Immer mehr Politiker verabschieden sich von Twitter – ein Armutszeugnis

Von Elisa David | Robert Habeck war der Vorreiter, Kevin Kühnert und nun auch Jens Spahn folgen: immer mehr große Politiker verabschieden sich von der Social Media Plattform Twitter. Ein Armutszeugnis: Wer es nicht schafft, seine Positionen kurz und verständlich auf den Punkt zu bringen, ohne danach die Plattform verlassen zu müssen, sollte vielleicht nicht ausgerechnet Politiker werden.
Jens Spahn hat am Freitag bekanntgegeben, dass er sich von Twitter verabschiedet hat – naja nicht so ganz. Auf seinem Handy ist die App gelöscht, den Account leiten jetzt seine Mitarbeiter. Ein Kompromiss, vergleicht man das mit Kevin Kühnert, der letzte Woche ganz und gar den Abgang gemacht. Seine 370.000 Twitter-Follower sehen seit dem nur noch eine Fehlermeldung, wenn sie den Account suchen. Vorreiter des Twitter-Exodus war Robert Habeck, der schon seit 2019 nicht mehr unter eigenem Account twittert.
Die Begründungen sind alle ähnlich. Robert Habeck hat sich von dem blauen Vögelchen getrennt, weil er einfach zu oft zu viel Mist gebaut hat. „Super bescheuert“ musste er nach mehreren Fehltritten selbst einsehen. Zum Beispiel 2018, als er sich öffentlich erhoffte, dass die CSU bei der bayrischen Landtagswahl die absolute Mehrheit verliert – damit dort wieder Demokratie herrschen kann. Gut, nach der Show, die Söder da vor allem die letzten zwei Jahre abzieht, könnte ich dem fast zustimmen. Beim Wahlkampf in Thüringen machte er den gleichen Fehler, danach musste er die Leitung kappen. Jetzt hat er zwar indirekt wieder einen Account – den offiziellen Kanal des Bundeswirtschaftsministeriums – es ist aber zu bezweifeln, dass er mit dem irgendwas zu tun hat. Dafür hat er überforderte Leute für.
Kevin Kühnert erklärte, Twitter habe seine Sicht auf die Welt verzerrt. Viele haben ihm dazu gratuliert und Beifall geklatscht – vor dem Klischee „Das Internet ist böse und toxisch“, kann sich links und rechts eben niemand so ganz retten. Ist allerdings trotzdem Schwachsinn. Um Kevins Weltsicht zu verzerren braucht es kein Twitter, wer so sozialistisch ist, kriegt das schon ganz alleine hin.
280 Zeichen – für Politiker sollte das kein Problem sein
Ich persönlich bin (phasenweise) eifrige Twitternutzerin, als Kind dieser Zeit gehört sich das ja auch so. Zugegeben: 280 Zeichen sind eine Herausforderung. Als geborene Lübeckerin finde ich, dass ich an der Causa entschuldigt bin. Ich gebe zu, dass meine Sätze ganz gerne mal so lang sind, dass ich am Ende kaum noch weiß, wie ich angefangen habe. Als Journalist eigentlich eine Todsünde. Ich glaube auch nicht, dass ich durch das absichtliche Weglassen von Kommas vertuschen kann, wie verschachtelt meine Sätze manchmal sind.
Ich finde aber: Wenn die Mann-Geschwister trotzdem oder gerade deshalb zum deutschen Kultur geworden sind, dann ist das mein Geburtsrecht, so lange Sätze zu schreiben, wie ich will. Ich muss hier ja schließlich das Kulturgut aufrecht halten. Gut, nun ist Robert Habeck auch in Lübeck geboren, was meinem Punkt etwas widerspricht, aber von einem Super-Politiker mit Kanzlerphantasien sollte man verlangen können, dass er auf Twitter überlebt, ohne sich fast die Karriere zu zerstören.
