Über den Zenit der Freiheit
Von AIR TUERKIS |
Ein Liberaler ist der, der die Freiheit als oberstes Ziel allen politischen Handelns betrachtet. Ein Liberaler ist nur der, der dabei keine Kompromisse macht! Jeder, der etwaige andere Punkte der Freiheit vorzieht, ist weder ein Liberaler noch ein Links-, Rechs- oder Sozialliberaler.
Doch müsste dann nicht jeder Liberale ein Anarchist sein? Müsste nicht jeder die logische Konsequenz aus dem Kampf gegen die Eingriffe des Staates ziehen und einen solchen völlig und bedingungslos ablehnen?
Ein naheliegender Gedankengang. Wer von uns hat (etwa nach dem Lesen des Grünen Parteiprogramms) nicht schon einmal darüber nachgedacht, den Staat aufzulösen, um diesen mächtigen Apparat nicht in falsche Hände geraten zu lassen? Auch liebäugeln einige sicherlich mit dem Gedanken der vollständigen Privatisierung, da der freie Markt ja immer wirtschaftlich effizienter als ein Staatsunternehmen ist.
Doch ist das wirklich sinnvoll? Ist die Freiheit des Menschen wirklich am größten, wenn es keinen Staat und keine Steuern gibt?
Dem geht eine, unter freiheitsorientierten Menschen weitverbreitete Idee voraus:
So kleiner der Staat desto freier die Menschen.
Es gibt also einen parallelen Verlauf zwischen „weniger Staat“ und „mehr Freiheit“.
Auch der Gedanke der Sicherheit wird ähnlich behandelt. So mehr Sicherheit, desto weniger Freiheit, denn:
Wer bereit ist, Freiheit zu opfern, um Sicherheit zu gewinnen, verdient weder das eine noch das andere, und wird am Ende beides verlieren
(-Benjamin Franklin)
Jede Schaffung von Sicherheit impliziert also einen Abbau von Freiheit. Und tatsächlich:
In Zeiten von „Netz DG“, Überwachung im öffentlichen Raum und dem Staatstrojaner stimmt es, dass der Staat unsere Freiheit radikal beschneidet, um Sicherheit zu gewinnen.
Aber ist es sinnvoll, den Kampf gegen diese Dinge zu verallgemeinern?
Wenn wir bei Dunkelheit durch die Straßen laufen und ein Polizeiauto sehen, wird wohl niemand von uns auf den Gedanken kommen, dass hier die persönliche Freiheit eingeschränkt wird. Im Gegenteil: Man fühlt sich nicht nur sicherer sondern auch freier: frei, tun und lassen zu können, was man will! Frei, durch die Straßen zu laufen, wo und wann man will ohne Angst haben zu müssen. Denn die einzige „Freiheit“, die durch diese Ordnungshüter eingeschränkt wird, ist die des Verbrechers. Und zwar jene, Verbrechen zu begehen, bzw. die, die ihm als Strafe für das Getane entzogen wird. Über diese Freiheitsbeschneidung wird sich aber niemand aufregen, da der Verbrecher seine Selbstbestimmung auf diesem ganz bestimmten Gebiet selbst verwirkt hat. In dem Moment, wo er versucht hat, anderen ihre Freiheit zu nehmen, zerstörte er seine eigene. Das ist nichts Falsches sondern etwas Notwendiges!
In gewisser Weise schließen Freiheit und Sicherheit sich also nicht aus, sondern benötigen vielmehr einander.
Wir regen uns eben nicht darüber auf, dass Verbrecher überwacht, ihre Verbrechen durch Kameras aufgeklärt oder die Hass- und Beleidigungsposts auf Facebook gelöscht werden, sondern dass zugunsten eben jener Vorteile die Meinungsfreiheit und Privatsphäre völlig unschuldiger Menschen eingeschränkt wird. Wir regen uns darüber auf, dass der Staat unsere Freiheit, die Freiheit der Unschuldigen opfert, um einige Verbrecher besser in den Griff kriegen zu können. Und das ist auch das, was Franklin sagen wollte:
Es heißt nicht umsonst nicht „Wer mehr Sicherheit erwirkt, der wird Freiheit verlieren“ sondern „Wer bereit ist, Freiheit ZU OPFERN, um Sicherheit zu gewinnen […] wird am Ende beides verlieren“. Denn es gibt eben Bereiche, wo Sicherheit Freiheit nicht im Weg steht, sondern vielmehr hilfreich für sie ist.
Genauso verhält es sich mit dem Staat:
Ein Staat, der gewissenhaft seine Grundaufgaben – also Polizei, Justiz, Bildung, Infrastruktur, Verteidigung und noch ein paar andere Dinge – erfüllt und darüber hinaus keinen unnötigen Eingriff in die persönliche Freiheit der Menschen vornimmt, ist hilfreich!
Wir Liberalen kämpfen gegen jene schlechten Eingriffe! Von ihnen geht die Gefahr für unsere Lebensart aktuell aus! Hohe Abgaben & Steuern, viele Gesetze, viel Überwachung, wenig demokratische Kontrolle, ausufernde Staatsquote usw. (Sie wissen wovon ich spreche). Doch wenn wir einmal all dies beseitigt haben, dann müssen wir diesen Kurs nicht um des Kurses Willen fortsetzen! Wenn wir einen kleinen Staat haben, der all seine Aufgaben erledigt und uns ansonsten in Ruhe lässt (nach jetzigem Gefühl wird das leider noch sehr lange dauern), dann sollten wir es dabei belassen – dann ist nämlich die maximale Freiheit erreicht!
Freiheit bedarf eben nicht einzig und allein eines Laissez-faires, sondern auch der Herstellung von Grundbedingungen. Von Grundbedingungen, in denen man seine Freiheit entfalten kann, von Grundbedingungen, unter denen ein fairer Wettbewerb überhaupt erst entstehen kann.
Ein Land ohne Staat und ohne Sicherheit wird auch ein Land ohne Freiheit sein, das von Banden und Giga-Konzernen tyrannisiert wird.
Nicht umsonst sind überall in der Welt früher oder später Staaten entstanden. Manche Projekte kann man eben nicht alleine schaffen! Autobahnbau ist nur durch den Staat möglich. Ein fairer Wettbewerb ist nur durch Regeln möglich! Und Sicherheit ist nur durch ein Gewaltmonopol des Staates möglich! Selbstjustiz ist auf Dauer eben subjektiv ungerecht!
Man muss erkennen, dass zwar aktuell der Wunsch nach mehr Freiheit mit dem Wunsch nach weniger Staat einhergeht. Doch auch, dass das nicht allgemeingültig ist! Wer zum Beispiel in Somalia lebt, wird mehr Staat als Grundbedingung seiner Freiheit empfinden. Unser Ziel ist die Freiheit. Ein kleiner Staat ist nur Mittel zum Zweck.
Es gibt einen Punkt, an dem der perfekte Minimalstaat erreicht ist und alle unnötigen Beschneidungen der Freiheit (zu Gunsten von Sicherheit) beendet wurden. Es gibt einen Punkt, ab dem weniger Staat eben zu weniger Freiheit und weniger Sicherheit eben zu weniger Selbstentfaltung führt: Den Zenit der Freiheit. Ein unübertreffliches Maximum. Das einer idealen Gesellschaft!