Kunstbanause vs. Kunstmensch – das große Apollo-Battle
Lesen Sie hier: Das große Debattenduell. Ist Moderne Kunst eine Bereicherung für die Galerien der Welt oder gehört sie doch eher in die Abfalltonne? Modernitäts-Banause Sven stellt sich dem Duell mit Dadaismus-Anbeter Jonas. Wer ist ihr Sieger: Team Das-Kann-Weg oder Team Her-Damit?

ACHTUNG: Dieser Beitrag könnte Spuren von Humor enthalten. Weder stümperhafte Kunstbanausen noch gaga-dadaistische Kunstmenschen wurden bei der Produktion dieser Kolumne ernsthaft verletzt. Dieser Austausch spiegelt in keiner Weise das Arbeitsklima bei Apollo News wieder, sondern dient schlichtweg Unterhaltungs- und Ausbildungszwecken. Seelsorgerische Unterstützung stand den Autoren zu jeder Zeit zur Verfügung.
Moderner Müll – Ist das Kunst oder kann das weg?

Von Sven Justin Verst | Um kritisch über moderne Kunst zu reden, muss man erst mal definieren, was damit gemeint ist. Nicht alles derzeit produzierte ist modern, nur weil es zeitgenössisch ist. Moderne Kunst hat einen gewissen anspruchslosen Charakter. Eine leere Leinwand, ein Haufen Schrott, in dem keinerlei Muster zu erkennen ist, aber auch Farbkotze qualifizieren als moderne Kunst. In allen lässt sich eine gewisse Faulheit erkennen, es braucht kein Können und kein Wissen, um diese Werke zu produzieren. Eine generelle Regel kann sein: Kunst ist auch Kunst, wenn sie nicht in einem Museum, einer Galerie oder präsentiert steht. Das vermutlich bekannteste Kunstwerk, das Porträt der Mona Lisa, würde auch auf einem verstaubten Dachboden als Kunst gelten. Für eine leere Leinwand gilt das nicht – genauso wenig für einen Haufen Schrott oder in anderen Worten: moderne Skulpturen.
Von der Kunst, Müll als Kunst zu verkaufen
Doch trotzdem benötigt es Talent, um erfolgreich zu werden mit moderner Kunst. Eine blanke Leinwand zu präsentieren und damit auch noch Erfolg zu haben, kann nicht jeder. Dafür braucht es ein gewisses Geschick, vielleicht sogar eine Gabe, eine gute Geschichte zu erzählen. Was soll einem eine blanke Leinwand sonst auch sagen? Diese Frage konnte mir bisher niemand verraten. Lediglich theoretisieren, was es alles ausdrückt, können die Kritiker. Die Künstler selbst schweigen entweder oder schreiben einen Aufsatz darüber, weshalb ihr Haufen Schrott patriarchale Strukturen im globalen Süden kritisiert. Ein bizarres Schauspiel, welches in sich selbst eine gewisse Kunstform ist: Kabarett.
Wer moderne Kunst – zurecht – nicht versteht und keine Stunde vor einer leeren Leinwand sitzen und nach dem Sinn des „Kunstwerkes“ suchen möchte, lässt sich prima als bildungsfern diffamieren. Die natürliche Schönheit von Landschaften, Porträts oder auch gewaltigen Malereien wie in der Sixtinischen Kapelle sind zwar nicht jedermanns Sache, aber alle erkennen eine gewisse Tiefe und halten einen Moment inne. Doch trotzdem hängen leere Leinwände in Ateliers und Menschen zahlen tatsächlich Eintritt für den Mist. Akademiker, Kritiker und die sonstige elitäre Schickeria lassen sich gerne verwundern von solch anspruchsvoller „Kunst“, über welche man nachdenken muss. Man solle bedenken, den Kontext, die Zeit und Intention, unter welcher die Leinwand leer gelassen wurde. Nur dann lässt sich das Kunstwerk verstehen. Eine gewisse Verbildung ist also Voraussetzung.
