Kevin McCarthy – Das Chamäleon der Republikaner wird Sprecher des US-Repräsentantenhauses
Von Boris Cherny | Dank des hauchdünnen Sieges der Republikanischen Partei bei den diesjährigen Zwischenwahlen winkt ihr nun auch die Besetzung des Postens des Sprechers des Repräsentantenhauses. Voraussichtlich wird diesen der langjährige Abgeordnete Kevin McCarthy ausfüllen. Als Sprecher des Repräsentantenhauses wird er für die nächsten zwei Jahre der zweitmächtigste Mann in Washington sein – und Nr. 3 in der Präsidentennachfolge. Es lohnt sich also einen Blick auf ihn zu werfen. Wird er die Republikaner zur effektiven Opposition gegen die Biden-Agenda aufschwingen können?
Der Kalifornier McCarthy ist bereits seit 2006 Mitglied des Repräsentantenhauses. Von 2010 an nimmt er wichtige Positionen in der Fraktionshierarchie der Republikaner ein, und wird wohl jetzt sein jahrelanges Ziel erfüllen, und höchstes Mitglied des Repräsentantenhauses werden. Bereits 2015 versuchte McCarthy, diese Verantwortung zu erhalten. John Boehner, der damalige Republikaner, der das Amt des Sprechers ausübte, trat zurück. McCarthy war anfangs der Topfavorit auf seine Nachfolge. Doch er konnte nicht die Unterstützung des konservativsten Flügels der Republikaner gewinnen, dem „Freedom Caucus“. Eine bittere Niederlage folgte, und statt ihm wurde der Kompromisskandidat Paul Ryan Sprecher.
2018 dann McCarthys bittersüßer Sieg. McCarthy wurde zu einem der frühesten und stärksten Verbündeten Donald Trumps während seiner Präsidentschaftskampagne. Um eine erneute Störung durch die Konservativen zu verhindern, versuchte er viel, und gab dabei sein moderates Image auf. Er war bereit, alles zu tun, um die Machtposition des Sprechers des Repräsentantenhauses zu erreichen. Sprecher Ryan kündigte seinen Rücktritt an, und dank seiner neuen Ausstrahlung stand McCarthy als Nachfolger für Ryan rasch nahezu sicher fest. Doch 2018 wurde zu einem katastrophalen Jahr für die Republikaner, und sie verloren ihre Mehrheit im Repräsentantenhaus, und damit ihren Anspruch auf den Posten des Sprechers. Stattdessen musste sich McCarthy mit dem schnöden Posten des offiziellen Oppositionsführers, dem „Minority Leader“ begnügen.
2020 kam dann für McCarthy die erste Kongresswahl, in der er offiziell die Partei führte. Doch er und seine Partei verloren auch diese Wahl, und dann kam der 6. Januar 2021. McCarthy war entrüstet, und machte noch eine Woche später Trump für die Attacke auf das US-Kapitol, durch aufgebrachte Trump Unterstützer, verantwortlich und forderte ernsthafte Konsequenzen für den scheidenden Präsidenten. Doch früh wurde klar, dass Trump noch deutlich mehr Macht und Rückhalt in der Republikanischen Partei besaß als man es nach dem Kapitol-Sturm hätte erwartet können. McCarthy, um seine Position bangend, vollzog eine erneute Kehrtwende, reiste zu Trumps Privatdomizil in Mar-a-Lago, wo sich Trump und McCarthy gegenseitig die Unterstützung zusicherten. Erneut opferte McCarthy seine Prinzipien zugunsten seiner Machtposition.
2022 sollte nun endgültig McCarthys Jahr des Triumphs werden. Seine Stellung innerhalb der Partei wurde durch Trump beschützt. Trumps Amtsnachfolger Joe Biden war so unpopulär wie wenige Präsidenten zuvor, und eine unbändige „Red Wave“ (Republikanische Welle) wurde erwartet. Doch es kam alles anders. McCarthys Wahlparty, auf der er bestenfalls noch am Abend einen riesigen Sieg für die Republikaner erklären wollte, blieb bis in die Früh aus. Dann erst traute sich der Oppositionsführer vor seine Unterstützer und die Medien, um verhalten, aber scheinbar überzeugt, den republikanischen Sieg bei den Kongresswahlen auszurufen. Seine machtbedingte Unterstützung für Trump schlug zurück. Was folgte, war ein Pyrrhussieg der Republikaner, und die besten Ergebnisse für eine regierende Partei bei den Midterms seit 2004.
Trotzdem hat McCarthy sein Ziel letzten Endes erreicht (auch wenn der „Freedom Caucus“ erneut eine Gegenkandidatur angekündigt hat). Er musste dafür viele Wendungen durchleben, und ist für viele seiner Kritiker, insbesondere in der republikanischen Partei, zum Synonym für einen machtgierigen Washingtoner Karrierepolitiker geworden.