Holodomor – der bolschewistische Genozid am ukrainischen Volk

Von Boris Cherny | Zu den größten Verbrechen des Kommunismus zählt die Behandlung der (insbesondere ukrainischen) Bauern in der Sowjetunion. Der mörderische Akt der Aushungerung ganzer Landstriche sorgte für Millionen Opfer und prägt die Ukraine noch bis heute. Der sogenannte „Holomodor“ war eine organisierte Hungersnot – und auch ein Genozid, um den Widerstand der Ukrainer gegen den russischen Bolschewismus zu brechen.
Als 1917 die bolschewistische Revolution in Russland Einzug hielt, wurden schnell von ihren Führern die Klassenfeinde des kommunistischen Regimes ausgemacht. Neben den Intellektuellen und der wirtschaftlichen Elite, zählten auch wohlhabenden Bauern, die sogenannten Kulaken zu den größten Klassenfeinden. Vor allem in der Ukraine, die als „Brotkorb Europas“ bekannt ist, waren Kulaken ein wichtiger Bestandteil der Wirtschaft. Sie waren meist die Produktivsten Bauern der Regionen die sei bewohnten. Schon früh hatten sie unter verschiedensten Schikanen zu leiden. Aber auch die restlichen Bauern wurden von den Kommunisten mit Misstrauen betrachtet. Lenin hielt die kleinen privaten Betriebe der Bauern als Keim für Kapitalismus und die Bourgeoisie und Stalin hielt die Bauern für eine größten Gefahren für seine Macht.
Gewaltsame Kollektivierung und Entkulakisierung
11 Jahre nach der Revolution hatte die Nachfrage nach Getreide ein so hohes Niveau erreicht, dass Stalin den staatlichen Einzug von Getreide als eine Art Steuer einführte. Die Bauernschaft widersetzte sich diesen Maßnahmen größtenteils. Den Widerstand der Bauernschaft sah Stalin als Akt der politischen Sabotage an. Um bessere Kontrolle über die Bauern zu erhalten, wurde 1929 letztendlich die Kollektivierung der gesamten Landwirtschaft angeordnet. Alle Bauern sollten enteignet und in kollektive Farmen, die sogenannten „Kolchose“, integriert werden. Aus diesen politisch überwachten Kolchosen konnte Getreide direkt an den Staat abgegeben werden, zumindest in der Theorie.
Kombiniert mit der Kollektivierung wurde auch die Entkulakisierung beschlossen. Dieses drakonische Programm sollte reiche Bauern zuerst enteignen, und daraufhin sollten sie in entlegene Regionen für Zwangsarbeit deportiert werden. Da die meisten „Kulaken“ sowieso schon durch die massive Steuerlast verarmt waren traf die Entkulakisierung die gesamte Bauernschaft. Der Begriff „Kulak“ wurde deshalb auch ausgeweitet. Bauern konnten schon als Kulaken deportiert werden, weil sie früher einen Mitarbeiter in ihrem Betrieb beschäftigt hatten, oder im Sommer Korn auf dem Markt verkauften. Die Enteignungen wurden von den Dorfbewohnern (organisiert in sogenannten „Aktivistengruppen“) selbst durchgeführt, was oft zu Denunziationen und persönlichen Racheakten führte. Wurde nun eine vermeintliche Kulakenfamilie enteignet, wurde ihr meist alles genommen, selbst die Kleidung (Unterwäsche ausgenommen) zogen die Aktivistengruppen manchmal ein. Durch die chaotischen Bedingungen der Deportationen und Enteignungen starben mehrere Hunderttausend Menschen.
