Neues Abkommen im nahen Osten: Wenn Gas für Verständigung sorgt

Von Simon Ben Schumann | Das historische Abkommen wurde am Mittwoch unterzeichnet: Israel und der Libanon, zwei verfeindete Nationen, trafen eine Vereinbarung. Beide Staaten erkennen die gemeinsame Seegrenze an – womit sich neue wirtschaftliche Möglichkeiten ergeben.
Die beiden Länder haben in der Vergangenheit erbittert gegeneinander gekämpft. Im israelischen Unabhängigkeitskrieg bis Juli 1949 stand der Libanon auf der Seite der arabischen Armeen, die den neuen Staat vernichten wollten. Auch im Jom-Kippur-Krieg 1973 unterstützte der Libanon zumindest die anti-israelischen Kräfte. Nach der Aufnahme zahlreicher Palästinenser ist die Stimmung im Libanon nicht besonders pro-israelisch, wobei dies auf Gegenseitigkeit beruht. Schließlich schlägt Israel aus dem Libanon wenig entgegen, außer dem Wunsch der Existenzvernichtung.
Wenn Gier zu Annäherung führt
Es ist vielleicht etwas ironisch, aus welchen Motiven Israel und der Libanon ihre gemeinsame Seegrenze nun doch anerkannt haben. Nicht etwa, weil beide Länder akzeptiert hätten, dass Kriege und Feindseligkeiten mal beigelegt werden sollten. Nein, es geht ums liebe Geld – und darum, dass die Klimaanlagen in Beirut und Tel Aviv nicht zu horrenden Stromrechnungen führen. Ob man jetzt Abraham oder Ibrahim heißt: Keiner hat Bock, dass die Stadtwerke einem zum Monatsende mit der Horror-Rechnung kommen.
Die Energiekrise führt dazu, dass besonders der Libanon leidet. Seit 3 Jahren schon ist das Land von einer Wirtschaftskrise betroffen, die auch die Energiepreise weiter anziehen lässt. Schon verlockend, wenn hochlukrative Gasfelder vor der Küste schlummern. Das Offshore-Gasfeld Kana kann durch das Abkommen vom Libanon mithilfe des Konzerns Total erschlossen werden. Die Karisch-Gasplattform liegt nun in israelischen Gewässern. Israels Ministerpräsident Lapid kündigte „Milliardeneinnahmen“ an – da würde ich mich auch freuen. Und der Libanon will sich laut Präsident Aoun mithilfe des Abkommens „aus dem Abgrund“ ziehen. Klingt beides ziemlich geil.
Europa als Friedensprofiteur
Doch auch wir Deutschen können feiern. Denn das Gas und Öl, welches jetzt gefördert werden könnte, kann in flüssiger Form übers Mittelmeer importiert werden. Wann es losgeht, ist unklar – der Libanon wird für die Erschließung wohl etwas brauchen. Israel will aber schon jetzt loslegen.
Und das Beste kommt noch: Sogar Hisbollah-Chef Nasrallah ist für das Abkommen und will ein Stück vom Kuchen. Bisher hat keine amoklaufende Terror-Miliz Einwände gegen günstigere Energiepreise gezeigt; keines der heiligen Bücher hat was gegen eine kürzere Gasrechnung. Egal, wie wörtlich man sie nimmt.
Die Zeder auf der Flagge des Libanon entstammt dem 92. Psalm: „Der Gerechte wird wachsen wie eine Zeder auf dem Libanon.“ Der Hisbollah-Chef ist wahrscheinlich nicht die Inkarnation der Gerechtigkeit – aber ich denke, dem lieben Gott ist Frieden aus Geldgier immer noch lieber als Krieg aus demselben Grund. Die Wahrscheinlichkeit für einen Atomkrieg ist gesunken, und die Klimaanlagen von Israelis, Libanesen und vielleicht auch Europäern könnten nächsten Sommer für lau auf Anschlag laufen. In diesem Sinne: Gott sei Dank für dieses Abkommen.