„Keine Kunst auf einem toten Planeten“ – wie die “letzte Generation“ Kunst und Kultur gefährdet

Von Jonas Kürsch | Vor einigen Tagen sorgte die Klimaprotestbewegung „L’ultima Generazione“ – das ist die italienische Version der in Deutschland zuletzt lautstark aufgetreten „Letzten Generation“ – mit einer hochbedenklichen Aktion in Italien für großes Aufsehen. Die  „Klimaaktivisten“ klebten ihre Hände als Ausdruck ihrer Ablehnung des Erdöl- und Co2- Verbrauchs unserer Gesellschaft an ein unbezahlbares Meisterwerk des italienischen Malers Sandro Botticelli, dem vermutlich wegweisendsten Maler der Renaissance neben Leonardo Da Vinci.
Wie das Museum mitteilte, blieb das hinter einer Glasscheibe geschützte Gemälde glücklicherweise unversehrt. Ähnlich verhielt es sich mit Da Vinci’s Mona Lisa im Pariser Louvre, die vor einigen Wochen ebenfalls im Rahmen eines „Klimaprotestes“ mit einer Torte beworfen wurde. Zudem klebten sich Aktivisten bereits an eine berühmte Malerei des niederländischen Expressionisten Vincent Van Gogh. Mit demokratischem Protest haben diese Inszenierungen allerdings rein gar nichts zu tun, vielmehr offenbart sich im Weltbild der Klimademonstranten ein gewaltiger Mangel an Respekt und einer nihilistischen Verachtung großer künstlerischer Leistungen der Menschheit.

Wer sich an Kunstwerken festklebt, der muss das Denken verlernt haben

Man muss, denke ich, keinem Menschen mit einer halbwegs ausgeprägten Affinität zu den bildenden Künsten erklären, weshalb solche Angriffe auf unser europäisches Kulturgut vollkommen unangebracht sind. Gerade im Hinblick auf die oben genannten Meisterwerke, sprechen wir von Artefakten, die in der Kunstgeschichte ihresgleichen suchen: Jene Kunstwerke wurden von hochkreativen Menschen geschaffen, die uns seit Jahrhunderten als strahlende Beispiele für die schöpferische Identität des Menschen als schaffendem Wesen dienen.
Botticelli, Da Vinci und Van Gogh suchten schon früh nach jenen Koordinaten des menschlichen Daseins, die hinter der oberflächlichen Wahrnehmung des Alltagslebens verborgen liegen. Der deutsche Philosoph Immanuel Kant fasste diese künstlerischen, wissenschaftlichen und in vielerlei Hinsicht auch humanistischen Prinzipien der Transzendenz in drei treffenden (und doch sehr komplexen) Kernbegriffen zusammen: Schönheit, Wahrheit und Güte. Sie seien die Essenz des menschlichen Seins und die höchsten Ziele, welche es durch unser Handeln zu erreichen gelte. In Anbetracht dieser Tatsache ist vollkommen inakzeptabel, dass man der Kunst und den Künstlern mit einer derartigen Respektlosigkeit begegnet. 

Vielleicht sollte man sich auch über einige praktische Fragen zu den Aktionen der Demonstranten Gedanken machen – aus welchem Grund sollte man sich überhaupt an ein Jahrhunderte altes Kunstwerke kleben wollen? Was soll dieser irrationale Akt im Endeffekt bringen? Glaubt man ernsthaft, man könne seine eigenen Positionen mit so einem dümmlichen Verhalten im öffentlichen Diskurs stärken? Auf diese Fragen finde ich auch heute noch keine Antworten.
Mir leuchtete zunächst auch nicht ein, was Botticelli und co. überhaupt mit dem Klimawandel und der von den Klimaaktivisten geschilderten „Klimakrise“ zu tun haben könnten. Dann dachte ich, es handle sich um einen kulturellen Protest gegen die Renaissance, da diese ja in vielerlei Hinsicht als Startpunkt des modernen Kapitalismus betrachtet wird. Aber die Aktivisten klebten sich ja auch an einem Bild von Van Gogh fest und es ist ja weitgehend bekannt, dass dieser zu Lebzeiten keinen kommerziellen Erfolg hatte, daher wäre er nicht gerade das ideale Symbolfeindbild für einen dekadenten und radikalkapitalistischen Kunstmarkt.
Daher kann man leider nur zu der schmerzhaften Erkenntnis gelangen, dass hinter alldem keine Form von ideellen oder gedanklichen Konzepten steckt. Denn jene Art von Menschen, die sich aus welchen Gründen auch immer mit Sekundenkleber an teuren Kunstwerken festklebt, hat das Denken vermutlich schon vor langer Zeit verlernt. Das hat uns in den vergangenen Wochen ja auch die Grüne Jungabgeordnete Emilia Fester mehrfach bewiesen, die sich nicht so sehr mit guten Argumenten, dafür aber mit infantilem und inhaltsleerem Gefasel in der Öffentlichkeit einen Namen gemacht hat.

Dieser Trend droht Kunstwerke ernsthaft zu beschädigen


Die Entwicklung der letzen Wochen ist in jedem Fall hochbedenklich. Im Moment wurden noch keine Werke ernsthaft beschädigt, doch wer kann mit Sicherheit ausschließen, dass diese Menschen sich nicht an der Leinwand eines weniger gut geschützten Ausstellungsstückes festkleben und es damit zerstören würden? Das Motto der radikalen Kleber ist extrem kompromisslos – schließlich denken sie, dass sie die Welt retten müssten. „Es gibt keine Kunst auf einem toten Planeten“ – was ist in dieser extremen Denke schon eine farbige Leinwand wert? Die Justiz muss diesen zerstörerischen Akten mit harten Strafen ein Ende setzen. Denn der Konsens einer demokratischen Gesellschaft ist: Vandalismus ist kein legitimer Protest.