Politiker und Social Media, speziell Twitter haben so ihre Schwierigkeiten miteinander. „Auf Twitter sind ohnehin nur Politiker, Journalisten und Psychopathen unterwegs“, sagte vor einigen Jahren Doro Bär. Sie war damals Digitalministerin, was auch erklärt, weshalb das mit dem Glasfasernetz nicht so gut funktioniert hat – Internet ist halt für manche Neuland und für andere die Hölle. Das hat Doro auch damals nicht davon abgehalten, auf der Psycho-Seite fröhlich weiter zu zwitschern, dabei fällt es ihr sehr schwer, eine Woche lang durchzuhalten, ohne ein Foto oder Video von oder zumindest mit sich zu posten. Wäre sie noch etwas jünger, wäre TikTok wahrscheinlich auch vor ihr nicht sicher.
Internet ist für uns alle Neuland
Halt, stopp, fake news: TikTok IST vor ihr nicht sicher. Als wäre sie jemals zu alt für etwas gewesen, sie beehrt die Chinesen Videoplattform schon seit 2020. Dabei hält sich ihr Auftritt dort zwar glücklicherweise in Grenzen, sie ist auch nicht sonderlich erfolgreich gewesen, aber wer sich anschauen will, wie man sich die Hände wäscht und wie weit 1,5 m Abstand sind, der kann da ja mal vorbei schauen.
In der FDP ist die Beziehung zu Twitter. Christian Lindner macht es sich einfach, seine Tweets sind nur echt mit dem „CL“ am Ende, ansonsten sind seine Beiträge von Team fabriziert. Ja gut, wenigstens ist er da transparent, ich finde es trotzdem befremdlich. Kubicki hat gar keinen eigenen Account. Wahrscheinlich weil es so direkt übereinander zu sehr auffallen würde, wie oft er 180 Grad Wendungen macht, wenn es um die Entscheidung geht, ob er sich rebellisch geben will, wenn es gerade nicht darauf ankommt, oder ob er seinen Posten hält und sich anpasst.
Wer das nicht aushalten kann, der sollte nicht nur Twitter, sondern auch der Politik den Rücken zu wenden. Sicher unterschreitet der Ton auf Twitter gerne mal die Gürtellinie. Aber als Politiker gehört es zum Job sich auch mal ausbuhen zu lassen. Und liebe Politiker: Ihr müsst uns nur lesen. Wir müssen euch ihm Alltag ertragen. Ihr lebt von unserer Arbeit, ich bestimmt unser Leben. Und das nicht immer mit der Sorgfalt, die angebracht wäre, um das mal ganz gelinde auszudrücken. Shitstorm ist immer noch besser als der Mob mit Fackeln und Haken, also pflegt die Demokratie und den Rechtsstaat und alle sind glücklich.
Politisch komplexe Debatten auf Kurznachrichtendienste zu verlagern, deren Sinn es meist ist, die Masse durch Emotionalisierung und Polarisierung um Zustimmung, in Form eines Herzchens oder nach oben gerichteten Daumens, zu bewegen, halte ich für mehr als fragwürdig. Sie befördern naturgemäß das Denken in Schwarz – Weiß, Rechts – Links, grünversifft – Umweltsau und was es sonst noch gibt und befördern Spaltungstendenzen konkurrierender Gruppen, ohne den Austausch oder eine umfangreiche und ausgewogene Debatte überhaupt zu wollen. Zu verstehen, dass dieses Medium den politischen Diskurs nicht fördert, sondern eher schadet, ist kein Zeichen von fehlendem Rückgrat, sondern die Erkenntnis, dass dieses Medium der Toleranz sowie den gegenseitigen Respekt im Rahmen einer politischen Auseinandersetzung schadet. Da kann man von Kühnert, Spahn und den sonstigen Protagonisten halten was man möchte.
Da bin ich anderer Meinung.
Es täte der Politik sehr gut, wenn sich immer weniger Politiker des Mediums Twitter bedienten.
„The medium is the message“. (Marshall McLuhan)
Und die von Twitter verbreitete Message ist keine gute.
Volle Zustimmung! Aber haende weg von TikTok, wer diese App auf seinem Handy hat kann sicher sein dass er/sie ausspioniert wird, und zwar vollstaendig.