Impfkritische Plakate in Frankreich: „Eine Bedrohung“

Von Anna Graalfs | “1 schwere Nebenwirkung bei 100 Impfungen – Und wenn es Ihr Kind wäre?” lautet einer der Plakatsprüche einer Organisation namens “Réinfocovid” in Frankreich. Seit Juli 2022 wurden in Toulouse und Umgebung ca. zehn große Plakate mit Ausrufen gegen die Covid-Impfung aufgehangen. Ein anderer Spruch lautet zum Beispiel: “1 Impfkomplikation bei 100 Injektionen – die Gesundheit unserer Kinder ist mehr wert als experimentelle Impfstoffe”. Die Zahlen auf diesen Plakaten scheinen ein bisschen aus dem nichts gegriffen zu sein. Und das sind sie auch: Ende 2021 zählt die ANSM (“Agence National de Sécurité du Medicament”) 110.000 Meldungen von Impfnebenwirkungen. Zu dem Zeitpunkt haben in Frankreich schon ca. 52 Millionen Menschen ihre Erstdosis erhalten. Wenn ich mit meinem Dreisatz aus der siebten Klasse richtigliege, sind das umgerechnet ca. 0,212 Fälle von Impfnebenwirkungen pro 100 Impfungen. Die Schwere der Impfnebenwirkungen ist hier natürlich nicht berücksichtigt, aber um es sicher besser vorstellen zu können: ungefähr 2 von 1000 Impfungen haben sicher Nebenwirkungen. Natürlich ist die Dunkelziffer größer: Wer weiß wie viele Fälle von Impfnebenwirkungen es noch gibt, die nicht gemeldet wurden, aus welchen Gründen auch immer? Trotzdem liegt “Réinfocovid” mit seinen Zahlen weit daneben. Aber das ist nicht einmal das größte Problem…
Zehn Plakate bringen die Medien ins Schwitzen
Ich wiederhole es handelt sich hier um zehn Plakate: Und die französischen Medien gehen durch die Decke. Ob online, in Zeitungen, im Fernsehen – die “Impfgegner-Plakate” sind eine der Topstories von der Bretagne bis ins Elsass. Und anstatt Zahlen zu korrigieren, um das Volk eines Besseren zu belehren, wird dramatisiert, gecancelt und Impfnebenwirkungen werden als Ganzes geleugnet. Hart ausgedrückt: Propaganda wird mit Propaganda bekämpft. Dr. Jérôme Marty, ironischerweise Präsident der französischen Gewerkschaft für freie Medizin, erklärt “France Bleu Toulouse”, dass die Plakate in Toulouse ein Risiko darstellen, da sie möglicherweise Menschen zum Zögern bringen könnten, wenn es um die Impfkampagne geht. Egal was auf den Anti-Impfplakaten steht, wie kann einem bei solchen Worten nicht unwohl werden? Was wäre denn so schlimm, wenn man länger darüber nachdenkt, ob man sich wirklich eine Impfung spritzen will, für die noch keine Langzeitstudien vorliegen? “Le Point” schreibt die Plakate in Toulouse “propagieren anscheinende Nebenwirkungen der Impfung”. Die Reaktionen der französischen Massenmedien geben das knallharte Impfregime Frankreichs wieder und unterstreichen ganz nebenbei Präsident Macrons unvergessliche Worte: “Ich werde die Ungeimpften bis zum bitteren Ende nerven”.
Wie so oft gewinnt die Doppelmoral
Genau wie in Deutschland gibt es in Frankreich aber auch viele Pro-Impfkampagnen, die meisten vom Staat selbst veranlasst sind. Als jemand der jedes Jahr in Frankreich ist, kann ich sagen, dass diese Kampagnen sogar noch verbreiteter und vielseitiger als in Deutschland sind. Es begrenzt sich nämlich nicht nur auf “Sich impfen, sich schützen”-Plakate in den Straßen (natürlich auch in mehreren Sprachen), nein, es gibt auch 1-minütige Werbeklips die auf einmal freitagabends vor deiner Lieblingssendung auf dem Fernseherbildschirm auftauchen. Da werden dann zum Beispiel dramatische Klips von einem Rugbyspieler und seiner Rugby-Freundesklique gezeigt, um kurz danach die Kamera in ein Krankenzimmer zu schwenken, in dem der Rugbyspieler gerade geimpft wird. Das Wiedersehen mit seinen Freunden hat er nur geträumt. Danach kommt die eindringliche Nachricht der französischen Regierung: “Weil wir alle davon träumen uns wiederzutreffen, lassen wir uns impfen”
Ich finde man sollte generell nicht Werbung für einen Impfstoff machen, als handelte es sich um eine Zahnbürste – ob Coronaimpfung oder irgendeine andere. Aber wenn man schon so viel Werbung für die Impfung macht, mit allen Mitteln versucht die Menschen dazu zu animieren sich zu impfen, kann man dann gleichzeitig, sozusagen, “Werbung gegen die Impfung” verbieten? Ich denke nicht, aber die altbekannte Doppelmoral hat sich auch hier mal wieder durchgesetzt. Denn, breaking news: Sonia Backes, Staatssekretärin für Staatsbürgerschaft, hat am 19.August bekanntgegeben, dass bald die “antivax”-Plakate in Toulouse ohne Kompromisse verboten werden sollen. Der französische Ärzterat habe sie darauf aufmerksam gemacht, dass eine derartige Plakatierung falsch und gefährlich sei. “Gefährlich”, weil es sich auf den Plakaten um Impfnebenwirkungen handelt, über die sich sonst niemand zu sprechen traut?
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