Liebe Hessen, holt Nancy Heim!

Von Jonas Kürsch | Eines der wohl faszinierendsten Konzepte aus George Orwells gespenstischer Dystopie 1984 wird für mich der Neusprech-Begriff des „Doppeldenks“ oder „Zwiedenkens“ bleiben. Mit diesem Neologismus beschreibt Orwell in seinem Roman eine manipulierte Art des Denkens, durch die es gelingt, zwei sich gegenseitig widersprechende politische Positionen gleichzeitig als gültige Wahrheiten anzuerkennen. Im Roman verwendet die totalitäre Ideologie des „English Socialism“ das Denksystem, um rapide Kurswechsel der Regierung und unlogische Prinzipien des Staates aufrechtzuerhalten und erklären zu können.
Ich gebe zu, es wäre vielleicht ein wenig übertrieben, wenn man die Formierung der Ampelkoalition in Deutschland mit der Errichtung eines skrupellosen Systems wie dem English Socialism vergleichen würde – das ist auch nicht die Absicht dieses Artikels! Dennoch ist es immer offensichtlicher geworden, dass die Bundesminister dieses kopflosen Kabinetts den Bezug zur Realität weitestgehend völlig verloren haben. Immer wieder wird heutzutage von hochrangigen Politikern versucht, die eigenen schlechten Entscheidungen mit widersprüchlichen und teils völlig entgegenstehenden Gedankengängen vor der Bevölkerung zu rechtfertigen, die sich im Grunde nur als deutsches Pendant zum Orwellschen Doppeldenk bezeichnen lassen. Eine Meisterin dieser politischen Rationalisierung der eigenen Ideologie wider den gesunden Verstand ist die Bundesinnenministerin (und Antifa-Hobbyautorin) Nancy Faeser (SPD).
Es reicht nur der Blick auf eine von Faesers berüchtigten Reden aus dem vergangenen Jahr, während der sie im Rahmen der „Aktuellen Stunde zur Bedrohung durch Reichsbürger und Rechtsextremisten vor dem Deutschen Bundestag am 14. Dezember 2022 in Berlin“ ihre Visionen für eine Stärkung der demokratischen Zivilgesellschaft und den gesetzlichen Schutz des deutschen Rechtsstaates vor den Abgeordneten darlegte. Im Rahmen dieser Ansprache machte die Hessin deutlich, dass sie in den folgenden Monate eine schnellere Entlassung von sogenannten „Verfassungsfeinden“ aus dem öffentlichen Dienst anstrebe und daher eine Reform des gegenwärtigen Verfahrens notwendig geworden sei.
Gerade dieser Wortbeitrag bewies allerdings ihr fehlendes Verständnis für jedwede Rechtsstaatlichkeit, denn ihre Methodik zum Erreichen dieser Ziele beinhaltete die Einführung einer sogenannten ‚Beweislastumkehr‘ im Disziplinarverfahren für Beamte im öffentlichen Dienst. Demzufolge wollte Frau Faeser ein juristisches System schaffen, bei dem unter Verdacht stehende Beamte aktiv ihre Unschuld beweisen müssten, und nicht umgekehrt deren Schuld durch das Gericht nachgewiesen werden müsste. Sobald aber die Schuld eines Angeklagten nicht länger in einem gerichtlichen Verfahren durch Indizien bewiesen werden muss, befinden sich die Grundpfeiler einer jeden rechtsstaatlichen und demokratischen Gesellschaft auf fundamentale Art unter starkem Beschuss. Würde man den juristischen Grundsatz „in dubio pro reo“ (im Zweifel für den Angeklagten) im Kontext einer solchen Rechtsreform aussetzen, käme das einer de facto Abschaffung aller juristischen Grundsätze unserer Verfassung gleich. Nach einer gewaltigen Empörungswelle nahm Faeser das Statement letztendlich kleinlaut zurück und verabschiedete sich – zumindest öffentlich – von der möglichen Einführung einer Beweislastumkehr.
Ihr widersprüchliches Verständnis vom deutschen Rechtsstaat zeigt sich auch in Faesers irreführenden Flüchtlings- und Migrationspolitik. Obwohl sie den Rechtsstaat effektiv vor Extremisten beschützen will, lehnt Faeser die Abschiebung eines schwerkriminellen Asylanten aus Afghanistan vehement ab. Trotz seiner Verurteilung wegen der Vergewaltigung einer 14-Jährigen in Illerkirchberg verhindert das Innenministerium derartige Maßnahmen, denn angeblich sei eine Einzelabschiebung nicht möglich. Im Hinblick auf die Tatsache, dass zum einen die Polizei dem Mann ein hohes Gefahrenpotenzial einräumt und zum anderen sogar das grün regierte (!) Baden-Württemberg die Abschiebung des Mannes einfordert, ist Faeser Haltung wirklich einzigartig und skandalös. Erst vor kurzem haben sich die Bürger der Stadt Illerkirchberg mit einer Petition an Nancy Faeser gewandt und eine sofortige Abschiebung schwer krimineller Flüchtlinge gefordert, ebenso der CDU-Bundestagsabgeordnete Alexander Throm. Auch ihr zuletzt noch prominent inszenierter Flüchtlingsgipfel spiegelt Faesers paradoxes Verhältnis zur Realität wieder: so sprach sie den Landräten und Kommunen Hilfe bei der Aufnahme neuer Flüchtlinge zu, nur auf allzu große Summen dürfe man laut der Ministerin nicht hoffen!
Diesem Potpourri an Widersprüchlichkeiten im eigenen Handeln und Sprechen setzt Faeser allerdings mit ihrer Kandidatur als SPD-Spitzenkandidatin zur diesjährigen Landtagswahl in Hessen die Krone auf. Sie wolle gleichzeitig in der Lage sein, ihren Verpflichtungen als Bundesinnenministerin gerecht zu werden und in ihrem Heimatbundesland Wahlkampf für die SPD als potenzielle Ministerpräsidentin zu machen. Wie genau das möglich sein soll, erklärt sie allerdings nicht. Letztlich bleibt mir daher nichts anderes übrig, als mich der Bitte des deutschen Journalisten und Publizisten Henryk M. Broder an die hessischen Wähler anzuschließen: „Bitte, bitte, holt Nancy Heim!“
Frei nach Luisa Neubauer: „Doppeldenk ist besser als gar nicht Denk.“ (Kleiner Scherz) Spaß beiseite: ich fürchte, die Hessen wollen sie auch nicht haben.