Von Elena Klagges | Semesterstart an den Universitäten in Deutschland und auf den ersten Blick scheint alles zur alten pre-pandemischen Ausgangssituation zurückgekehrt zu sein. In der Rundmail des Rektors heißt es, dass die Lehrveranstaltungen im Wintersemester 2022/23 in der Regel in Präsenz stattfinden sollen. Zwar ist die Anwesenheitspflicht bei einigen Veranstaltungen durch die Corona-Epidemie-Hochschulverordnung (CEHVO) noch ausgesetzt, aber wenn man den Campus betritt, sieht man glücklicherweise viele alte Gesichter und die Studenten scheinen sich wieder nach dem persönlichen Austausch zu sehnen. Und auch den Erstsemestern wird der übliche Start in ihren neuen Lebensabschnitt ermöglicht. Vergangene Woche konnte man überall in der Stadt Grüppchen bei der Stadtralley beobachten und im Supermarkt hörte man interessierte Kennenlern-Gespräche, während ein Bierchen für den Weg gekauft wurde.
Soweit die gute Nachricht. Dann heißt es aber weiter in der Mail, die Uni sei verpflichtet, mindestens 20% des durchschnittlichen Energieverbrauchs der vergangenen fünf Jahre einzusparen. Grundlage dafür ist unter anderen die Kurzfristenenergieversorgungssicherungsmaßnahmenverordnung (EnSikuMaV); was die schöne deutsche Sprache der Dichter und Denker nicht alles ermöglicht!
Zu den zentral organisierten Energiesparmaßnahmen zählen die Absenkung der Raumtemperatur auf maximal 19 Grad Celsius, ein eingeschränkter Schwimmbadbetrieb, aus den Trinkwasserhähnen soll nun ausschließlich Kaltwasser fließen und die Beheizung von Gemeinschaftsflächen, die nicht dem dauerhaften Aufenthalt dienen, muss ausgesetzt werden. Auch die Abschaltung der äußeren Beleuchtung von Gebäuden ist als Verbot in der Verordnung geregelt und noch einige Maßnahmen mehr werden aus Solidarität verordnet.
Meinetwegen, gewisse Beschränkungen mag man hinnehmen können; aber streiten lässt sich trotzdem über die Sinnhaftigkeit gewisser Regelungen.
Denn der Winter und die kalten Außentemperaturen kommen langsam, aber sicher; gleichzeitig damit die üblichen Erkältungen und – wie uns die Politiker niemals vergessen lassen – auch Corona wütet angeblich wieder mal verstärkt. Wenn man also von draußen kommt, setzt man sich nun in kalte Bibliotheken und friert für den Rest des Tages. Denn gerade wenn man viel lernt, senkt sich die Körpertemperatur schnell ab. Die Gefahr, dass man dann erst recht krank wird und für Tage ausfällt, ist somit deutlich gesteigert. Aber, Gott sei Dank tragen wir noch alle Maske, um gemeinsam durch die Krise zu kommen. Überall hängen Plakate mit solchen Sprüchen noch auf dem Gelände und es nervt. Die Wirksamkeit ist den Masken in verschiedenen Studien schon längst abgesprochen worden. Ein Zwang ist (noch) nicht wieder eingeführt und jeder soll freiwillig tun und lassen können, was er möchte; aber es wirkt wie eine perpetuale Standpauke.
Und wenn man sich zukünftig die Hände wäscht: Die kalten Finger werden mit einem Eisbad gereinigt werden müssen. Völlig konträr im Vergleich zum vergangenen Jahr, als uns Ursula van der Leyen doch so schön vorgesungen hatte, wie man sich die Hände anständig wäscht. Jetzt wird man nach dem Händewaschen kaum in der Lage sein, vernünftig einen Stift zu halten oder auch nur eine Zeile zu tippen.
Aber warum beschwere ich mich anstatt dankbar zu sein, dass ich überhaupt (noch) in die Uni gehen kann. Ich sollte mir wahrscheinlich ein Bespiel an denjenigen nehmen, für die der Campus quasi wieder zum zu Hause geworden ist. Trotz der abgesenkten Temperaturen, ziehen sich einige die Schuhe aus und machen es sich gemütlich, während der Kopf qualmt. Zwar besteht kein direkter Zusammenhang, aber wieder mal kann man es mir nicht recht machen. Sorry Roger Cicero – aber Leute, lasst die Schuhe an und trennt bitte zwischen privatem Bereich und öffentlichem Auftritt. Der Lockdown ist vorbei, ihr sitzt nicht mehr unbeobachtet in der Quarantäne und abgesehen davon, dass die Böden nicht besonders sauber sind, keiner möchte eure Socken bewundern – selbst nicht, wenn es Happy Socks sein mögen. Behaltet einen gewissen Anstand und benehmt euch – zeigt bitte auch in dieser Hinsicht Solidarität euren Kommilitonen gegenüber.
Vielleicht muss ich mich über diese Tatsache aber gar nicht lange aufregen, denn als Sondermaßnahme hat meine Universität beschlossen, die Gebäude, vor allem die Bibliotheken, vom 24.12.2022 bis zum 08.01.2023 zu schließen. Während des sogenannten ,,Absenkbetriebs’’ sollen Beschäftigte der Universität sich prioritär Urlaub nehmen oder Überstunden abbauen und sind sonst aufgefordert, aus dem Home-Office zu arbeiten. Selbstverständlich arbeiten über die Zeit der höchsten christlichen Feiertage normalerweise nicht viele Leute, aber mich stören die entmündigenden ,,Empfehlungen’’, die den Bürgern eine eigenverantwortliche Entscheidung a priori abnehmen wollen und dabei gleichzeitig an die Moral appellieren.
Für uns Studenten sind die Gebäude alle unbetretbar, ausschließlich ein gewisser Literaturbestand ist an einigen Standorten zugänglich. Auch hier: In den meisten Fällen wäre sowieso kaum jemand am Arbeitsplatz über die Weihnachtstage, aber gerade für Juristen, die bald darauf das Examen schreiben wollen, stellt diese überlange Schließung der Bibs schon eine große Belastung dar.
In den Nachrichten heißt es, die Gasspeicher seien zu 95% gefüllt und mit einer gewissen Anstrengung schaffe man es durch den Winter. Also bitte, liebe Politiker, setzt eure Prioritäten richtig. Der Lehrbetrieb hat die vergangenen Jahre schon erheblich gelitten, Studien beklagen enorme Rückstände bei Schülern und deutlich gestiegene Zahlen bei Depressionen unter Jugendlichen. Es geht um die Zukunft Deutschlands, um unsere Bildung und die Konkurrenzfähigkeit im internationalen Vergleich.