Meine Grundschulzeit – ich habe vielleicht nicht viel gelernt, aber dafür lauter tolle Zertifikate

Von Pauline Schwarz | Meine Einschulung war für mich ein großer Tag – und das nicht nur wegen der gigantischen Schultüte mit all den köstlichen kleinen Leckereien, die ich mir erhoffte. Ich hatte ein Jahr lang meine ältere Schwester genervt, ob ich nicht auch mal ihre Hausaufgaben machen könnte, und nun stand ich endlich davor, auch zu den Großen zu gehören, und meine eigenen Schulaufgaben zu kriegen. Ich war wahnsinnig aufgeregt und hatte ziemlich Angst, als ich das große Schulgelände betrat – alles war neu, voller fremder Kinder und Erwachsener. Während ich mich fest an meine Schultüte klammerte und versuchte, mich zu entscheiden, ob ich das jetzt schrecklich oder schön finden sollte, kam ein fremder Erwachsener auf mich zu und drückte mir als Einschulungsgeschenk eine grüne Brotbüchse mit der Aufschrift „Bündnis 90 – Die Grünen“ in die Hand. Damals konnte ich mit dem Namen nicht besonders viel anfangen – dieses kleine Geschenk sollte aber symbolisch für die nächsten sechs Jahre meines Lebens voll von Öko-Propaganda, Esoterik und blindem Toleranzgehabe stehen.

 

Inklusion um jeden Preis

Meine Grundschule galt damals als eine der besten Schulen Kreuzbergs und rühmte sich „so bunt, lebendig und vielfältig“ zu sein, wie der Kiez um sie herum. Ich verstand das Konzept einer Inklusionsschule mit meinen sieben Jahren noch nicht, wusste aber, dass wir eine „Schule für alle“ waren. Dass mindestens die Hälfte meiner Klassenkameraden ausländische Wurzeln hatte, wunderte mich nicht – als Kreuzberger Zögling war das für mich das normalste der Welt. Und alle, das waren eben alle aus meinem Kiez. Ich sollte aber schnell lernen, dass „alle“ nicht nur verschiedene Herkünfte und Einkommensklassen meinte. Es bedeutete, dass in jede einzelne Klasse mehrere verhaltensauffällige Schüler und mindestens ein geistig oder körperlich schwer behindertes Kind gesteckt wurden. Dann sollten wir zusammen Unterricht machen, als gäbe es keinerlei Unterschiede zwischen uns – doch das fiel mir, zumindest am Anfang, sehr schwer.

Das behinderte Mädchen in meiner Klasse konnte weder sprechen, noch laufen. Sie konnte kaum ihren Kopf grade halten oder ihren Mund schließen und schrie manchmal plötzlich völlig unverständlich herum – das machte mir Angst. Ich hatte in meinem kurzen Leben noch nie mit einem so schwer behinderten Menschen zu tun, wusste nicht, was das bedeutet, und wie ich damit umgehen sollte. Doch danach fragte mich niemand. Ich sollte mich, wie jeder in meiner Klasse, ab sofort und teilweise auch ohne die Hilfe von Erwachsenen um das Mädchen kümmern. Den „Selin-Dienst“, wie wir ihn nannten, fand ich am Anfang grauenhaft. Ich war dazu verdonnert, Zeit mit einem Kind zu verbringen, mit dem ich nichts anfangen konnte – wir konnten uns weder unterhalten, noch toben oder zusammen malen. Und nicht nur das: Ich musste ihr helfen, zur Toilette zu gehen, und ihr Essen geben, dass sie mir -unbeabsichtigt- wieder entgegen spuckte – ich fand das, um ehrlich zu sein, ziemlich eklig und verinnerlichte statt Toleranz immer mehr Abneigung durch meinen Zwangsdienst. Aber trotzdem gewöhnte ich mich daran und war irgendwann sogar richtig scharf darauf – denn dann durfte man endlich auch mal Fahrstuhl fahren und gratis in der Mensa essen. Um Selin ging’s dann zwar kein bisschen, aber so erkauften sich die Lehrer unsere Mitarbeit.