Widerstand der Bauern erfolglos – noch mehr Repressalien als Folge
Die grausamen Gewaltakte gegen die Bauernschaft führte zu einem großflächigen Bauernaufstand. In vielen Bezirken übernahmen Bauernräte für Wochen die Macht, bis die Macht der Bolschewisten gewaltsam wiederhergestellt wurde. Zu den Forderungen der Bauern gehörten Wiederherstellung einer freien Landwirtschaft und Beendigung des Sowjetischen Systems. Vor allem in der Ukraine, wo die Bauernaufstände besonders groß waren, waren die wirtschaftlichen und politischen Forderungen meist noch mit dem Ruf nach einer unabhängigen Ukraine gepaart. Die Niederschlagung der Revolte und die nachfolgenden Repressalien gegen die Landbevölkerung der revoltierenden Regionen (neben der Ukraine auch die Regionen des Nordkaukasus und Kasachstan) forderte weitere tausende Menschenleben.
Doch auch der Beendigung der offenen Konfrontation leisteten die nun meist in Kolchosen organisierten Bauern passiven Widerstand gegen Kollektivierung und die immer erdrückender werdende Steuerlast (allein vom Jahr 1931 auf 1932 stieg die eingezogene Getreidemenge durchschnittlich – mit Unterschieden je nach Region – um etwa ein Drittel an). Ganze Dörfer, samt Mithilfe des örtlichen Parteiapparats, entzogen sich den Steuern, indem sie falsche Zahlen an die Zentralverwaltung lieferten. Die Staatsführung reagierte prompt.
Große Hungersnot und Holodomor als „letzte Lösung“ der Regierung
1932 beschloss die Parteispitze, die aufständischen Regionen aushungern zu lassen. So wollte Moskau den Widerstand der Bauern brechen. Sogenannte Schwarze Listen für unbeugsame Dörfer wurden eingeführt. Die Versorgung dieser Dörfer wurde abgeschnitten, alle „Konterrevolutionäre“ wurden verhaftet, verschleppt oder hingerichtet, und im Falle dass die Maßnahmen „nicht wirkten“, wurde die gesamte Bevölkerung der Ortschaft deportiert. Die drakonischen Steuern und Repressalien führten dazu, dass kaum noch Getreide produziert wurde. Viele Dörfer in der UdSSR hatten überhaupt keine Nahrungs- oder Anbaureserven, da diese durch den Staat eingezogen.
In ihrer Verzweiflung versuchten viele Bauern in die besser versorgten Städte zu fliehen. Doch auch die Landflucht wollten die Kommunisten verhindern. Deshalb wurden ein Inlandspass und eine Zwangsregistrierung verordnet. Fast alle flüchtenden Bauern konnten somit in ihre Heimatregionen zurückgebracht werden – und wurden zum Sterben zurückgelassen. Verzweifelte Eltern versuchten zumindest ihre Kinder in den Städten zu verstecken, doch auch die wurden durch speziell organisierte Dienste wieder deportiert. Zusätzlich zum staatlichen Morden, verbreiteten sich Krankheiten wie Typhus rasant unter der Bevölkerung. Die unmenschlichen Lebensbedingungen führten auch zu Kannibalismus. Die Sowjetische Regierung sah sich sogar gezwungen Plakate drucken zu lassen, die Bevölkerung daran erinnern sollten, dass das Essen der eigenen Kinder falsch ist. Der besondere Zynismus der Regierung lässt sich an ihrer Handelspolitik ablesen. Während im eigenen Land Millionen Menschen verhungerten, exportierte die Sowjetunion 1933 18 Millionen Doppelzentner Weizen an das Ausland.
Zwischen 5,7 und 8,7 Millionen Menschen starben während der großen Hungersnot 1932/33, davon 3,3 bis 5 Millionen alleine in der Ukraine. Manche Ortschaften mit einst mehreren Tausend Einwohnern hatten Ende 1933 nur noch einige Dutzend Bewohner. Auch wenn nicht ausschließlich die Ukraine von der Aushungerung betroffen war, wurde insbesondere die ukrainische Nationale Bewegung durch den Holodomor gezielt angegriffen. Dieses beispiellose Verbrechen führte aber langfristig zu einem Erstarken des ukrainischen Nationalgedanken, und ist auch ein Grund für die starke Ablehnung einer Union mit Russland, immerhin hat die letzte Vereinigung solcher Art zum Tod von 5 Millionen Ukrainern geführt.