Make Bildung great again! – Wünsche eines Schülers in Berlin

Von Jerome Wnuk | Bildungspolitik ist seit Jahren ein Problem in Deutschland, marode Schulgebäude, zu wenig Lehrer und mangelnde Motivation der Schüler. Ich gehe in Berlin zur Schule, sozusagen in einem dritten Welt Land was Bildung angeht, auch während Corona hat sich da nichts verändert, wenn nicht sogar verschlimmert. Und das muss sich ändern, Deutschland, vor allem aber Berlin und die anderen Bundesländer, die beim PISA-Test 2019 desaströs abgeschnitten haben müssen wieder besser in Sachen Bildung werden. Also Berlin, Deutschland, wir haben ein Gespräch zu führen.

Ich bin jetzt im 5. Jahr an meinem Gymnasium und habe schon so gut wie alles, was Lehrer angeht erlebt. Gerade da ich im Prenzlauer Berg zur Schule gehe, sind bei mir noch einige alte DDR-Lehrer an meiner Schule, mir ist schon passiert das ich, weil ich ein wenig pro-Amerika und pro-Westen geschrieben habe, ganze zwei Noten abgezogen bekommen habe für „politische Verfehlung“. Es wurde also nach Meinung und nicht nach Kenntnis bewertet. Als ich dann während der Homeschooling-Phase (die übrigens bei uns ein einziges Desaster war) auf einmal nicht mehr nach meiner Überzeugung, sondern nach ihrer geschrieben habe, bekam ich nur noch Einsen oder Zweien und keine „politische Verfehlung“ Bemerkung.


So viel Kompetenz bei den Lehrern, wie Motivation bei den Schülern 

Dazu wechselten meine Fachlehrer jedes Jahr, teilweise sogar jedes halbes Jahr, sodass Gewöhnung an einen Lehrer unmöglich war. Das Problem mit fachlicher Kompetenz der Lehrer und allgemein der Lehrersituation an deutschen aber vor allem an Berliner Schulen ist allgegenwärtig. Aber darum soll es mir in dem Artikel gar nicht gehen, viel eher will ich ein paar sinnvolle, debattierbare Vorschläge zeigen, die natürlich nicht das deutsche bzw. Berliner Bildungsproblem lösen aber vielleicht das Leben des einzelnen Schülers verbessern.

Um das ganze Problem zu lösen oder zumindest die aktuelle Lage unserer Schulen zu verbessern, müssten wir erstmal den Bildungsföderalismus reformieren. Die umfassende Modernisierung des Bildungssystems würde Länder und Kommunen allein überfordern. Die Finanzierung dieses Vorhabens muss eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe werden. Dazu würden natürlich auch Erhöhungen der Ausgaben für Bildung gehören, jedoch können folgende Vorschläge auch ohne große Neuausgaben funktionieren.


Lasst uns verdammt nochmal ausschlafen!

Wenn ich eins am Homeschooling zu Lockdown-Zeiten vermisse, ist es das längere Ausschlafen auch an Wochentagen. Und da setzt der erste Vorschlag an: Lasst die Schule später beginnen! Das soll nicht heißen, dass die Schüler jetzt jeden Tag um 10 Uhr kommen sondern, das man zumindest ein-/zweimal die Woche die Schule etwas später beginnen lässt. Und das hat einen ganz einfachen Grund: GesundheitFür Teenager empfehlen Forscher immer wieder pro Nacht zwischen acht und zehn Stunden Schlaf. Ich muss morgens um 7 raus, viele meiner Mitschüler sogar noch viel früher.

8 Stunden Schlaf in der Woche sind daher extrem schwer, zehn Stunden unvorstellbar. Mit einem etwas späteren Schulbeginn würden also die Schüler ausgeschlafener und besser gelaunt in die Schule kommen, das würde auch bedeuten, dass das Lernklima und die Lernbereitschaft besser oder überhaupt mal vorhanden wären, was sowohl für Schüler als auch für Lehrer vom Vorteil wäre. Ein Argument, dass immer gegen einen späteren Schulstart genannt wird, ist, dass die Eltern zur gleichen Zeit aus dem Haus müssen und die Kinder zur Schule bringen können oder zumindest darauf achten, dass sie nicht zu spät zur Schule gehen. Aber wäre es nicht vielleicht gut, wenn die Schüler selbstständiger werden? Schließlich soll die Schule uns doch auf das Berufsleben vorbereiten, und haben wir auch keine Mutter, die uns morgens aus dem Haus scheucht.


Homeschooling: ein kleines Desaster

Die zweite Forderung braucht eine kleine Einleitung. Die Homeschoolingphase, die man hier in Berlin zu Zeiten des Lockdowns erleben musste, war zumindest bei meiner Schule – aber wahrscheinlich auch an vielen anderen Schulen – mit der Hoffnung verbunden, dass bewiesen wird, dass Schule auch fern vom Schulgebäude funktionieren kann. Bei uns war das Ganze aber ein kleines Desaster und auch bei meinen Bekannten aus anderen Schulen soll es zu Problemen gekommen sein. 

