Neue Regierung in Israel: Netanjahu ist zurück
Von Boris Cherny | Netanjahu ist zurück. Israels Dauer-Premier, der bereits 15 Jahre im Amt verbracht hat, ist wieder dort, wo er sich am wohlsten fühlt: im Balfour (der Residenz des Premierministers). Doch die Rückkehr an die Macht hat ihren Tribut gefordert: Netanjahus Liberal-Konservative Likud Partei musste ein Bündnis mit den jüdisch Ultraorthodoxen eingehen.
Trotzdem hat es Bibi (so der Spitzname Netanyahus) geschafft. Noch vor der Wahl sah die Situation düster aus: Die Umfragen prognostizierten eine nahezu unlösbare parlamentarische Situation, ohne realistische Mehrheiten für jedweden Block. Doch es kam anders, und Netanjahu konnte anscheinend endlich wieder eine stabile Regierung in Israel etablieren. Die Regierungsbildung kann allerdings neben dem Triumph Netanyahus, auch als Triumph der Ultraorthodoxen angesehen werden. Das spiegelt sich auch in den angekündigten Vorhaben der Regierung wider. Neben klassischen Vorhaben einer Netanjahu Regierung wie dem Ausbau der Infrastruktur und Bildungsinvestitionen, stehen in den Leitlinien der Regierung auch Positionen, die auch kontroverser sind.
Zuallererst einmal wäre dort der Siedlungsausbau, immerhin eine Maßnahme, die nicht nur bei den Ultraorthodoxen sondern bei vielen Israelis Unterstützung findet. Die israelischen Siedlungen in Judäa und Samaria (besser bekannt unter dem ahistorischen Namen Westjordanland) sind der ethno-nationalistischen Palästina-Regierung schon seit Jahren ein Dorn im Auge. Ähnliche Animositäten empfinden Linke auf der ganzen Welt. Die Siedlungen sind überwiegend friedlich, doch unter der dortigen arabischen Bevölkerung ist Antisemitismus so weit verbreitet, dass die beiden Gruppen nur schwer in Harmonie nebeneinander leben können. Deshalb war der Aufschrei bei deutschen Linken natürlich groß, als die neue israelische Regierung eine Expansion dieser Siedlungen ankündigte.
Fragwürdiger aus liberaler Sicht mögen die innenpolitischen Vorhaben der ultraorthodoxen Koalitionspartner Netanyahus zu sehen. Die Ultraorthodoxen konnten anders als oft behauptet keine Veränderung des Verhältnisses zwischen Staat und Kirche durchsetzen. Dafür soll es eine Justizreform geben. Bisher konnten in Israel Richter oft mehr oder weniger ihre Nachfolger selbst aussuchen – was dazu führt, dass sie sich aus Sicht vieler Konservativer von der Legitimierung durch die Volksvertreter immer mehr entfernt haben. Netanjahus Koalition will jetzt, dass Richter künftig von Regierung und Parlament ausgewählt werden. Das ist Gang und Gebe in vielen westlichen Demokratien wie in den USA oder auch hier in Deutschland. Zusätzlich soll das Parlament durch ein neues Gesetz ermächtigt werden, Entscheidungen des Obersten Gerichts wieder aufzuheben. Das mag als Aufweichung der Gewaltenteilung gelten, gibt es aber vereinzelt auch in manch anderen demokratischen Ländern, es war etwa lange Tradition in Großbritannien, mit breiteren Mehrheiten in Form von Verfassungszusätzen wird es auch in den USA praktiziert.
Daneben könnte Diskriminierung zukünftig ganz legal sein: Unternehmen sollen künftig Menschen aufgrund von religiösen Gründen ablehnen können. Diese Möglichkeit könnte genutzt werden, um homosexuelle oder arabische Mitbürger zu diskriminieren. Netanjahu selber sagte, er würde ein solches Gesetz nicht durchwinken, doch seine Koalitionspartner könnten ihm ein Ultimatum stellen, immerhin ist er auf die ultraorthodoxen Stimmen im Parlament angewiesen.
Auch wenn Netanjahus Koalitionspartner manchem durchaus zwielichtig erscheinen, gibt es guten Grund zu hoffen, dass sie sich eben nicht als autoritäre Theokraten erweisen. Der neue ultraorthodoxe Finanzminister Bezalel Smotrich schrieb neulich in einem Gastbeitrag für das „Wall Street Journal“, dass die neue Regierung die demokratischen Institutionen stärken wolle. Insgesamt scheinen die Ultraorthodoxen gezähmter aufzutreten. Der offen schwule Likud-Politiker Amir Ohana wurde mit Stimmen der Ultraorthodoxen zum neuen Sprecher des Knesset (dem israelischen Parlament) gewählt.
Angesichts der extrem einseitigen Berichterstattung über Israel tut eine differenzierte Betrachtung wie hier im Text einfach gut! 👍
sachkundig. so ist es. wenn die gesammelten anti-bibis sich nicht verweigern würden, könnte er auch gemütlich eine mitte-recht-koalition machen.