Nur noch „Nazis“ und „Kommunisten“. An den Unis zeigt sich die zunehmende Spaltung der Gesellschaft

Von Martin Cohle | Als ich mich für den Studiengang „Politikwissenschaft und Soziologie” entschieden habe, war mir klar, dass die große Mehrheit meiner Kommilitonen nicht konservativ sein würde. Immerhin sind wir hier bei den Human- und Sozialwissenschaften – zu uns gehören sogar die „Gender Studies“. Was mich aber überraschte: Kaum jemand ist bei mir an der Uni bereit, Diskussionen über Politik zu führen. Von den ca. 250 bis 300 Personen, mit denen ich das Studium angefangen habe, sind nur ca. 20 der separaten „Diskussionsgruppe” beigetreten. Dort wiederum melden sich nur fünf Personen regelmäßig zu Wort, mich eingeschlossen.
Die Diskussionen sind sehr interessant, aber konservative, rechte oder klassisch-liberale Meinungen werden nicht gerne gesehen. Kritisiert man die Antifa, ist man Rechtsextremist. Kritisiert man die Flüchtlingspolitik Merkels, ist man Nazi. Kritisiert man die Gender-Ideologie, ist man Homo- oder Transphob. Natürlich sagt das nicht jeder Linke und auch nicht jedes Mal – aber ich merke, dass ich in ihren Augen seit meiner ersten kritischen Anmerkung als konservativer, privilegierter, weißer Mann abgestempelt bin.
Beleidigungen statt Argumente
Ich werde von meinen linken Mitstudenten regelmäßig als Unmensch behandelt, weil ich eine in ihren Augen vermutlich rechtsextreme Meinung habe. Selbstverständlich kann man meine Meinung kritisieren und das erwarte ich auch, deswegen gibt es ja die Meinungsfreiheit. Aber mich sofort als Rassist oder Sexist zu bezeichnen, weil ich Transsexualität nicht gerade „normal“ und „typisch“ finde oder weil meiner Meinung nach, der Islam nicht zu Deutschland gehört, finde ich traurig und scheinheilig.
Ich bin auch nicht homophob, nur weil ich behaupte, dass Homosexuelle in Deutschland nicht unterdrückt werden. Oder Sexist, nur weil Frauen (meiner Meinung nach) keine Frauenquoten brauchen. Aber gerade das passiert mir immer öfter.
Konservative Meinungen sind nicht mehr etwas, was man kritisieren und widerlegen soll, sondern etwas was man unterdrücken und auslöschen muss. Sind wir wieder im Mittelalter?!
Rechte und Linke sehen sich nur noch als Feinde
Meine Erfahrungen mit den Rechten sind übrigens leider auch nicht viel besser. Wagt man es, auch nur minimal den Kapitalismus, die Wirtschaft, die Kirche oder die Polizei zu kritisieren, ist man sofort Sozialist, Kommunist oder einfach Merkel-Jünger.
Beide Seiten, sowohl Rechte als auch Linke, tendieren dazu, voreilig den anderen zu beurteilen und als Feind zu sehen. Seit der Corona-Pandemie hat sich die Situation nur noch verschlechtert, da nun zusätzlich um die Impfpflicht und die Corona-Maßnahmen heftig gestritten wird. Auch unter meinen Kommilitonen beobachte ich, dass die Mehrheit keine Lust mehr hat zu diskutieren, Meinungen auszutauschen oder allgemein über Politik zu reden.
Unterstützt wird diese Entwicklung durch die ausufernde „Cancel Culture”, die besonders auch an den Unis vertreten ist. Erst neulich hat die Berliner Humboldt-Universität einen Vortrag einer Biologie-Dozentin abgesagt, weil linke Studenten massiv und unter Gewaltandrohung gegen sie protestiert hatten. So etwas hinterlässt Spuren. Die meisten Menschen wollen, aus Angst vor negativen Konsequenzen, ihre Meinung nicht mehr offen sagen. Und wenn man sich Menschen anschaut wie Jordan B. Peterson, der seit Jahren von den Linken quasi „verfolgt“ und dämonisiert wird, dann überrascht das einen gar nicht mehr wirklich. Meinungen, die vom Mainstream abweichen, werden nicht nur kritisiert, sondern regelrecht unterdrückt.
Dissens bringt Gesellschaften voran
Es ist äußerst komisch, dass heutzutage auf eine abweichende Meinung so reagiert wird, als wäre sie ein physischer Angriff. Meinungsverschiedenheiten schaden keinem. Vielmehr ist es die zunehmende Intoleranz gegenüber Andersdenkenden, die unsere Diskussionskultur zerstört und damit unsere Meinungsfreiheit bedroht. Aus Angst vor Streit, aber auch vor Repressalien, ziehen sich die Menschen immer mehr in kleinen Gruppen und Echokammern zurück, wo viele nur noch Meinungen hören, die sie als angenehm und bequem empfinden. Ein Umdenken, ein Veränderung des eigenen Standpunkts kann so kaum noch stattfinden.
Für mich ist klar, dass sich etwas ändern muss. Die Deutschen müssen lernen, dass Dissens nichts Schlechtes ist, sondern notwendig, um eine Gesellschaft voran zu bringen. Erst wenn mehr Menschen das verstehen, werden sie auch Politiker wählen, die das genauso sehen und in ihrer Politik umsetzen. Manche sagen, dass diese Hoffnung utopisch ist. Ich sage: Wer soll es ändern, wenn nicht wir jungen Leute? Ich werde also weiter in meiner Uni-Diskussionsgruppe linken Kommilitonen widersprechen. Und wenn sie mich dann wieder beschimpfen, weiß ich, dass sie offenbar keine Gegenargumente haben.