 

Staatlich zertifizierter Gemüseaktivist

Rückblickend bin ich ziemlich erstaunt, dass wir für unseren unermüdlichen Einsatz und die stupide Gleichmacherei damals keine Urkunden zum vollausgebildeten Integrations-Schüler bekommen hatten – sowas bekam man an meiner Schule nämlich wirklich für jeden Scheiß. Nur nicht für sinnvolle Dinge, wie eine erfolgreiche Mathe-Olympiade oder hervorragende sportliche Leistungen. Aber wer brauch sowas auch? Statt Mathe hatten wir vom Senat geförderte „Schulobst- und Gemüseprogramme“. Um unsere Auszeichnung zum „5 am Tag“-Kid zu bekommen, wurden wir eine Woche lang durch die Bio-Höfe und Markthallen unserer Stadt gejagt. Ich musste mir zig Vorträge darüber anhören, welche grauenvollen Krankheiten mich schon bald ereilen, dass ich fett werde und mit dreißig tot umfalle, wenn ich nicht genug Grünzeug in mich reinfuttern würde.

 

Meine neu gewonnene Leidenschaft – ich fand Gemüse zwar immer noch widerwärtig, aber die Urkunde klebte immerhin ein paar Tage lang in meinem Zimmer – sollte ich dann kurze Zeit später mit der Teilnahme am Wettbewerb „Bio find ich kuh-l“ beweisen. Bei dem vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz ausgerichteten Schülerwettbewerb stellte sich meine Klasse dem bundesweiten Wettkampf um das beste Öko-Propaganda-Video. Wir fuhren für unsere Aufnahme extra zum Bio-Bauernhof in Dahlem und ließen uns dort zunächst in Stimmung bringen – wir liefen herum und bekamen ausführlichste Informationen darüber, wie man die armen kleinen Tierchen in der Massentierhaltung quälen, sie schlagen, ihnen jeden Knochen brechen und sie verelenden lassen würde. Bei den Gedanken an die kleinen lustigen Ferkelchen, die ihrer Mutter entrissen werden, und die armen putzigen Küken, die man mit Haut und Federn in den Schredder warf, brach mein kindliches Herz. Danach war ich Feuer und Flamme für das Projekt.

 

Brotbüchsenkontrolle im Spalier

Der Öko-Aktivismus meiner Lehrer beschränkte sich aber nicht nur auf Bildungsprogramme vom Berliner Senat – man setzte auf härtere Bandagen, um zu überprüfen, ob wir wirklich fest an der Gemüsefront standen. Das bedeute, dass wir uns auf Kommando alle paar Tage in Reih und Glied aufstellen und unsere Brotbuchsen vorzeigen mussten. Jede einzelne wurde streng begutachtet. Ich hatte eine höllische Angst, wenn ich bei der Brotbüchsenkontrolle dran war, denn es wurde immer mindestens ein Kind angebrüllt und vor den anderen dafür gedemütigt, dass es ungesundes Essen dabeihatte – Todsünden wie Weißbrot, Nutella oder Süßigkeiten. Meine Hände zitterten jedes Mal vor Angst, obwohl ich sowieso nur langweiliges Graubrot mit Salat in meiner grünen Brotbüchse hatte. Mir fiel jedes mal ein Stein vom Herzen, wenn meine Lehrerin nach einem skeptischen Blick weiter zum nächsten Kind schritt – und es zornentbrannt dabei erwischte, mit seinen Leckereien die Kollektivmoral der ganzen Klasse zu gefährden.

In unserem Unterricht ging es generell sehr viel um Disziplin – aber nicht um solche, die man an einer Schule erwarten und für angemessen halten würde. Ich weiß von einer Freundin aus Bayern, dass die Kinder dort immer aufstehen und den Lehrer förmlich begrüßen mussten, sobald er in die Klasse kam. Verhielt sich jemand respektlos oder machte seine Schulaufgaben nicht, gab es jede Menge Ärger. Das alles sah bei uns etwas anders aus. Leistung war nicht so wichtig, dafür legte meine Lehrerin großen Wert darauf, dass wir morgens fehlerfrei dem Sonnengott Aton huldigten. Mir wurde so intensiv eingetrichtert, dass ich die Sonnenhymne fühlen und meinem ganzen Körper präsentieren sollte, dass ich bis heute manchmal spontane Flashbacks bekomme und von meinem Ohrwurm gezwungen werde zu murmeln: „Strahlend steigst du am Rand des Himmels, Aton, der du lebst seit Anbeginn…“.

