Neue Regierung in Italien: Sea-Watch freut sich, die Italiener eher nicht

Von Elisa David | Nachdem die italienische Regierung nach nur 14 Monaten geplatzt ist, hat sich nun eine neue Regierung gebildet – zwei alte Erzfeinde haben sich zusammen gefunden, um sich in einer Koalition gegen Salvini zu verbünden. Am Mittwochabend teilten die populistische Fünf-Sterne-Partei und die sozialdemokratische Partito Democratico (PD) mit, sich auf ein neues Regierungsbündnis unter der Leitung von Giuseppe Conte geeinigt zu haben. Zuvor hatte Italien sich noch mit der Frage beschäftigt, ob sich eine alternative Mehrheit im Parlament bilden würde, oder ob der Staatspräsident Neuwahlen ausrufen müsse. Zu Neuwahlen wird es jetzt nicht mehr kommen, die gesuchte Alternative hat sich gefunden. Denn die Fünf-Sterne und die PD vereint nicht nur der Hass gegen Salvini, sondern auch die schlechten Umfragewerte – Neuwahlen hätten für beide verheerend ausgehen können.
Conte gab bekannt, es werde „eine Regierung zum Wohl der Bürger sein, die das Land modernisiert und noch wettbewerbsfähiger macht, aber auch fairer, integrativer und solidarisch. Ich werde eine Regierung bilden, unter dem Zeichen der Veränderung.“ Außerdem kündigt er an, eine „neue Menschlichkeit“ in die Politik des Landes zu tragen. Über diese neue Menschlichkeit freut sich die deutsche Hilfsorganisation Sea-Watch, die sich aus der neuen Regierung ein „Ende der menschenfeindlichen Politik im Umgang mit Migranten“ erhofft. Sollte die neue Koalition diesen Erwartungen nachkommen – was nach Contes Rede zu erwarten ist – würde dies, nach Salvinis Null-Toleranz-Politik gegenüber illegaler Einwanderung, eine 180 Grad Wendung für das Land bedeuten. Des Weiteren rechnet die EU mit einer europafreundlicheren Einstellung aus Italien, nachdem Salvini sich der EU kritisch gegenüber positioniert hatte.
Die neue Koalition plant eine „Regierung der Umkehr“, Salvini gefällt das ganz und garnicht. In einem Internetvideo erklärte er nun seine Position und sein weiteres Vorhaben. Er schildert, dass er von allen Seiten gefragt werde, ob er daran denke aufzugeben – seine Antwort: „Niemals! Denn was passiert ist, ist ein Raub der Demokratie.“ An die Fünf-Sterne und die PD richtet er sich mit den Worten: „Ihr werdet mich nicht mit einem kleinen Palastschauspiel los.“ Er werde nicht lockerlassen und und sei „entschlossener als je zuvor“, wieder an die Macht zurückzukehren. Seiner Meinung nach werde die jetzige Regierung nicht lange halten. Für den 19. Oktober rief er seine Anhänger zu einer Großdemonstration in Rom auf. Es soll zu einem „großen Tag des italienischen Stolzes“ werden.
Dass Salvini nicht still in der Versenke verschwinden würde, war zu erwarten. Doch interessanter ist, wer hinter ihm steht. Die deutschen Medien ließen zu der Bekanntgabe der neuen Regierung glückliche Italiener in die Kamera strahlen, die froh seien, dass Italien vor einer Krise bewahrt wurde, in die Salvini es gestürzt habe. Doch das ist nur ein kleiner Teil der Stimmung in Italien. Wie schon erwähnt, hätten Neuwahlen für die jetzigen Regierungsparteien wahrscheinlich den Tod bedeutet, denn beide sind gerade in den letzten Monaten stark abgestürzt. Und wer war der Gewinner dieser Umfragen? Salvini und seine Lega, die auf 36% kamen. Hätten sie die auch bei Neuwahlen erzielt, hätten sie, im Vergleich zu den anderen Parteien, eine sichere Mehrheit gehabt und Salvini wäre allein an der Spitze. Das hört sich aber nicht so an, als ob die Italiener alle für eine „Regierung der Umkehr“ zu haben sind, mehr nach einem „Weiter so“ für Salvini. Der Meinung ist auch Salvini selbst, der der neuen Regierung vorwarf, dass sie die Unterstützung der Wähler nicht haben, was zutiefst undemokratisch wäre. Natürlich muss man bedenken, dass es die letzte Wahl ist, die jetzt tatsächlich zählt, nicht die Umfragewerte oder die Ergebnisse der Europawahl. Und nach der letzten Wahl ist die neue Koalition durchaus legitim, sie kommt auf eine knappe Mehrheit. Trotzdem ist in Frage zu stellen, ob eine so scharfe Kehrtwende jetzt das ist, was Italien will und braucht und es bleibt abzuwarten, wer am 19. Oktober alles in Rom aufkreuzen wird.
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