Moderne Kunst ist auf eine Weise ein Symptom unserer Zeit. Wirre Theorien kursieren im politischen Diskurs. Eigentlich immer getrieben von verbildeten Akademikern, welche aus dem Elfenbeinturm die Welt in grandiosen Theorien erklären wollen. Diese Theorien sind dann meist in sich geschlossen und jegliche Kritik kann entweder durch die Theorie selbst diffamiert werden oder man gilt wie bei der modernen Kunst, als ungebildet, unwoke. Auch moderne Kunst greift gerne diese Theorien auf und gilt in einigen Szenen als Aktivismus. Dieser Aktivismus, häufig als „gegen Rechts“ geframed, wird gerne staatlich gefördert.
Die Putzfrau als Alltagsheld
Auch wegen dieses Aspekts ist moderne Kunst eine Art Steuerbetrug. Linker intellektueller Müll wird von normalen Bürgern finanziert, um eine überdrehte und verbildete Elite zu bespaßen. Doch es gibt einen weiteren. Durch den enorm inflationären Kunsthandel können sich die weniger Schönen und Reichen Steuervorteilen durch Kunstspenden an Museen profitieren. Zwar handelt es sich dabei nicht ausschließlich um moderne Kunst, doch besonders leere Leinwände offenbaren ein korruptes System. Ein System der hohen Steuersätze mit zahllosen Schlupflöchern, damit die einigen wenigen, die es sich leisten können, Steuern entkommen.
Glücklicherweise gibt es regelmäßig unwissende Alltagshelden, welche sich unabsichtlich gegen das System moderne Kunst stellen. Reinigungskräfte, welche meist selbst Migrations- und „Menstruationshintergrund“ haben, tatsächlich über keinen hohen Bildungsabschluss verfügen, die moderne Kunstwerke entfernen. So verschwindet die Installation über patriarchale Unterdrückung des globalen Südens im Müll. Nicht aus Hass oder Missgunst, sondern schlicht, weil sie erkennen, was es wirklich ist: Abfall.
Von wegen Müll – Ihr seid doch nur Barbaren!

Von Jonas Kürsch | Allzu oft musste ich mich schon für meine Liebe zu exzentrischer Musik, abstrakten Plastiken und außergewöhnlichen Gemälden belächeln lassen. Gerade in diesen kulturlosen – fast schon barbarischen – Zeiten bin ich daher nichts anderes gewohnt, lieber Sven! Den meisten Menschen fehlt es leider an Geschmack und menschlichem Einfühlungsvermögen, um die komplexe Schönheit von vielen modernen und zeitgenössischen Künstlern zu verstehen. Besonders aufgrund der Tatsache, dass in meiner Heimatstadt Krefeld eine ganze Reihe von international anerkannten (zumeist sehr radikalen und ausdrucksstarken) Künstlern geboren wurde, sehe ich es als meine lokalpatriotische Pflicht an, die fälschlich verpönte Komplexität abstrakter Kunst vor Kulturbanausen wie dem Sven zu verteidigen.
Naturalismus ist Kunstfaschismus
Das häufigste Argument, mit dem ich mich im Rahmen dieses Themas konfrontiert sehe, ist die Aussage, man könne in kubistischen oder abstrahierten Gemälden keine wahre Technik mehr erkennen. So seien Picassos weinende Damen zu kindlich gemalt oder Joan Mirós Konstellationen nicht deutlich genug als „echte“ Motive identifizierbar. Menschen wie Sven vertreten ein in vielerlei Hinsicht veraltetes Kunstideal, dem zufolge Kunst nur dann als Kunst zu bezeichnen ist, wenn sie in unkreativer Manier das Seiende im Rahmen eines naturalistischen Objekts darstellt, oder kurz gesagt: wenn sie eine oberflächliche und leicht erkennbare „Schönheit“ widerspiegelt. Caspar David Friedrich oder Hans Holbein, die alten Meister der Malerei, werden damit unwiderruflich zum absoluten Inbegriff der „schönen Kunst“ fetischisiert. Alles, was davon abweicht, wird dann schnell als Kitsch verrufen.