 

 

Die „Porno-Nonne“, das Chakra und die Aura

Als wäre das alles noch nicht skurril genug, sollten wir nur kurze Zeit später mit Atemübungen beginnen – die uns von der „Porno-Nonne“, einer kleinen merkwürdigen Frau beigebracht wurden. Sie hatte sich ihren Namen durch ihre Kutten-ähnliche Kleidung und die Übungen verdient, bei denen wir immer wieder in die Hocke gehen und dabei laut stöhnen mussten. Das fanden wir sehr sexuell und damit extrem peinlich – auch wenn wir mit neun-zehn Jahren in echt natürlich keine Ahnung von Sexualität hatten. Um mich aus der unangenehmen Situation irgendwie zu befreien, versuchte ich immer wieder das ganze ins Lächerliche zu ziehen, in dem ich die Übungen absichtlich falsch machte und blöde Grimassen zog. Aber das ließ ich bald wieder, denn es hagelte nicht nur der Zorn der Porno-Nonne, sondern auch jede Menge Strafarbeiten.

Was blieb mir übrig, als mich den Atemübungen und der darauffolgenden Lehre von der Energie und den Chakren zu fügen. Ich war damals mindestens genauso verstört, wie fasziniert, als die kleine graue Frau ihre Augen weit aufriss und voller Inbrunst anfing über Energiefelder zu sprechen, die wir in uns sammeln und mit viel Konzentration an unseren Nachbar weiterreichen konnten. Sie sprach von der Macht der Chakren und über die Aura, die einen jeden von uns umgibt. Unter keinen Umständen durften wir die Aura eines anderen unerlaubt berühren und verletzen – das wäre, als würden wir direkt und unerlaubt in seine Seele greifen. Wir sollten sie schätzen und respektieren.

So viel zur Theorie – in der Praxis interessierte es niemanden, ob wir uns gegenseitig respektierten oder an die Gurgel gingen. Auf dem Pausenhof gab es beinah täglich Schlägereien. Meine Lehrer wussten, dass wir uns regelmäßig zur Schlacht der Geschlechter verabredeten, wo Jungs und Mädchen gegeneinander aufmarschierten und dann aus Spaß an der Sache aufeinander einprügelten – aber es schien sie nicht zu besorgen. Ein blaues Auge, eine blutige Nase? Das sind doch nur Spielerein und hat noch keinem geschadet. Je nach Situation nahm man es mit seinen Moralvorstellungen und seinem pädagogischen Auftrag einfach nicht mehr so eng – wenn Türken und Kurden aufeinander einschlugen, kniff man einfach ganz fest die Augen und Ohren zu, tat so, als würde man nichts mitbekommen, und sang das Lied von der Toleranz. Schon war alles wieder gut.

 

Am Ende kommt die Quittung

Am Ende haben sechs Jahre links-grünes Brainwashing leider seine Spuren an mir hinterlassen – während meiner Oberschulzeit war ich eine ziemliche Nervensäge, die an jeder Ecke Rassismus und Intoleranz witterte. Und ich hatte ein Problem: Ich sollte plötzlich Englisch-Arbeiten schreiben, obwohl ich bisher nur Lieder von Farmer Richiburg und Old McDonald gesungen hatte – meine Lehrerin nahm mich damals aus der Klasse, um mir zu sagen, dass mir jegliche Grundlagen fehlten und ich den Unterricht so nicht schaffen würde. Da stand ich nun: Ich hatte all die Jahre nichts gelernt, aber dafür mindestens fünf Urkunden, die sagten, was für ein tolles Anti-Rassismus-, Vielfältigkeits- und Öko-Toleranz-Kid ich doch bin.

2 Antworten

  1. Jannis K. sagt:

    Klingt gruselig und bestätigt mich einmal mehr darin, wie froh ich bin, keine Kinder in dieses unüberdachte Irrenhaus BRD gesetzt zu haben.

    An Frau Schwarz: hatten Ihre Eltern mit all diesen Sachen eigentlich nie ein Problem? Ich finde schon Parteiwerbung bei einer Einschulung geht nicht und spätestens bei dieser Brotdosen-Selektionsveranstaltung hätte ich den Lehrer und den Rektor um ein Gespräch gebeten und zwar im Zweifel jedesmal, wie man diesen Schwachsinn im Unterricht gemacht hat.

  2. Heinz Schmidt sagt:

    Man schwankt beim Lesen zwischen Mitleid und ohnmächtiger Wut. Wer jetzt denkt., wie kaputt ist Berlin, dem sei gesagt: dieser Text ist eine exakte Beschreibung der Zukunft an Deutschlands Schulen, wenn es nach den Grünen geht.