngeren Bruders. Bei einem Streit 2019 soll es auch zu einer körperlichen Auseinandersetzung gekommen sein. William sei sein „größter Gegenspieler“, aber auch „geliebter Bruder“.

„History repeats itself.“

Auch die kürzlich verstobene Queen Elisabeth II hatte Auseinandersetzungen mit ihrer jüngeren Schwester, Prinzessin Margaret. Durch ihre Liebesbeziehung zu dem 15 Jahre älteren Peter Townsend gerieten die Schwestern aneinander. Wie es das Schicksal wollte, war Peter Townsend ein geschiedener Mann und somit eine Ehe nicht möglich. Durch die Entscheidung ihrer älteren Schwester, die Ehe nicht zu erlauben, entstand ein Bruch zwischen den Schwestern. Queen Elisabeth II stand dabei selber im Konflikt zwischen der Krone und der Liebe zu ihrer jüngeren Schwester. Ein ähnliches Szenario ergab sich zwischen William und Harry. Als Thronfolger steht William im selben Konflikt wie seine Großmutter und Harry im selben Schatten wie Prinzessin Margaret.

Die Royals sind tragische Figuren. Gefangen zwischen Pflicht und ihren eigenen Verlangen. Auch Charles ist eine tragische Figur. Seit jeher liebte er nur eine Frau, Camilla Parker Bowles, doch auch er durfte seine wahre Liebe nicht heiraten. Dann trat Diana Spencer ins Bild. Ihre Geschichte ist weltbekannt. Nie geliebt von ihrem Mann und allein gelassen verlies sie Charles letztendlich. Am 31. August 1997 kam sie durch einen Autounfall ums Leben. Besonders bei ihrem jüngsten Sohn Harry hat dies wohl ein nachhaltiges Trauma verursacht. Er möchte seine Frau augenscheinlich vor demselben Schicksal schützen. 

Dabei hinkt der Vergleich zwischen Diana und Meghan. Diana verbrachte Jahre in der Institution der Krone und wurde durch die Vernachlässigung von Charles zu Suizidversuchen getrieben. Die junge Diana war das Leben in der Öffentlichkeit bei Weitem nicht gewöhnt. Sie arbeitete unter anderem als Kindergartenhilfe und Tanzlehrerin. Im Kontrast dazu war Meghan bereits vor ihrer Beziehung zu Harry ein Weltstar. Durch ihre Rolle in der amerikanischen Serie „Suits“ stand sie bereits in der Öffentlichkeit.

Trotzdem werden immer wieder Parallele gezogen. Die Selbstdarstellung wird wohl auch nach der Biografie weiter gehen. Ob es dem Pärchen nur an Aufmerksamkeit fehlt oder es eine Rache an der Monarchie ist, bleibt offen. Weshalb Harry seiner Familie und seinem Land den Rücken kehrt, fasst der Soulsänger Percy Sledge wohl am besten zusammen:

„When a man loves a woman
Can’t keep his mind on nothin‘ else
He’d trade the world
For the good thing he’s found“