Das Hauptproblem war dabei die Absprache mit den Lehrern, ein paar Lehrer nahmen die gestellten Aufgaben über den „Lernraum Berlin“ auf, andere konnte man nur per E-Mail erreichen, für einzelne Aufgaben brauchte man außerdem noch Plattformen wie Discord oder Zoom. Man hatte also am Ende gar kein Überblick mehr, wo man die Aufgaben hin schicken sollte, gerade da man immer 30-40 Anhänge in der Email mit den Aufgaben bekam. Eine Rückmeldung von den Lehrern bekam man meistens auch nicht. Auch was die Aufgaben an sich und die Planung betraf, ging sehr viel schief. Man bekam beispielsweise in Spanisch Aufgaben, die wir in der Schule in höchstens zwei Wochen geschafft hätten, für 3-4 Tage, während man in anderen Fächer teilweise wochenlang kaum was zu tun hatte. Irgendwann haben manche Lehrer auch einfach aufgehört Aufgaben zu schicken. Für uns Schüler war das natürlich angenehm, rächt sich jetzt nur, weil man jetzt in der 11. Klasse – in die ich jetzt gehe – teilweise schon merkt, welche Wissenslücken man hat und wir dementsprechend jetzt mehr machen müssen.


Teilweise bekamen wir auch völlig absurde Aufgaben, meine Musiklehrerin stellte uns die Aufgabe, uns doch bitte auf unseren Balkon zu stellen und für unsere Nachbarn ein Lied zu singen, Gott sei  Dank musste man dies nicht nachweisen, sodass ich nicht wegen Lärmbelästigung angezeigt wurde.


Das absolute Highlight in der Homeschoolingphase bleibt für mich aber immer noch, dass unserem Klassenlehrer zwischendurch sein Computer kaputtging und wir deswegen ein paar Tage keine Aufgaben bekamen. Zu unserem damals vereinbarten Discord-Treffen kam er dann natürlich auch nicht, obwohl er uns eine Woche davor, als wir Schüler nicht da waren, eine Wut-E-Mail sendete, das wir uns gefälligst respektvoll verhalten sollen. Es zeigt sich also, damit Deutschland ein Digitalisierungs-Standort wird müssen wir erstmal unsere Schulen digitaler und progressiver machen und da setzt der Vorschlag an:


Tablets!- man wird ja wohl noch träumen dürfen… 

Dänemark macht´s schon vor. Dort sind Tablets fester Bestandteil des Schullebens geworden-  das können wir auch und es wäre gar nicht so teuer. Wie schön wäre es, wenn man anstatt der 8 Kilogramm schweren Schultasche voll mit Büchern einfach ganz locker nur mit einem Tablet bzw. mit einem Laptop in die Schule fahren könnte. Ich bzw. meine Eltern und auch alle anderen Eltern zahlen jedes Jahr knapp 40-70€ für Bücher, die wir meisten nicht viel benutzen und weiterhin Arbeitsblätter ohne Ende bekommen. Wenn man das ungefähr hochrechnet, kommt man für 12 Jahre Schule auf 400-700 €- damit könnte man locker ein Tablet oder ein Laptop finanzieren, wenn man nicht sogar schon einen privat hat, was bei den meisten Schülern der Fall ist.

Tablets und Laptops sind außerdem auch umweltfreundlicher als hunderte Arbeitsblätter – also liebe Grüne: macht Notizen und fordert mal was sinnvolles! Außerdem würde man Schüler und Lehrer den Umgang mit solch digitalen Medien vertraut machen, damit – falls man irgendwann wieder auf Homeschooling setzen muss oder will, das dann nicht so schlecht abläuft wie ich erfahren musste. Und da alles digitaler wird, wäre es doch auch nicht schlecht, wenn wir nicht in allem hinter den fortschrittlicheren Ländern her hinken. Da ich in Diskussionen über das Thema immer wieder das Argument „Die Schüler verlernen aber das Schreiben“ höre und dieses auch seine Richtigkeit hat, müsste man das Tablet natürlich nicht vordergründig als Schulmedium nutzen, sondern als Hilfsmittel und als schnellere, effektivere Alternative für das schwere Buch. Um den linierten bzw. den karierten Block kommt der Schüler also nicht herum.

Und wie schon erwähnt, nur Tablets und mehr Schlaf werden das Problem nicht aus dem Weg räumen. Aber immerhin das Leben des Schülers an deutschen Schulen  wäre auf jeden Fall angenehmer und da spreche ich aus Erfahrung. Aber was weiß ich denn schon – ich bin ja nur ein unausgeschlafener Schüler mitten im Schulleben. Die Schulräte, die ihren ganzen Tag in ihrem Elfenbeinturm unsere Lernpläne schreiben, wissen natürlich viel besser was das Beste für mich ist.