Israel: Wahl Nummer 5 in nur 4 Jahren
Von Boris Cherny | Alle Jahre wieder. Heute wählen die Israelis schon zum fünften Mal innerhalb von nur 4 Jahren ihr Parlament und damit auch indirekt den Ministerpräsidenten. Auch diesmal sind stabile Koalitionsverhältnisse nicht in Sicht.
Israels Parteiensystem ist eines der vielseitigsten auf der Welt. Die Spaltung verläuft nicht nur zwischen Links und Rechts sondern auch zwischen Orthodoxem und säkulärem Judentum und dazu noch zwischen jüdischen und arabischen Parteien. Das führt zu stets minimalen Mehrheiten, die sich selbst bei kleinsten Meinungsverschiedenheiten kaum halten. Zuletzt waren sinnvolle Koalitionen vollkommen unmöglich, und es mussten gar Rotationsregierungen gebildet werden, in denen das Amt des Ministerpräsidenten ein Mal pro Jahr zwischen zwei Personen wechseln sollte. Nach diesen Wahlen scheint ein solches Arrangement nicht unwahrscheinlich.
Die alles bestimmende Figur dieser Knesset-Wahlen ist, wie in den letzten Jahren auch, Benjamin Netanjahu. Bis 2021 Premierminister, und seit dem Oppositionsführer will er nach dieser Wahl erneut Premierminister werden. Als am längsten amtierender Premierminister des Landes ist er den Israelis gut bekannt. Mithilfe seiner liberalen Reformen wuchs Israels Wirtschaft rasant. Außerdem gab es positive Entwicklungen im Israelisch-Arabischen Verhältnis, wie beispielsweise durch die historischen Abraham Verträge im September bzw. Oktober 2020, die das Verhältnis Israels zu Bahrain, den Vereinigten Arabischen Emiraten und dem Sudan offiziell normalisierten, gefolgt von einer Normalisierung der Verhältnisse zu Marokko Ende 2020. Zusätzlich hat er schon mehrmals Vorschläge für eine faire und friedliche Zweistaatenlösung unterbreitet, die aber von Palästinensischer Seite abgelehnt wurden.
Freilich ist auch nicht Netanjahu vollkommen frei von Missetaten. Er steht schon seit Jahren wegen Korruption unter Anklage, hauptsächlich aufgrund seines Verhältnisses zum israelischen Telekom Riesen Bezeq. Seine zwielichtigen Geschäfte und vor allem seine konsequent Liberal-Konservative Politik machen ihn zum Roten Tuch für das Mitte-links Lager und Teile des orthodoxen Lagers. Zu ihrer Gallionsfigur ist der aktuelle Premierminister Yair Lapid aufgestiegen. Der ehemalige Journalist, Songwriter, TV-Host und Autor mehrerer Thriller und Kinderbücher will eine Rückkehr Netanjahus in das politisch wichtigste Amt des Landes unbedingt verhindern.
Der zentristische Politiker konnte während seiner Regierungszeit, aufgrund der untragbaren parlamentarischen Situation kaum etwas bewirken, ähnlich wie sein Vorgänger Naftali Bennett. Seine Regierung hat sich vor allem eine weitere Verhandlungen im Palästina Konflikt und eine voranschreitende Säkularisation Israels auf die Fahnen geschrieben. Doch die Regierung zerfiel schnell, als ein Knesset Mitglied der Regierungskoalition zur Opposition wechselte und damit die Einsitz-Mehrheit der Regierung im Knesset zerstörte. Doch auch die Neuwahlen werden wohl kaum Heilung in das politisch gespaltene Land bringen. Alle Umfragen weisen auf ein äußerst knappes Rennen zwischen dem Netanjahu Block und dem Lapid Block hin. Egal wie die Wahl ausgeht, eine Regierung wird schwer zu bilden sein und erneute Wahlen wahrscheinlich.