Aber wie, lieber Sven, will man die Gefühle und Gedankengänge eines hochkomplexen Wesens wie dem Menschen nur darstellen, die sich kaum mit Worten und noch weniger mit den Gegenständen der physischen Realität erfassen lassen? Der Naturalismus, das gebe ich gerne zu, kann helfen, um Dinge zu dokumentieren, in diesem Sinne halte ich auch einen Hans Holbein durchaus für einen wichtigen Vertreter der Kunstgeschichte. Ab dem 19. Jahrhundert aber wurde den Künstlern klar, dass es nicht ihre Aufgabe war zu beschreiben, was mit Sicherheit existierte. Es geht im künstlerischen Bildungsprozess um so vieles mehr: vor allem strebt ein Künstler danach, eine Bindung zwischen dem Menschen und den transzendentalen Werten aufzubauen. Der Naturalismus verhindert diese sehr intime Auseinandersetzung mit der Tiefe der menschlichen Existenz und ist daher in vielerlei Hinsicht zu einem faschistischen System der gedanklichen Geradlinigkeit degeneriert.
Moderne Kunst als Kampf gegen den Elitarismus
Und ich weiß schon, der Sven wird vermutlich davon schreiben, wie bürgerfremd und elitär die moderne Kunst in vielerlei Hinsicht geworden sei. Ich möchte aber darum bitten zwischen dem Kunstmarkt und der Kunst an sich zu unterscheiden. Will also heißen: Das, was von den Eliten in edlen Galerien gekauft wird, hat nicht unbedingt viel mit den mutigen und neuen Motiven von idealistischen Künstlern zu tun. Im Gegenteil, echte moderne und zeitgenössische Kunstrichtungen sind zumeist ein klares Zeichen gegen ausufernde Dekadenz und Elitarismus. Die Expressionisten, Existenzialisten sowie andere Vertreter der subversiven „Dekadenzbewegung“ im 18. Jahrhunderten (u.a. Friedrich Nietzsche und Edvard Munch) wollten gerade mit ihren bewusst von den gesellschaftlichen Normen abweichenden Literatur- und Kunstwerken der Gesellschaft den Spiegel vorhalten und die elitäre Überfeinerung der zeitgenössischen Kunst kritisieren.
Ähnlich verhält es sich mit der hochpolitischen Aktions- und Performancekunst des 20. Jahrhunderts. So verfolgte Hannah Höch mit ihren dadaistischen Zeitungskollagen nie das Ziel, „handwerklich schöne“ Arbeiten hervorzubringen. Sie wollte ihren Frust über eine irrationale und menschenfeindliche Kriegseuphorie zu Zeiten des ersten Weltkriegen mit dieser untraditionellen Methode zum Ausdruck bringen. Ein gutes Beispiel dafür ist auch Joseph Beuys, der mit seinen kontroversen Fett- und Filzarbeiten eine Erweiterung im menschlichen Denken an sich bewirken wollte, sprich mit seiner Arbeit wesentlich erkenntnistheoretischer arbeitete, als es die „schönen“ Maler der alten Tage taten. Diese „Erweiterung des tradierten Kunstbegriffes“ sollte eine grundlegende Veränderung in der gesellschaftlichen Wahrnehmung an sich erreichen und somit die individuellen Fähigkeiten des denkenden und fühlenden Menschen wieder in den Vordergrund stellen. Das, lieber Sven, hat nichts mit Dekadenz zu tun, sondern mit dem ehrlichen Wunsch nach einer Verbesserung des menschlichen Lebens!
Die Kunst ist tot, es lebe Dada!
Schon Joseph Beuys wusste, dass nur die Kunst den Menschen und die Gesellschaft zu bessern vermag. Um dieses Ziel zu erreichen, bedarf es eben unkonventioneller Herangehensweisen, wie sie im Rahmen moderner Kunst häufig angewandt werden. Das veraltete Kunstweltbild von Sven ist daher etwas aus der Zeit gefallen. Ich bin da bei Beuys, für den jeder Mensch ein Künstler war, oder bei den Dadaisten, die gleich den Tod gesamten Kunst verkündet hatten. Denn sollten die modernen Formen der Kunst wirklich nicht länger als solche anerkennt werden, dann wäre mir vor allem letztere These mehr als recht.